Deutschland/DK/S 1997 · 121 min. · FSK: ab 12 Regie: Bille August Drehbuchvorlage: Peter Høeg Drehbuch: Ann Biderman Kamera: Joergen Persson Darsteller: Julia Ormond, Gabriel Byrne, Richard Harris, Mario Adorf, Jürgen Vogel u.a. |
Peter Hoegs Roman um eine dänische Wissenschaftlerin grönländischer Abstammung, die versucht hinter den wahren Grund des Todes eines Nachbarjungen zu kommen, hat es geschafft, trotz literarischer Ambitionen und verschrobener Charaktere ein großes Publikum zu begeistern. Nachdem Bille August sich mit der Allende-Verfilmung Das Geisterhaus einigermaßen respektabel aus der Affäre gezogen hatte, wurde er nun damit betraut, auch Fräulein Smillas Gespür für Schnee zu adaptieren.
Bei der Verfilmung wollte man dem Buch ganz offensichtlich kein bißchen wehtun und hat damit dem Film immens geschadet. Der Film geht mit dem Buch um wie ein Schmetterlingssammler mit seinen Insekten – das Resultat sieht guterhalten aus, hat aber nicht das geringste Leben mehr in sich; Smilla ist nichts als eine bebilderte Inhaltszusammenfassung.
Der Film vollzieht die selbe Reise wie das Buch, von der Sozialbausiedlung in Kopenhagen ins ewige Eis Grönlands, wo die skrupellosen Wissenschaftler eines Konzerns auf der Suche nach einem geheimnisvollen Meteoriten sind. Es kommt fast alles vor, was auf der Ebene des Plots im Buch geschieht, und auch die Charaktere sind vollzählig versammelt. Was fehlt, ist hingegen alles, was das Buch so wunderbar gemacht hat. Im Film ist alles jünger, schöner, normaler, alles wird erklärt und abgedichtet und auf Stereotype reduziert. Alle Ecken und Kanten wurden abgeschliffen, nichts verstört oder überrascht, und man hat ständig das Gefühl, in einem Film zu sein, der ursprünglich fünf Stunden dauerte, und aus dem alles herausgeschnitten wurde, was nicht unmittelbar die äußere Handlung vorantreibt.
Was hilft’s, wenn Julia Ormond bezaubernd ist und überzeugend spielt, wenn sie von Haus aus das ist, was nicht zu Smilla paßt – ein Star?
Was hilft’s, wenn Richard Harris, Mario Adorf, Robert Loggia und Jim Broadbent dabei sind, wenn sie in Rollen verheizt werden, denen alle Individualität der Romancharaktere genommen wurde?
Smilla gelingt es nicht im geringsten, ins Innere seiner Figuren vorzudringen, und so werden die
unvergeßlichen Charaktere des Romans zu leeren Typen mit ein paar beliebig wirkenden Ticks.
Bille August ist jemand für gediegenes Handwerk und einfühlsame Schauspielerführung, aber Regieeinfälle wird man bei ihm völlig vergeblich suchen, und so quält sich Smilla, einfallsreich wie trockenes Knäckebrot, voran mit Schuß-Gegenschuß Dialogszenen, die ab und zu durch unmotivierte Action-Einlagen unterbrochen werden.
Wer das Buch nicht kennt, dem wird Smilla als Film nichtssagend bleiben – ein mittelmäßiger Thriller ohne Ideen, der ständig den Eindruck erweckt, als würden wichtige Details fehlen. Wer das Buch kennt, bekommt noch mal einen Schnelldurchgang durch die wichtigsten Stationen und platte Erklärungen für alles, was der Roman bewußt offen, komplex und zweideutig hält. Es bleibt das schale Gefühl, man hätte daheim bleiben und das Buch noch einmal lesen sollen.