Brasilien 2022 · 80 min. · FSK: ab 6 Regie: Alê Abreu Drehbuch: Alê Abreu Musik: André Hosoi |
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Gefährliche Nähe, gemeinsames Ziel... | ||
(Foto: Film Verleih Gruppe / 24 Bilder) |
Mal die Hand aufs Herz gelegt: wer hat sich bei all den euphorisch-hohlen Kritiken nach Ich – Einfach unverbesserlich 4 und vor allem Alles steht Kopf 2 nicht doch im Stillen gefragt, ob das nicht eigentlich dämliche Rohrkrepierer waren, die einfach nur noch einmal erzählt haben, was sie schon längst im Vorgänger und das viel besser gesagt hatten? Wer sich das im Stillen gefragt haben sollte und vielleicht auch noch Gefallen an ungewöhnlichen Kinderanimationsperlen der letzten Zeit wie Robot Dreams oder den letzten Film aus dem Hause Ghibli, Der Junge und der Reiher gehabt haben sollte und der oder die sich vielleicht sogar noch an den ungewöhnlichen Erfolg des brasilianischen Filmemachers Alê Abreu erinnern sollte, der mit seinem so unkonventionell wie umwerfend animierten Film Der Junge und die Welt 2013 überraschend für die Oscars nominiert worden war, der sollte sich auch Abreus bereits 2022 fertiggestellten neuen Film ansehen, Das Geheimnis der Perlimps, der nun endlich in die Kinos kommt.
Das mit der Erwähnung der Kinos ist in diesem Fall durchaus von Belang, denn Alê Abreus Film ist wie sein Vorgänger vor allem ein visueller Film, der durch seine hauptsächlich analog animierten Sequenzen gerade auf der großen Leinwand völlig überwältigt. Denn wie hier die immer wieder transzendentale Geschichte von Claé und Bruô, zwei Geheimagent:innen aus verfeindeten Königreichen in einer von Riesen kontrollierten Welt, zeichnerisch erzählt wird, ist so bezaubernd wie der verzauberte Wald, in dem sie aufeinander treffen, streiten und im Laufe der Zeit merken, dass sie eigentlich auf einer gemeinsamen Mission unterwegs sind. Denn nur gemeinsam können sie die Perlimps finden, mythische, geheimnisvolle Wesen, die allein den Weg zum Frieden kennen sollen. Und nicht nur zum Frieden. Denn subkutan verhandeln Abreu und seine Drehbuchautorin Viviane Guimarães noch viel mehr, geht es wie in dem zumindest thematisch vergleichbaren Animationsfilm Latte Igel und der magische Wasserstein (2019) auch um Umweltschutz und eine neue Symbiose zwischen Mensch und Natur, der anhand dieses Coming-of-Age-Dramas explizit auserzählt wird. Denn im Grunde sind Claé und Bruô als Vertreter von Sonne und Mond zwei Antipoden, die sich allein über die Idee der Perlimps zu einer neuen Moral aufraffen, die am Ende also am gleichen Strang ziehen, um endlich unsere gegenwärtigen Gräben zu überwinden.
Denn das wird bei aller manchmal etwas zu schwurbelhaften und pychedelischen Fantasy-Architektur dieses Films dann doch immerhin klar. Dass es um uns und unsere Welt geht, denn sogar die Menschen sind irgendwann im Bild. Auch das allerdings wie eigentlich alles transformiert in eine Bildsprache, die auch dann atemberaubend weiterträgt, wenn es der Worte zwischen den beiden Helden zu viel wird. Denn die sind tatsächlich die größte Schwäche des Films, weil sich Abreu allein auf die Streitgespräche seiner Helden und ihres stets vagen Ziels verlässt. Hier hätte der Plot mehr Substanz und ein paar überraschende Elemente verdient, verliert er sich doch immer wieder in thetischen, metaphorisch zu stark aufgeladenen Situationen. Doch immer wieder rettet die Bildsprache den Film, der dann auch ein überraschender Wiedergänger von James Camerons Avatar: The Way of Water ist, in dem auf ganz andere Weise sehr ähnliche Themen verhandelt werden.
Doch anders als Avatar: The Way of Water gelingt Abreu am Ende eine wirkliche Überraschung, weil sein Film neben allem politischen und umweltaktivistischen Inhalt ganz plötzlich auch eine sozialkritische Komponente erhält, stehen sich doch plötzlich nicht mehr zwei Wesen aus anderen Welten gegenüber, sondern zwei Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Das ist so überraschend wie gelungen und tatsächlich ein Grund, diesen Film wenigstens in Gedanken noch ein zweites Mal zu sehen.