Funny Games U.S.

USA/F/GB/Ö/D/I 2007 · 112 min. · FSK: ab 18
Regie: Michael Haneke
Drehbuch:
Kamera: Darius Khondji
Darsteller: Naomi Watts, Tim Roth, Brady Corbet, Michael Pitt, Devon Gearhart u.a.
David gegen Goliath

Teuflisch berechnende Boshaftigkeit

Premiere

Vor der Vorfüh­rung im Berliner Kino »Inter­na­tional« sprintet Michael Haneke leicht­füßig durch den Saal und stellt sich mit respekt­ein­flößend souver­änem Gesichts­aus­druck seinem Publikum gegenüber. Ein span­nender Moment. Haneke richtet sich direkt ans Publikum: Wer hat schon den ersten Funny Games Film gesehen? Etwa drei Viertel des Publikums heben beflissen die Hand. »Ja für Sie ist dieser Film gar nicht gemacht«, kontert Haneke. Das Publikum lacht leicht verun­si­chert. Haneke stellt nun schmun­zelnd Über­le­gungen an, warum man trotzdem ins Kino gekommen sei. Eine Möglich­keit sei ja die, dass man ein Fan von ihm sei, was er sehr zu schätzen wisse – er verbeugt sich elegant –, oder ein Mitar­beiter, was er auch sehr begrüße. Mit den Worten: »Viel Vergnügen!« eröffnet er dem gespannten Publikum unter Applaus die Vorstel­lung der Neuver­fil­mung von Funny Games. Das Original Funny Games gedreht 1997 in Öster­reich, in den Haupt­rollen Ulrich Mühe, Susanne Lothar und Arno Frisch. Der neue Funny Games U.S. gedreht 2007, bezeich­nen­der­weise in den USA, in den Haupt­rollen nun Tim Roth, Naomi Watts und Michael Pitt. Das Licht geht aus.

Umfang

Wir werden Zeuge einer vers­tö­rend sadis­ti­schen Reise in den Wahnsinn eines kranken Spiels, welches Perver­sion allge­gen­wärtig, alltäg­lich und plausibel erscheinen lässt, ein Eindruck, der alles in Frage stellt, was einem sicher und heilig war, sofern man bereit ist, sich darauf einzu­lassen. Eigene Tabus werden mal mehr, mal weniger sichtbar, aber dennoch immer spürbar gebrochen, Schmerz­grenzen werden über­schritten, darge­boten und verpackt in einem ober­fläch­lich stets korrekten, klinisch sauberen, höflich-char­manten, leicht spöt­telnden Tonfall, der schon bald zum Synonym für teuflisch berech­nende Boshaf­tig­keit wird. Haneke spielt ein durch­trie­benes Spiel mit unseren durch zahllose Horror­filme so trai­nierten wie einge­fah­renen Wahr­neh­mungs­ge­wohn­heiten. Auf nichts ist hier Verlass.

Musik

Der Song »Bonehead« der New Yorker Avant­garde Band »Naked City«, der den Sound des Films gleich zu Anfang sowohl effekt­ha­sche­risch als auch verheißungs­voll unter­bricht, gleicht einem vertonten Tobsuchts­an­fall ange­sichts der intakten Familie die hier zu sehen ist. Er will das Bild zerschmet­tern – oder klagt dessen bevor­ste­hende Zerschmet­te­rung an. Eine vor unkon­trol­lierter Wut krei­schende, sich in Raserei hyste­risch über­schla­gende Stimme, begleitet von hyper­lautem Speed Metal. Passt nicht auf die kleine, sympa­thi­sche Familie die dabei im Bild zu sehen ist, entspannt lächelnd. Passt überhaupt nicht hinein in das Bild länd­li­chen Feri­en­idylls in gehobenem Kreise gebil­deter, erfolg­rei­cher, kulti­vierter Menschen. Sie setzt ein, sobald sich das große, weiße, elegante Tor des Feri­en­an­we­sens hinter dem eben einge­fah­renen Jeep der Familie auto­ma­tisch schließt, legt sich verge­wal­ti­gend über die Szenerie, gibt dem Bild einen unter­schwel­ligen Riss, lässt den Sonnen­schein bedroh­lich und die noch Lächelnden jämmer­lich ausge­lie­fert erscheinen, gibt die Gezeigten zum Abschuss frei. Es ist aber auch diese Musik, die einen nach kurzer Zeit des Ertragens so wahn­sinnig wütend macht, das man dazu sogar selber instinktiv etwas demo­lieren oder jemandem mal so richtig eins auf die Schnauze hauen mag. Sie taucht dort am Anfang auf, gleich einem Tourette-Anfall, unkon­trol­liert und – scheinbar – unpassend. Sie verheißt die pure Gewalt, eine sinn­ent­leert hassende, blind rasende Zers­tö­rungswut.

