Österreich/Deutschland 2022 · 79 min. · FSK: ab 0 Regie: Johannes Schmid Drehbuchvorlage: Christine Nöstlinger Drehbuch: Sarah Wassermair Kamera: Matthias Grunsky Darsteller: Jossi Jantschitsch, Nora Riedinger, Leo Wacha, Ursula Strauss, Simon Schwarz u.a. |
||
In der Schule der Influencer | ||
(Foto: Wild Bunch) |
»Der Franz ist, wie sein Name schon sagt, ein Junge und er ist sechs Jahre alt. Aber weil er blonde Ringellocken, einen Herzkirschenmund und rosarote Plusterbacken hat, wird er mindestens dreimal am Tag für ein kleines Mädchen gehalten. Das ist dem Franz sehr lästig.« – Christine Nöstlinger, Geschichten vom Franz
Man kann sich, wie auf artechock schon oft geschrieben, den Kopf über die Feigheit des deutschsprachigen Kinderfilms zerbrechen, es mit neuen, selbstgeschriebenen, also originären Stoffen zu versuchen. Das Projekt des Besonderen Kinderfilms ist die viel zu seltene große Ausnahme und Filme wie die Königin von Niendorf sowieso, denn große Namen versprechen einfach das große Geld, und bekommen dementsprechend auch große Fördersummen. Ein Teufelskreis.
Dass deshalb nun Christine Nöstlinger unter die Räder kommt, ist also nicht verwunderlich, überraschend ist es viel eher, dass Nöstlingers »Franz« erst jetzt dran ist, denn die Geschichten vom Franz, über den zu kleinen und mädchenhaften Außenseiter sind ja auch deshalb fast schon ideal als Verfilmung geeignet, weil es 19 Bände gibt, die zwischen 1984 und 2011 erschienen sind, genug Material also für ein Sequel und noch eins, für ganz viele Sequels.
Ein Grund, warum Nöstlinger, die mit über 140 Büchern zu den bekanntesten und einflussreichsten Kinderbuchautor:innen des deutschen Sprachraums gehört, bislang noch nicht in den Kanon des deutschen Kinderfilms aufgenommen worden ist, dürfte auch daran liegen, dass die politischen und gesellschaftskritischen Aspekte in ihrem Werk und ihr immer wieder auch revolutionär-didaktischer Impetus gegen den familiären Alltagsfaschismus etwas zu sperrig für die braven Legoland-Abenteuer des deutschen Kinderfilms waren. Und das wohl auch immer noch sind.
Denn was unter der Regie von Johannes Schmid und dem Drehbuch von Sarah Wassermair aus dem Franz geworden ist, ist die übliche Schonkost, die deutsche Kinder vorgesetzt bekommen. Doch immerhin, und das sehr schön, steht noch die Grundidee von Nöstlingers Buch im Vordergrund. Die Geschichte über den neunjährigen Franz Fröstl (Jossi Jantschitsch), der in Wien zur Schule geht und in seiner Klasse nicht nur der Kleinste ist, sondern wenn er sich aufregt, auch noch eine hohe Piepsstimme bekommt. Franz wird deshalb regelmäßig gehänselt, Unterstützung erhält er nur von seinen besten Freunden Gabi (Nora Reidinger) und Eberhard (Leo Wacha), seine Eltern gehen leer aus.
Die bei Nöstlinger subtil düster gezeichnete Einsamkeit ihres Helden wird bei Schmid allerdings in bonbonbunte Wiener Gegenwart gegossen. Zum Anfang und Ende haben wir zwar noch eine weibliche Erzählerstimme, aber die hört sich fast schon wie eine Quoten-Nöstlinger an, denn weder Nöstlingers harsche Kritik an Eltern-Kind-Hierarchien noch die desolaten Verhältnisse an der Schule werden hier in Ansätzen dementsprechend aufgebaut. Der böse Lehrer Zickzack wird zwar von Rainer Egger toll gespielt, ist aber wie der Vater von Franz (Simon Schwarz) als klamaukige Dödelfigur angelegt, so wie auch das eigentliche personelle »Upgrade« des Films, der Influencer Hank Haberer (Philipp Dornauer), der Tipps für richtige Männer gibt und dem Franz so sehr verfällt, dass sogar seine Kernfreundschaft zu Gabi und Eberhard in Gefahr gerät.
Wie so oft im deutschen Kinderfilm verhindert der Klamauk die an sich ja notwendige Beschäftigung mit den an sich ja relevanten Themen, die hier immerhin benannt werden und deren Kernbotschaften die Kinderschauspieler auch brav und immer wieder ein wenig zu bemüht aufsagen.
Das macht zwar immer wieder auch viel Spaß, auch weil Wien in deutschen Kinderfilmen ein nicht so oft besuchter Ort ist und es deshalb schon fast exotischen Charakter hat, wie hier geredet wird und wie dies und das ein wenig anders heißt. Doch der Spaß ist von kurzer Dauer, denn am Ende bleibt einfach nicht mehr als das, was fast jeder Kinder- und Jugendfilm in den letzten Jahren zu erzählen bemüht ist: halten Freunde nur stark genug zusammen, klappt es schon mit dem Leben, egal wie sehr du auch Außenseiter bist. Das reicht für den Durchschnitt, für einen besonderen Kinderfilm nicht.