Frankreich/USA 2010 · 121 min. · FSK: ab 12 Regie: Joann Sfar Drehbuch: Joann Sfar Kamera: Guillaume Schiffman Darsteller: Eric Elmosnino, Lucy Gordon, Laetitia Casta, Doug Jones, Anna Mouglalis u.a. |
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Ein Film voller Lügen, aber insgesamt wahr |
Wenn man diesen Film richtig würdigen will, genügt es schon, ihn nur einmal mit Philipp Stölzls Goethe! zu vergleichen, der ebenfalls an diesem Donnerstag ins Kino kommt. Dies gerade, weil Serge Gainsbourg, der zu früh verstorbene Chancon-Sänger, Komponist, Schriftsteller und Lebenskünstler (1928-1991) an künstlerischer Bedeutung natürlich nicht mit dem Weimarer Dichterfürsten zu vergleichen ist. Aber er war genau das, was Stölzl für seinen Goethe! nur behauptet: Ein Popliterat, ein Rebell und Provokateur, ein Bohemièn, der die Bürger schockierte, ein Idol für die Jugend seiner Zeit.
Im Original heißt Joann Sfars Film daher auch Gainsbourg (Vie Hèroique), also »ein heroisches Leben«. Der Film erzählt weitgehend chronologisch, aber zügig und gewissermaßen »spotartig« das im Guten wie im Schlechten abwechslungsreiche Leben von Gainsbourg, der als Kind russisch-jüdischer Emigranten in Paris aufwuchs. Während der nazideutschen Besatzung musste sich das Kind mit den Eltern zeitweise im Wald verstecken. Nach der Befreiung Frankreichs wurde er langsam aber sicher zum Teil der Pariser Künstlerszene, freundete sich mit Surrealisten wie Salvador Dali, Fernand Léger (bei dem er Malerei studierte) und Boris Vian an und wurde Ende der 50er zum Star – nicht allein als Sänger, sondern auch als Komponist, etwa von France Galle, die 1965 den europäischen Schlagerwettbewerb mit einer Gainsbourg-Komposition gewann.
Gainsbourg steht für die »Yéyé«-Bewegung der 50er, eine französisch-eigenwillige Variante der Beat-Fans. Im Film erscheint er als ein ernsthafter Künstler zwischen Selbstzweifeln und Größenwahn. Aber auch als Verführer. Viele Affairen mit schönen Frauen pflastern seinen Lebensweg – eine davon mit Brigitte Bardot, die man durch diesen Film wieder versteht, als das revolutionäre Frauen-Phänomen, das sie Mitte der 50er Jahre war: Keine verbitterte Tierschätzerin mit rechtsextremen Neigungen, sondern ein Faszinosum, eine übermächtige Zauberfee.
Weil Regisseur Joann Sfar eigentlich ein über Frankreich hinaus bekannter Meister der Comic-Kunst ist, ist auch sein Film-Debüt überaus originell in seiner Erzählweise. Immer wieder gibt es auch Trickfilmsequenzen, und Szenen, in denen Joann Sfars eigene Zeichnungen zu sehen sind.
Zugleich ist vieles auch stark fiktionalisiert, andere Ereignisse aber recht genau an die Autobiographie Gainsbourgs angelehnt. Dies sei ein Film voller Lügen hat Sfar freimütig-souverän in
Interviews geplaudert – aber darin insgesamt dann doch voller Wahrheit: Weil es ihm gelingt, den Geist der Epoche und des Lebens von Gainsbourg zu fassen. So gelingt Sfar nicht nur eine unterhaltsamer Film, sondern vor allem eine Film-Biographie, die etwas wagt. Eric Elmosnino ist eine adäquate Besetzung der Hauptfigur, ebenso Anna Mouglalis als Juliette Gréco, ganz wunderbar und überraschend gut ist aber Model Laetitia Casta als Brigitte Bardot.
Eine eigenwillige, streckenweise auch ironische, nicht unkritische, aber immer liebevolle Biographie über eine schillernde Persönlichkeit, die ihr Leben als Gesamtkunstwerk lebte.