H/D/F/I 2021 · 169 min. · FSK: ab 12 Regie: Ildikó Enyedi Drehbuch: Ildikó Enyedi Kamera: Marcell Rév Darsteller: Léa Seydoux, Gijs Naber, Louis Garrel, Jasmine Trinca, Luna Wedler u.a. |
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Frau blickt auf Mann | ||
(Foto: Alamode) |
Als Spaß beginnt es und rasend schnell wird daraus Ernst – und was für ein bitterer! Jakob Störr (Gijs Naber), ein raubeiniger, niederländischer Schiffskapitän, sitzt mit seinem Freund Kodor (Sergio Rubini) im Café und beschließt, kurzerhand die nächste Frau zu heiraten, die durch die Tür geht. Was den hartgesottenen Seemann dazu bringt, ist weniger die Einsamkeit, sondern mehr die Seemannskrankheit, gegen die eine Ehefrau die beste Medizin ist. Der Schiffskoch hat es gesagt, da wird das schon stimmen. Nachdem eine dicke Tante zum Glück doch noch an der Schwelle kehrtmacht, betritt die junge Lizzy (Léa Seydoux) das Etablissement. Jakob ist sofort hingerissen und setzt sich zu der schönen Fremden. Und siehe da, es beginnt wirklich zu knistern. Dass aus dem Freudenfeuer ein Flächenbrand wird, ahnt der Kapitän zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Wirklich realistisch beginnt Die Geschichte meiner Frau nicht gerade. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, im Kino herrschen schließlich andere Regeln und außerdem fesselt die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi das Publikum so schon von Anfang an. Nachdem Enyedi 2017 mit dem großartigen Körper und Seele – auch so eine ganz spezielle Liebesgeschichte – ein preisgekröntes Filmhighlight des letzten Jahrzehntes auf die Leinwand brachte, legt sie nun mit der Verfilmung von Milán Füsts gleichnamigem Roman nach. Dieses Projekt beginnt mehr als vielversprechend, zeigt es doch schon in der ersten Viertelstunde Bilder, die man einrahmen will. Allein der Moment, in dem Jakob sich Lizzys Tisch nähert, atmet die Stimmung eines impressionistischen Gemäldes. Und dann fragt man sich natürlich, worauf diese Begegnung nun hinauslaufen soll. Wirklich Liebe auf den ersten Blick oder schöner Schein, der unserem Seemann zu Kopfe steigt?
So kommt es in der ersten Nacht gleich zu einer ausgiebigen Partie Seemannspoker (die Landratte bezeichnet dieses Spiel als Strip-Poker), die mit einem nackten Kapitän endet. Trotz des spielerischen Rahmens sieht man hier schon die erste Demütigung Jakobs, der in seiner Niederlage vielleicht ein böses Omen hätte erkennen sollen. Trotzdem wird in Windeseile geheiratet. Dass sich Lizzy mit dem Schicksal einer Kapitänsbraut recht leicht abfindet, sollte stutzig machen, schließlich hängt sie die meiste Zeit allein in der Wohnung herum. Welche junge Frau will das schon? Andererseits hat sie aber auch einen großen Freundeskreis, ein bourgeoiser Haufen, in dem der bodenständige Kapitän natürlich keinen Heimathafen findet. Was will man auch mit Leuten anfangen, die einen ernsthaft fragen, warum Schiffe nicht untergehen? Ein besonders spitzer Dorn im Auge ist jedoch der schmierige Dandy Dedin (Louis Garrel), der seiner Schönen verdächtig viele Avancen macht.
Geschickt webt Enyedi das Netz der Eifersucht immer dichter zusammen. Mehr und mehr Indizien für eine Liebesintrige kommen zusammen, subtile Momente der Unsicherheit häufen sich. Warum der sonst so abgebrühte Jakob nicht mit der Faust auf den Tisch haut, will man wissen. Der Bezwinger des Ozeans scheint in dieser Femme fatale seine Achillesferse gefunden zu haben. Aber fast noch mehr als die Frage, was Lizzys wahre Absicht wohl sein mag, treibt einen die um, warum das Ganze einen doch nicht so richtig packt. Nach einem gelungenen Start flacht Die Geschichte meiner Frau zusehends ab. Als Zuschauer beobachtet man die Figuren nun eher, als dass man wirklich in sie eintaucht. Zwar beginnt der Film mit einem Off-Monolog Jakobs, doch das bleibt so weit die einzig wirkliche Innenschau. Ansonsten schippert der Gehörnte mal hierhin, mal dorthin, sichtlich mitgenommen von den eigenen Befürchtungen, doch ansonsten eher farblos. Auch Lizzys Person bleibt verschlossen und leider auch nicht so, dass man gerne den Schlüssel sucht. Der Durchhänger, der sich in weiten Teilen des Films bemerkbar macht, lässt sich wohl am ehesten darauf zurückführen, dass Ildikó Enyedi sehr getreu der Handlung der Vorlage folgt (inklusive der Unterteilung in sieben Abschnitte), als dem Innenleben der Figuren den gebührenden Platz einzuräumen. So will sich das Geschehen im zweiten Drittel einfach nicht richtig entwickeln. Angesichts der fast drei Stunden Spielzeit macht sich da eine gewisse Erschöpfung breit.
Aufwärts geht es, als Jakob zur Seenotrettung nach Hamburg wechselt – ausgerechnet auf einen Vorschlag von Dedin hin. Mit der Frau in der Hansestadt angekommen, scheint zuerst Stabilität in die wackelige Beziehung zu kommen. Aber in der gemeinsamen Wohnung stehen die Zeichen doch schnell wieder auf Sturm. Lizzy gibt sich nicht einmal mehr Mühe, Respekt vor ihrem Ehemann zu heucheln. Kommt dann doch mal ein einigermaßen harmonischer Moment auf, wird es eher bizarr, sie empfiehlt ihm sogar, sie zu betrügen. In einer Szene kommt sogar der Verdacht auf, dass sie den verzweifelten Jakob aus dem Weg schaffen will. Das alles wechselt in solch einer Geschwindigkeit, dass der Film es ab hier doch wieder schafft, sein Publikum zu fesseln.
Trotzdem bleibt Die Geschichte meiner Frau letzten Endes eine gemischte Angelegenheit. Enyedis Genialität ist nicht zu übersehen, doch eine filmische Erfahrung, wie es Körper und Seele war, bietet sie leider nicht. Dazu ist die Figur von Jakob viel zu sehr eine Metapher für gescheiterte Männlichkeit. An sich ein interessantes Motiv, vor allem, da der Film zwischen den beiden Weltkriegen angesiedelt ist, eine Zeit in der sich die alten Werte heftig im Straucheln befanden. Es ist allerdings schwer, damit knapp drei Stunden zu füllen. Für eine funktionierende Liebesstory – so dysfunktional die Beziehung dahinter auch ist – hätte es mehr Einfühlen ins Innere der Charaktere gebraucht.