Doch spätes­tens wenn der Film mit dem Close-up auf das direkt in die Kamera blickende smarte Gesicht Michael Pitts in einem Still endet und statt einem bewegten Bild nun diese brüllende Musik wieder einsetzt, weiß man genau, was sie da zu suchen hatte. Viel aufrich­tiger als die Bilder offenbart sie das Grauen. Hinter der glatten, smarten Fassade einer instru­men­ta­li­sierten, distan­zierten Höflich­keit – wie sie aus dem Alltag bestens bekannt ist, hinter der man zwar nichts Böses vermutet, die man aber auch niemandem wirklich abkauft – agieren hier zwei sadis­ti­sche Monstren, die in jeder Einstel­lung stets strahlend weiße, irreal saubere Hand­schuhe und Tennis­klei­dung tragen. Das Blut wird unter­schlagen.

Einer der eindring­lichsten Momente des Filmes beschreibt den zum Scheitern verur­teilten Versuch des kleinen Georgie (Devon Gearhart), mit dem Schieß­ge­wehr auf den behand­schuhten Folterer (Michael Pitt) zu feuern, der ihm mit süffi­santem Grinsen erklärt, dass man zum Schießen erstmal den Hahn der Waffe spannen muss, und dem Jungen damit grausam beiläufig seinem ersten, zarten Ansatz einer männ­li­chen Souver­änität beraubt.

Kamera/Blick

Die Kamera ist in diesem kaum zu ertra­genden Moment recht nah bei dem kleinen Jungen, leicht unter­sichtig scheint sie ihn väterlich beschützen zu wollen, und zeigt uns aber in Wahrheit sehr unter­kühlt jede Nuance des in dem Kinder­ge­sicht mit den aufge­ris­senen Augen offen­barten inneren Kampfes zwischen nackter Angst und einem verzwei­felten Über­le­bens­in­stinkt, als sei der Junge ein Labortier, das man inter­es­siert studiert. Mit einge­pin­kelter Hose hält er die viel zu große Waffe in der Hand und zielt mehr zitternd als entschlossen auf den Peiniger – die Kamera kommt nah zu ihm, als er abdrückt, aber kein Schuss sich löst, schaut dann weg auf Paul (Michael Pitt) der mit entspanntem Grinsen höhnisch ein Schieß­geräusch nachäfft, jetzt können wir dem kleinen Georgie einmal noch ins Gesicht schauen, längst ist es von lähmenden Entsetzen erfüllt, der Mund klappt auf. Ab jetzt können wir ihm nur noch von oben herab beim Verlieren, beim Zerbre­chen zuschauen – der kleine Körper schlot­ternd vor Angst ist er nun wieder das ängst­liche, hilflose Kind geworden, der Grau­sam­keit der Welt um ihn herum nicht gewachsen. Wirft sich laut schluch­zend in Mamis gefes­selte Arme, der Kampf ist von vorne­herein verloren gewesen, weil er versagt hat.

Kurze Zeit später läuft frisch verspritztes Blut den Fernseher herunter, der stoisch Auto­rennen abbildet. Blut rinnt von den creme­far­benen Wänden und tropft von den geschmack­vollen Gemälden. Fast voll­s­tändig vom Sofa verdeckt, erahnen wir beinahe beiläufig im Bild­hin­ter­grund die reglosen Beine des Kindes. Die Kamera bleibt quälend statisch auf diesem Bild, als Ann (Naomi Watts) sich japsend vor Entsetzen mit gefes­selten Armen und Füßen grotesk hüpfend vorwärts bewegt, oder es versucht – ein von der Kamera sehr lang ausge­kos­teter Moment, der zuzu­schauen richtig wehtut, weil diese unbe­hol­fenen Körper­be­we­gungen etwas zutiefst Lächer­li­ches haben – und das Zuschauen deswegen auf wider­liche Weise höhnisch ist. Es fühlt sich unrecht an, dies zu sehen. Man ist als Zuschauer versucht, aus Unsi­cher­heit zu lachen um diesen Anblick überhaupt zu ertragen.

