Großbritannien 1997 · 90 min. · FSK: ab 12 Regie: Peter Cattaneo Drehbuch: Simon Beaufoy Kamera: John de Borman Darsteller: Robert Carlyle, Mark Addy, Tom Wilkinson, Paul Barber u.a. |
Wohlwollende Rauchschwaden, attraktiv wie Trockeneis, durchwabern das Bild. Feuerfunken, richtig dosiert. In der Pause liest die Arbeiterin Vogue. Ihr Chef weiß nichts vom Klassenkampf. Zwischen Stahl und Schweiß glüht heiß auch die Liebe. Ein Hollywoodstreifen als kommunistisches Manifest: tagsüber in der Fabrik und abends Künstler. Ende gut alles gut wird die fesche Stahlarbeiterin Jennifer Beals Tänzerin. Dann ist Schluß mit dem real existierenden Sozialismus. Es lebe der amerikansche Traum. Insofern war Adrian Lynes Flashdance wohl doch eher ein Bekenntnis zur Überwindung des Proletariats.
Auf der britischen Insel ist das Arbeiterleben weniger romantisch. Einst war Sheffield eine aufblühende Industriestadt und die Arbeiter in den Stahlwerken voll Frohsinn und Schaffenseifer. So wollen es zumindest die Videobilder suggerieren, mit denen Regisseur Peter Cattaneo The Full Monty eröffnet. Die sind mindestens so hochglanzpoliert und werbewirksam wie Adrian Lynes Traum(Stahl)fabrik. Und ebenso falsch.
Gaz hat seinen Job in der Fabrik verloren, leidet aber vor allem auch unter der Trennung von seinem Sohn. Auch Dave ist arbeitslos, zudem übergewichtig und im Ehebett will es auch nicht mehr so recht klappen. Beider ehemaliger Vorarbeiter Gerald indessen verläßt immer noch jeden Morgen die Wohnung, um den Tag irgendwo auf einer Parkbank zu verbringen. Daß sein Arbeitsplatz seit Monaten nicht mehr existiert, wagt er seiner Frau nicht zu gestehen. Die Zukunftsaussichten der drei sind so düster verhangen wie der Himmel über Sheffield. Dann aber gastieren die Chippendales im örtlichen Pub, die weibliche Bevölkerung steht Kopf und der Rubel rollt. Und plötzlich sehen auch Gaz und Dave den Weg aus ihrer Misere...
Flashdance haben sie gesehen und natürlich auch Singin`In The Rain. Aber irgendwie ist der Weg ins Rampenlicht realiter steiniger als das Zelluloid glauben macht. »Well, there isn´t no anti-fat-bastard pill now, is there?« stellt Dave lapidar fest. The Full Monty verheißt, was uns Chippendales & Co. schuldig blieben (und wer wäre dafür nicht dankbar): die wirklich und wahrhaftig letzte Hülle muß fallen.
Eine intime Angelegenheit, ein intimer Film. Peter Cattaneo allerdings verwechselt Intimität nicht mit Fleischbeschau. Ihn interessiert der Seelen-Striptease, dem sich seine Protagonisten aussetzen. Daß der Zuschauer hier nicht nur mitleiden, sondern vor allem auch mitlachen kann, liegt nicht zuletzt an der Prise des berühmt-berüchtigten schwarzen Brit-Humors, die auch Cattaneo gebührend einzusetzen weiß.
Peter Cattaneo´s Charaktere lassen alle Hüllen fallen, ohne sich dabei eine Blöße zu geben. The Full Monty ist ein Film über den Beginn wunderbarer Freundschaften zwischen liebenswerten Losern, die sich letztendlich doch als Gewinner entpuppen.
Komisch sind die Mißgeschicke anderer. Schadenfreude erfordert Distanz und ein Gefühl der Überlegenheit. Humor ist subtiler als Komik. Da nämlich wird die Distanz aufgehoben, die Überlegenheit untergraben. Was dem anderen geschieht könnte auch uns geschehen. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Deswegen ist das wirklich Humoristische auch immer irgendwie tragisch.
The Full Monty bestätigt wieder einmal eine an sich traurige Tatsache. Die Kunst der Filmkomödie beherrschen derzeit eigentlich nur die Britten: vergnüglich-intelligent anstatt verklemmt-intellektuell, leicht aber niemals seicht.