USA 2017 · 101 min. · FSK: ab 12 Regie: Lucia Aniello Drehbuch: Lucia Aniello, Paul W. Downs Kamera: Sean Porter Darsteller: Scarlett Johansson, Kate McKinnon, Jillian Bell, Ilana Glazer, Zoë Kravitz u.a. |
||
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen dominanter Weiblichkeit |
Das sind gute Tage. Wenn sich Zufälle zufällig mal nicht wie Zufälle anfühlen, sondern wie eine sinnerfüllte Fügung des Schicksals und die Sinnlosigkeit allen Strebens endlich einmal außen vor steht. Erst Recht, wenn es sich um einen Filmstartdonnerstag handelt, an dem sich gewissermaßen zwei Filme die Hand geben, die fast exemplarisch zeigen, wie sich altbackene Gender-Hierarchien spielerisch leicht dekonstruieren lassen. Weil Komödien in Deutschland allerdings ein eher stiefmütterliches Schmuddelkinderdasein führen, dürfte es deshalb kaum auffallen, dass im Schatten von Sofia Coppolas Drama Die Verführten – eines Remakes, dass die Genderperspektive des Originals von Macho-Regisseur Don Siegel markant verschiebt – eine Komödie startet, die sich ebenfalls darum bemüht, die klassische Perspektive auf die Geschlechter neu zu definieren.
Obwohl in Bezug auf Lucia Aniellos Debüt Girls' Night Out weniger von »Definieren« gesprochen werden kann, als von einer lustvollen, schonungslosen Zertrümmerung. Ebenso schonungslos bedient sich Aniello dabei aus einem Genre, das »männlicher« nicht besetzt sein könnte: der Junggesellenabschiedskomödie, die vor allem mit zwei Klassikern der jüngsten Zeit ungeahnte Erfolge erzielen konnte – den grenzwertigen, bissigen, schwarzhumorigen Very Bad Things (1998) von Peter Berg und der unsäglichen Hangover-Trilogie (2009). Bedient sich Aniellos aus den Hangover-Filmen wie bei einem Supermarkteinkauf mit überdimensionierten Einkaufswagen aus den Regalen mit dekadenter Moral, übernimmt sie aus Bergs Film einen großen Teil des Plots. Mit dem einzigen Unterschied, dass das, was in Very Bad Things die Männer, bei Anniello vier Frauen sind, die sich zehn Jahre nach ihrer intensiven College-Zeit wiedersehen, um noch einmal die Sau raus zu lassen, bevor eine von ihnen, Jess (Scarlett Johansson) mit ihrem bzgl. feministischer Moral überassimilierten Weichei von Mann Peter (Paul W. Downs) die Ehe eingeht. Wie in Bergs Komödie geht auch in Rough Night (so der englische Originaltitel – warum sich der deutsche Verleih für eine englische Alternative statt eine der üblichen deutschen Verballhornungen entschieden hat, bleibt rätselhaft) so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Muss eine Leiche beseitigt werden, müssen Frauen über genüsslich vulgäre Dialoge und Slapstick-Sequenzen ihre Frau stehen und muss vor allem mit den romantischen Illusionen von lebenslangen College-Freundschaften aufgeräumt werden.
Es ist vor allem letztere Komponente, mit der sich Rough Night von ihren Vorlagen emanzipiert und zu etwas Eigenständigem wird. Denn im Grunde ist schnell klar, dass es nicht ausreicht, das »männliche« Modell dekadenter Vulgarismen einfach nachzuäffen, auch wenn es wichtig ist, zu zeigen, dass es halt auch andersherum geht. Dass auch Frauen geschmacklos, dreckig, diskriminierend, also so richtig »hinterfotzig« sein können und dürfen. Und Anniello leistet diesen Part bravourös, auch, weil sie mit einem Ensemble an hochkarätigen Komödiantinnen (Jillian Bell, Ilana Glazer, Zoë Kravitz und Kate McKinnon) arbeitet, die der ebenfalls überraschend doppelbödigen Scarlett Johansson locker Paroli bieten und Girls' Night Out zu einer erfrischend schmutzigen Suche nach neuen Ausdrucksformen dominanter Weiblichkeit und schonungslos ehrlicher, fast therapeutischer Beziehungsarbeit macht.