Die Gede­mü­tigten bekommen in der Kadrie­rung des Bildes kein Mitgefühl. Obwohl sie bereits am Boden zerstört sind, treten die emoti­ons­losen Bilder in ihrer Unbe­wegt­heit immer weiter auf sie ein, indem sie sie kalt­herzig ausstellen. Die Kamera fährt dann weiter zu George, dem Vater, der bereits seit kurz nach Beginn des Films durch einen gut gezielten Schlag mit dem Golf­schläger hilflos verkrüp­pelt und schwach ist, völlig unbrauchbar, völlig wehrlos und wertlos wirkt, auf ebendiese brutal verhöh­nende Art ihn zu zeigen, wie ein entmannter Versager, der seine Familie nicht beschützen konnte.

Diese nüchterne Art der Opfer­dar­stel­lung hat nichts Mitfüh­lendes, bietet uns keine Verschnauf­pause oder versöh­nende Strei­chel­ein­heiten wie Tapfer­keit oder Heldenmut, so wie man es von Opfer­fi­guren anderer Filmen gewohnt ist. Die Opfer hier sind versa­gende, wimmernde Verlierer. Die Erzähl­per­spek­tive lässt uns völlig aufge­schmissen und alleine mit dem Anblick gequälter und ernied­rigter, seelisch zerbro­chener Menschen. Und guckt noch nicht einmal richtig hin, wenn sie sterben, dafür ist sie sich zu schade, die Erzähl­per­spek­tive bleibt stets die einer leicht unter­kühlten, sauberen Distanz zum Geschehen. Befrie­digt keinen sensa­ti­ons­lüs­ternen Voyeu­rismus, aber stellt anschließend regungslos das verzwei­felte Strau­cheln der bereits am Boden liegenden aus. Selbst­ver­s­tänd­lich macht sich hier niemand außer den besu­delten Opfern, die Finger schmutzig – weder die Kamera, die uns Blutbäder bewusst voren­t­hält- noch die Mörder mit ihren stets blüten­weißen Hand­schuhen.

Beim Umgang mit allen hier gesche­henden Grau­sam­keiten ist der Zuschauer also völlig auf sich selbst zurück­ge­worfen, da nichts davon konkret abge­bildet oder in irgend­einer Weise erklärt wird. Die nicht gezeigte Kinder­leiche zum Beispiel mutiert während dieser quälend langen Sequenz zu einem imaginären Schreck­ge­spenst, welches ein im Film tatsäch­lich gezeigtes Bild wohl an Horror nicht über­treffen könnte. Der eigent­liche Horror­film findet vielmehr im Zuschauer selbst statt. Ein gemeines Spiel.

Warum

Wenn ein Film so brutal ist, warum geht man dann nicht einfach aus dem Kino, warum tut man sich so etwas frei­willig an? Ist es die Lust am Zuschauen, schnöder Voyeu­rismus, das Konsu­mieren einer Freakshow, Sensa­ti­ons­lust – warum bleibt man sitzen? Wir sehen Menschen entwür­digt und gequält, dem Wahnsinn schutzlos preis­ge­geben, entstellt und gede­mü­tigt, wehrlos. Und das alles ohne jede Dramatik, ohne jedes Spektakel. Nicht einmal den Tod bekommen wir gezeigt, weder spek­ta­kulär aufbe­reitet mit der gewohnten Portion Brechreiz auslö­sender aufsprit­zender Gehirn­masse oder knusprig krachender Knochen, noch mit einem schlichten letzten Blick – nichts gibt dem Leben in diesem Film einen beson­deren Wert. Der Tod geschieht genauso beiläufig, wie man sich nebenbei eine lästige Mücke vom Arm schnipst. Vers­tö­rend ist die hier darge­stellte Gering­s­chät­zung des Lebens, die konse­quente Miss­ach­tung der mensch­li­chen Würde auf allen Erzäh­le­benen. Warum also schaut man sich so etwas an?

