Niederlande 1996 · 103 min. · FSK: ab 16 Regie: Alex van Warmerdam Drehbuch: Alex van Warmerdam Kamera: Marc Felperlaan Darsteller: Henri Garcin, Rijk de Gooyer, Ricky Koole, Annet Malherbe u.a. |
Daß aus Holland mehr als nur Käse kommt, dafür haben Personen wie Paul Verhoeven, Dick Maas oder Rutger Hauer gesorgt. Neben solchen Exportschlagern hat das Flachland aber auch Absurditäten wie Alex van Warmerdam zu bieten. Mit seinen bisherigen beiden Filmen, Abel und De Noorderlingen, machte er sich vor allem in Cineastenkreisen einen Namen und gewann zahlreiche Preise auf verschiedenen Festivals. So bleibt er auch mit Das geheimnisvolle Kleid seiner Richtung treu und beschäftigt sich weiterhin mit einer schwer erschließbaren Kinolandschaft, die erst mit gut zwei Jahren Verspätung in die deutschen Kinos kommt.
An dem Entwurf für eine neue Sommerkollektion entzündet sich ein handgreiflicher Streit mit platzschaffenden Personalkonsequenzen. Das von einem ausländischen Mädchen inspirierte Design wird zu einem Kleid verarbeitet, dessen Weg von nun an verfolgt wird. Dabei begegnet man allerhand seltsamen bis schlichtweg perversen Gestalten, die versuchen, ein normales Leben zu führen. Irgendwie sind sämtliche Charaktere auf die eine oder andere Art Verlierer, deren Tragik eines gescheiterten Lebens schon ans Surreale grenzt.
Anstatt sich aber den Figuren zu widmen, bleibt Das geheimnisvolle Kleid auf sein Stück Konfektionsware fixiert. Vom Druck bis zum Schnitt steht dessen gesamter Lebensweg im Mittelpunkt, bis schließlich der letzte Fetzen von einem Rasenmäher zerschnipselt wird – und damit der Abspann anfängt. Sämtliche Personen sind offenbar nur zufällig, unwillkürlich beteiligt, sie erscheinen wie verschiedene Stationen im Leben des Kleides, verschwinden oder tauchen plötzlich unter anderen Umständen wieder auf. Durch den linearen Zeitverlauf enteckt man so bei einigen Leuten eine Veränderung, aber nie eine Verbesserung ihrer Lage.
Rein stilistisch und technisch gesehen gibt es nichts Interessantes zu entdecken. Als würde ihn Stimmung und Ästhetik anwidern, meidet van Warmerdam jegliche technische Spielereien, die durch optische Brillianz oder einen sphärischen Soundtrack Klasse verliehen hätten. Rücksichtslos reihen sich verwaschene Farben an häßlich grauen Himmel, unter denen sich dröge Locations erstrecken, die Kamera führt teilweise ein seltsames Eigenleben. Als Ergebnis weist diese Profanität das einfache, ungeschönte und oft dreckige Leben auf.
Offenbar hat das Kleid gewisse Auswirkungen auf das Verhalten der Personen in seinem Umfeld, denn manche absurde Situation, die oft vollkommen schrägen Humor besitzt, der mit Sicherheit nicht politisch korrekt ist, scheinen dadurch beeinflußt zu werden. Meistens sind es Themen wie Vergewaltigung und sexuelle Belästigung, von denen die Witze zehren. Allerdings ist es mehr als fraglich, ob man diesen sehr verhaltenen Humor teilt. Die ständigen Begegnungen von Frauen und Männern, die oft von sexuellen Agressionen begleitet werden, führen zu neuen inneren Problemen bei den Charakteren. Besonders der völlig abgedrehte Zugschaffner (van Warmerdam persönlich), der beim Anblick des Kleides vollends zum Lustmolch wird, obwohl er ständig behauptet ich bin normal, steht definitiv unter dem Einfluß des Kleides.
Im Gedächtnis bleibt vor allem, wie ein Künstler in seinem abgelegenen Haus erst eine Frau mit einem riesigen Schwein obszön belästigt und schließlich mit gezielten Gewehrschüssen von seinem Anwesen vertreibt, nur um eine Minute später absolut ruhig eine Postsendung entgegenzunehmen. Zudem läßt es sich der Regisseur nicht nehmen, einen der einflußreichsten und subversivesten Horrorklassiker zu zitieren – beim Zapping kann man eine Szene aus Night of the Living Dead erkennen. Einen Spannungsbogen sucht man in dieser obskuren Produktion leider vergeblich, durch die episodenartige Erzählstruktur entsteht zu wenig Bindung an tragende Identifikationsfiguren. Die leichte Überlänge kommt dadurch mit der Zeit mehr und mehr zum Tragen und raubt jegliches Tempo.
Im Zusammenhang mit der langwierigen Inszenierung und dem abseitigen Humor ist Das geheimnisvolle Kleid mit Sicherheit kein Film für den Mainstream-orientierten Geschmack, aber wer sich für Ungewöhnliches oder schwer Zugängliches erwärmen kann, sollte einen Blick riskieren.