Genug gesagt

Enough Said

USA 2013 · 94 min. · FSK: ab 6
Regie: Nicole Holofcener
Drehbuch:
Kamera: Xavier Pérez Grobet
Darsteller: Julia Louis-Dreyfus, James Gandolfini, Catherine Keener, Toni Collette, Tavi Gevinson u.a.
Bürgerliche Gepflogenheiten

Die kleinlichen Dinge des Lebens

Die roman­ti­sche Komödie ist in Hollywood schon länger nicht mehr roman­tisch. Gerade Judd Apatow, der mit Beim ersten Mal oder Immer Ärger mit 40 rosige Träu­me­reien humorvoll mit der harten Realität aufein­ander prallen ließ, hat diese Entwick­lung mitge­tragen. Immer wieder waren es Geschichten von Ernüch­te­rung und Enttäu­schung im (Liebes-)Leben, die kompro­miss­be­reit bewältigt werden mussten; die Liebe zwischen zwei Figuren war entweder mit harter Vorarbeit verbunden oder konnte gerade noch vor dem Absterben bewahrt werden. Dabei entwarf Apatow mit genüss­li­cher Zers­tö­rungswut filmische Kata­stro­phen­sz­e­na­rien, die trotz ihrer Über­dreht­heit ganz nah am Alltag waren.

Ein Pendant zu diesen Krach­komö­dien ist der ruhig-lako­ni­sche Genug gesagt, der neue Film von Nicole Holof­cener. Darin geht es um die Masseuse Eva – geschieden, allein­er­zie­hend und ein bisschen unglück­lich. Als sie sich von Freunden auf eine Party mitschleppen lässt, lernt sie die erfolg­reiche Dichterin Marianne kennen, die erst Evas Kundin und später ihre Freundin wird. Am gleichen Abend trifft sie auch Albert, den sie zu daten beginnt. Albert ist Archivar eines Fern­seh­mu­seums und gleichz­eitig der Exmann von Marianne: Das puzzelt sich Eva allmäh­lich zusammen, da sich Marianne ständig über ihre frühere Ehe auskotzt. Um diese unan­ge­nehme Situation mit Albert oder Marianne zu bespre­chen, fehlt Eva der Mut. Außerdem ist es ja auch so schau­er­lich-spannend, die ganzen schlechten Seiten seines neuen Partners zu hören: Präventiv schluss­ma­chen ist ja noch möglich. Gespielt wird Eva von Julia Louis-Dreyfus, die vor allem als Elaine Benes in »Seinfeld« bekannt wurde, wo sie ihr komö­di­an­ti­sches Potential in all seinen Facetten und Grimassen ausspielen konnte. Unter Holof­ce­ners Regie muss sie aber ihre zahl­rei­chen Gesichter bändigen, ist mehr boden­s­tän­dige Mutter – wenn auch mit leicht exzen­tri­schen Anwand­lungen. So umschifft sie etwa ihre Verlus­tängste, die der bevor­ste­hende College-Besuch ihrer Tochter Ellen auslöst, indem sie ständig mit Ellens bester Freundin herum­hängt.

Albert, den Hüter der Fern­seh­ge­schichte, verkör­pert James Gandol­fini als genüg­samen und ironi­schen Zeit­ge­nossen, der die Dinge so nimmt, wie sie kommen. Gandol­fini, im Juni über­ra­schend verstorben, hat sich mit der Figur des depres­siven Gangs­ter­bosses Tony Soprano in »The Sopranos« selbst in die Fern­seh­ge­schichte einge­schrieben. Diesen abscheu­li­chen und doch faszi­nie­renden Sozio­pa­then spielte Gandol­fini mit Leib und Seele, erweckte ihn derart greifbar zum Leben, dass selbst der »Sopranos«-Schöpfer David Chase über die Beliebt­heit des Mafioso beim Publikum verwun­dert war – betrog, raubte und meuchelte sich Tony Soprano doch durch sechs­ein­halb Staffeln. Albert ist so ziemlich das Gegenteil von Tony Soprano: kein aufge­stauter Hass, keine Wut- oder Gewalt­aus­brüche, nur der spitz­bü­bi­sche Humor mag ähnlich sein. Die Spaghettis werden beim trauten Abend­essen entspannt genossen und nicht wie im Hause Soprano ins Maul gestopft, nachdem die Gabel alles kaputt­ge­sto­chen hat.

Der ganze Film dreht sich um klein­liche Dinge, denn Marianne konnte es unter anderem nicht ausstehen, wie Albert die Guacamole mit einem Tacochip auslöf­felte, ohne dabei die Zwiebeln zu essen. Folglich über­schatten diese Nich­tig­keiten dann auch das frische Bezie­hungs­leben, während Eva beharr­lich nach neuen Eigen­heiten Ausschau hält, um bloß nicht ihre Bindungs­ängste zu über­winden. Holof­cener sucht dafür entzau­bernde Momente, wie die uner­träg­liche Sexszene, die schon scheitert, bevor sie wirklich begonnen hat. Ange­sie­delt ist die Handlung in einer vorstäd­ti­schen Seifen­blase, in der die weiße Mittel­schicht mit anderen Ethnien nur über Bediens­te­ten­ver­hält­nisse in Kontakt kommt. Da wirkt es schon frag­würdig, wie die südame­ri­ka­ni­sche Haus­häl­tern von Evas Freunden charak­te­ri­siert wird: aufmüpfig, launisch und inkom­pe­tent. Ganz abgehoben und fremd erscheint Marianne, die nicht nur von ihrer Lyrik leben kann (wo gibt’s denn sowas?), sondern auch bloß barfüßige Gäste in ihr allzu schönes Haus lässt. Was für eine plakative Ironie, dass alle klein­ka­rierten Gehäs­sig­keiten gerade von einem Schön­geist ausgehen.

Selbst wenn Genug gesagt besonders Evas Zaudern und Alberts Gemüt­lich­keit in ihrer gegen­sei­tigen Dynamik sensibel schildert, schafft der Film nicht mehr, als mit seinen alltäg­li­chen Belang­lo­sig­keiten den Weg für jede sinnliche Erfahrung zu verstellen. Mitschuld daran ist die im Fernsehen veran­kerte Ästhetik, die kaum etwas mit Bildern erzählt und alle leisen Töne Holof­ce­ners zum Verstummen bringt. So bleibt einem zumindest, Gandol­fini beein­druckt dabei zuzusehen, wie er mit seiner körper­li­chen Grob­schläch­tig­keit solch eine Verlet­z­lich­keit darzu­stellen weiß, ohne dabei an Größe zu verlieren.