Der schale Geschmack, den Funny Games U.S. hinter­lässt, wirkt tiefer, als man zunächst meinen möchte. Der Zuschauer als solcher wird zum Täter erklärt, mit in die Verant­wor­tung gezogen. Er hat lediglich die Wahl, sich zu entziehen und das Kino zu verlassen. Es ist ein hartes, aber aufschluss­rei­ches Stück Arbeit, sich auf die vers­tö­renden Pfade Hanekes zu begeben – da es einem, wenn man es denn will, die Chance bietet, sich mit seinen eigenen, ganz persön­li­chen Umgang mit Horror ausein­an­der­zu­setzen. Das der Horror-Effekt in diesem Film nicht vorgekaut wird, sondern nur über den Zuschauer funk­tio­niert, zeigt, dass es nicht das Fremde am »Bösen«, sondern die Nähe dazu ist, die uns so scho­ckiert – ein Erschre­cken über ein mögliches Selbst.

Man filmt nur zweimal

Michael Haneke hat das Remake seines eigenen Films gedreht

Mit Opern­arien beginnt dieser Film – für Ann, George und ihren Sohn Georgie fängt der Urlaub an: Mit einem Spiel, sie spielen Opern­raten...

Ein Spiel, und das klas­si­sche bürger­liche Vergnügen der Oper – zwei Zeichen, mit denen der Regisseur früh signa­li­siert, was er hier tut: Denn Opern sind selten Komödien, sie gehen zumeist tragisch aus, und das Publikum ergötzt sich an diesem Ausgang. Und Spiele kommen im Film viele vor.

Katz' und Maus heißt das Spiel, das hier aber vor allem gespielt wird. Zum Wesen dieses Spiels gehört, dass die Maus eine Chance aufs Entkommen hat – nur dann hat die Katze nämlich ihren Spaß. Wer genau aber hier die Katze und wer die Maus ist, darüber lässt sich im Fall von Michael Hanekes Funny Games U.S. mit guten Argu­menten streiten.

Der Film ist der wohl einmalige Fall, dass ein Regisseur ein Remake seines eigenen Werks verant­wortet, das in Einstel­lungen und Schnitt mit dem Vorläufer weit­ge­hend über­ein­stimmt. Die Schau­spieler sind aller­dings andere, und weil in den USA gedreht wurde, sind die Dialoge auch ins Englische übersetzt worden. Zur Erin­ne­rung: Bereits 1997 drehte der Öster­rei­cher Haneke einen Film namens Funny Games. Die Haupt­rollen spielten damals Susanne Lothar und Ulrich Mühe. Der Film lief erfolg­reich im Kino – aller­dings nur in Europa.

Funny Games erzählte von einer Kern­fa­milie – Vater, Mutter, Kind – aus wohl­si­tu­ierten, »gutbür­ger­li­chen« Verhält­nissen, die ihren Sommer­ur­laub in einem Feri­en­haus am See beginnen. Gleich am Ankunftstag bekommen sie Besuch von zwei jungen Männern, die sich erst als Bekannte der Nachbarn vorstellen, sich aber schnell als brutale Eindring­linge erweisen, die die Familie terro­ri­sieren und mit ihr ein grausames Spiel treiben, das schließ­lich für alle drei tödlich endet.

Vater, Mutter, Kind ist auch der Name eines Kinder­spiels. Auch sonst ist die Handlung von Funny Games durch­zogen von der (Kinder-)Spiel­m­e­ta­phorik. Wer darauf achtet, wird alles entdecken: Versteck­spiel, Eierlauf, Blinde Kuh, Abzähl­reime, »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?« und noch manches mehr.

Dass dies weder heiter noch zynisch gemeint ist, macht der Film klar; ein bitterer, auch kämp­fe­ri­scher Grundton durch­zieht ihn: Haneke meint ernst, was er tut, und das wird auch bei diesem Film nicht allen gefallen. Die Kenntnis des Plots darf man beim europäi­schen Publikum voraus­setzen. Haneke begründet das Remake auch in erster Linie mit einer pädago­gi­schen Absicht: Der erste Film habe auf ein »Hollywood-Publikum« gezielt, dieses Ziel aber verfehlt. Das ange­bo­tene Remake mit US-Stars habe er als Chance gesehen, jetzt doch das erstrebte Massen­pu­blikum zu erreichen und über die Mani­pu­la­ti­ons­zu­sam­men­hänge der Kultur­in­dus­trie aufzu­klären. Der Film verwei­gert sich den Erwar­tungen des Publikums und den Stereo­typen des filmi­schen Erzählens konse­quent und macht es dem Zuschauer nie behaglich. Auch für ein europäi­sches Publikum, das den Soupcon gegen jede Form von Erziehung längst zum Reflex verin­ner­licht hat, und – fälsch­li­cher­weise? – sowieso glaubt, über derartige Infor­ma­tionen erhaben zu sein, hält Funny Games U.S. wichtige Erfah­rungen bereit – so man sich auf sie einlässt.

