D/Ö 2022 · 122 min. · FSK: ab 12 Regie: Adrian Goiginger Drehbuch: Adrian Goiginger Kamera: Yoshi Heimrath Darsteller: Simon Morzé, Karl Markovics, Karola Niederhuber, Marko Kerezovic, Joseph Cyril Stoisits u.a. |
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Auch Soldaten lieben Babytiere | ||
(Foto: Alamode Film/Filmagentinnen) |
In der Fauna gilt der Fuchs (Vulpes vulpes) als besonders intelligentes hundeähnliches Raubtier, auf Österreichisch ein »Blitzgneißer«. Ob er es nicht »gneiße«, wird der Rekrut Franz Streitberger in Adrian Goigingers Film Der Fuchs einmal von einem Kameraden gefragt. Das geschieht zu Anfang des Zweiten Weltkriegs, der sich für die unerfahrenen jungen Männer zunächst wie ein abenteuerliches Spiel anfühlt. Der sensible, in sich gekehrte Franz erspürt eher die Welt, als dass er sie verstehen und hinterfragen würde. Als wohnsitzloser 18-Jähriger hatte er sich in Salzburg für die österreichische Armee anwerben lassen, die nach dem sogenannten Anschluss 1938 in die deutsche Wehrmacht integriert wurde. Nach Kriegsausbruch kommt Franz, der bislang nur zwei Bergbauernhöfe im heimischen Pinzgau kannte, mit seiner Kompanie an den Westwall. Bei einem Waldspaziergang erbarmt er sich spontan eines verwaisten und verletzten Fuchswelpens, dessen Mutter elendig in einer Jägerfalle verendet ist. Behutsam gewöhnt Franz das Jungtier an die Geräuschkulisse des Militärs und an den Beiwagen seines Motorrads, mit dem er als Kurier unterwegs ist, was ihm eine gewisse Freiheit verschafft. Die beiden affektionieren sich so sehr aneinander, dass Franz den genesenen Gefährten beim Frankreichfeldzug bis in die Normandie mitnimmt. Ab da beginnt die zuschauende Tierfreundin um den feuerroten Welpen in seinen wechselnden Verstecken zu bangen.
Simon Morzé geht ganz in seiner Rolle des Franz Streitberger auf. Der gebürtige Wiener (Sohn der Schauspielerin Petra Morzé) machte für seine Rolle den Motorradführerschein. Er quartierte sich vier Monate lang auf einem Pinzgauer Bergbauernhof ein, um sich den sperrigen, entfernt mit dem Bayerischen verwandten Dialekt dieses Landstrichs anzueignen, und machte sich mit insgesamt fünf Füchsen vertraut, die als das historische »Fuchserl« agieren. Morzé habe die Tiere zusammen mit deren Trainer großgezogen, erklärte Adrian Goiginger in einem Interview mit dem »Standard«. Der Dreh sei »wahnsinnig anstrengend« gewesen: »Immer alles mit ›closed set‹, also mit ganz wenigen Leuten am Set. Was man normalerweise nur bei Sexszenen macht, hatten wir immer, damit wir die Füchse nicht verschrecken.«
Warum aber nahmen der Salzburger Regisseur und sein Team diesen Aufwand auf sich? Weil es sich bei Adrian Goigingers drittem Film um ein wahres Herzensprojekt handelt, das ihm rund 15 Jahre lang vorschwebte, bis er sich an die Realisierung wagte. Denn es geht um die wahre Geschichte seines Urgroßvaters. Im Abspann ist der echte Franz Streitberger auf einem Tonbandmitschnitt zu hören, was ein bisschen an die Fernseh-Plauderstunden von Luis Trenker erinnert: Mindestens ein Jahr lang habe ihn der zahme Fuchs im Krieg begleitet, erzählt der alte Herr.
Franz Streitberger wuchs als jüngster Sohn einer bitterarmen Bergbauernfamilie auf. Dieses Kind im langen Prolog zu Der Fuchs spielt der neunjährige Max Reinwald aus Saalbach-Hinterglemm. Von den verhärmten, sorgenvollen Eltern (Karola Niederhuber und Karl Markovics) ständig zur Arbeit angehalten, sammelt der kleine Franz an einem Tag 31 Kartoffeln, von denen er abends am Familientisch eine einzige zu essen bekommt. Als Franz vor Schwäche in Ohnmacht fällt, fühlt er sich schuldig. Er verspricht, nicht mehr krank zu werden, um den Eltern finanziell nicht zur Last zu fallen. Doch der Vater gibt ihn kurzerhand zu einem reichen Großbauern. Diese brutale Trennung wird sich Franz lebenslang ins Gemüt graben.
Die Strandszenen in der Normandie – ein emotionaler Höhepunkt – mussten wegen Corona-Restriktionen an der Nordsee gedreht werden. Sie sind von einer Unbeschwertheit geprägt, die für einen Kriegsfilm beinahe unglaubwürdig erscheint. Franz verliebt sich bei einem Ausgang in die Französin Marie (Adriane Gradziel), die ihn und sein Haustier nach kurzem Zögern bei sich aufnimmt. Ehe er die Vokabel »renard« richtig beherrscht, droht die Idylle bereits zu enden. Franz und sein Kamerad Anton Dillinger sind Mitläufer im deutschen Eroberungskrieg, den sie zu keiner Zeit hinterfragen. Die Geschehnisse stellt Adrian Goiginger unmittelbar aus der (Frosch-)Perspektive der Gefreiten dar, die dankbar dafür sind, etwas von der Welt zu sehen – bis es nach Russland geht.
Im Jahr 1946 kehrt Franz Streitberger heim. Es ist, als habe ihn der Fuchs, dieses weise Wildtier, den ganzen Krieg hindurch beschützt, als Dank für seine Errettung. Der gleichnishafte Märchenton des Films, der im Stil alter Fotos im 4:3-Format mit abgerundeten Ecken gedreht wurde, wirkt im Zusammenhang mit den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs durchaus irritierend. Aber entziehen kann man sich der Faszination dieser verbürgten Geschichte eines Tierfreundes an der Front dann doch nicht.