Wer die erste Version kennt, wird zwangs­läufig verglei­chen: Der Vergleich lässt viele kleine Unter­schiede erkennen. Keines­wegs sind die Einstel­lungen identisch, gele­gent­lich sind Winkel verändert, und auch die Diffe­renzen bei Set und Kostüm frap­pie­rend und aufschluss­reich – wenn auch wohl eher ein Thema für Film­se­mi­nare. Selbst­ver­s­tänd­lich sieht man den Film anders, wenn man das Vorbild kennt, man sucht förmlich kleine Unter­schiede, und Haneke wäre nicht Haneke, hätte er derar­tiges Sehver­halten nicht mitbe­dacht. Aber für die, die den ersten Film kennen, ist Funny Games U.S. nicht gemacht. Funny Games U.S. ist auch ein Film aus eigenem Recht, ein virtuoses Spiel mit den Mecha­nismen unserer Wahr­neh­mung und ihrer Mani­pu­la­tion im Kino, wie auch mit den Versuchen der Zuschauer zur Distan­zie­rung von dem, was da von der Leinwand aus auf einen einbricht.

Das Original trug den präzisen Unter­titel »Ein Albtraum«. Es geht also um Albtraum­logik, nicht um Realismus. Haneke ignoriert die Konven­tion der »vierten Wand«, seine bösen Eindring­linge sprechen direkt zum Zuschauer, wie sonst nur Thea­ter­fi­guren. Thea­tra­lisch sind die beiden auch selbst: Wahlweise Peter und Paul genannt, Beavis und Butthead, Tom und Jerry, sind sie weiß gekleidet, inklusive Hand­schuhen, wie die Clowns der commedia dell’arte, wie Panto­mimen. Oder auch wie Mitar­beiter der Psych­ia­trie, die gleich jemanden mit der Zwangs­jacke abholen wollen. In dieser Zwangs­jacke findet sich die Familie wieder, aber auch die Zuschauer dieses Kammer­spiels. Funny Games U.S. ist eine »künst­liche« Versuchs­an­ord­nung, die mit allem Natu­ra­lismus bricht, in vieler Hinsicht nicht »hand­lungs­lo­gisch« ist. Stel­len­weise ist das offen plakativ, doch man sollte zumindest nicht annehmen, dass Haneke das nicht wüsste; Die Konstru­iert­heit ist sichtbar, aber sie lässt dem Zuschauer alle Freiheit.

Vollends treibt Haneke sein Medien­spiel auf die Spitze, als einmal das Bild von den Tätern selbst zurück­ge­spult wird. Was zeigt: Es geht nicht um Abbildung, es geht um deren Bear­bei­tung – nicht nur innerhalb des Darge­stellten, sondern auch auf der Ebene der Darstel­lung. In dieser Mischung aus schwarzer Komödie und Horror­film knüpft Haneke an klas­si­sche Vorbilder an. An Charles Laughtons The Night of the Hunter (»Die Nacht des Jägers«) muss man ebenso denken wie an die selbst­re­fle­xive Scream-Trilogie und an Thomas Clays Meis­ter­werk The Great Ecstasy Of Robert Carmi­chael. Vor allem drängt sich der Vergleich mit Kubricks A Clockwork Orange auf; wie dort inter­es­sieren Erklä­rungen für Taten nicht, werden vielmehr als Illusion entlarvt. Thema ist allein, wie sich das Böse einschleicht in die bürger­liche Gesell­schaft, wie man die Bedrohung kommen sehen könnte, und es nicht tut, weil das soziale Immun­system längst versagt hat. Diese These zielt nicht nur, aber auch auf das Kino. Wenn das nicht aktuell sein soll.