USA 2014 · 150 min. · FSK: ab 16 Regie: David Fincher Drehbuch: Gillian Flynn Kamera: Jeff Cronenweth Darsteller: Rosamund Pike, Ben Affleck, Missi Pyle, Carrie Coon, Neil Patrick Harris u.a. |
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Liebes-Sezierung |
Ausgerechnet an seinem fünften Hochzeitstag bemerkt Nick Dunne (Ben Affleck), dass seine Ehefrau Amy (Rosamund Pike) spurlos verschwunden ist. Er alarmiert die Polizei und muss sich, da die Ermittler die Angelegenheit durchaus ernst nehmen, einer längeren Befragung unterziehen. Schnell ist klar, dass ein Verbrechen stattgefunden hat. Die Medien werden hellhörig. Nick und Amys Eltern treten vor die Kameras, appellieren an mögliche Entführer. Suchaktionen kommen ins Rollen. Und bei alldem macht der Gatte einen eher unbeholfenen Eindruck. Wirkt bisweilen emotionslos. Mitunter aber auch seltsam gelöst. Was ihn in den Augen der Öffentlichkeit zunehmend verdächtig macht. Als in seinen Aussagen handfeste Widersprüche auftauchen, gerät Nick schließlich immer mehr in den Fokus der Ermittlungen.
David Finchers Romanadaption Gone Girl – Das perfekte Opfer geht von einer rundum klassischen Krimikonstellation aus, will, ebenso wie die Vorlage, aber spürbar mehr sein als ein gewöhnlicher Entführungsthriller nach üblichem Whodunit-Muster. Amys Verschwinden ist daher nicht nur Spannungsmotor, sondern dient auch dazu, den Zuschauer in eine Ehehölle mitzunehmen und ihn mit drängenden Fragen zu bestürmen: Wie gut kennt man seinen Partner wirklich? Wann wird eine Beziehung zum Gefängnis? Und wozu können verletzte Gefühle führen?
Während sich vor unseren Augen die Geschehnisse nach dem Verschwinden der jungen Frau entfalten, lassen uns Fincher und Drehbuchautorin Gillian Flynn, die ihren eigenen Roman adaptierte, über Amys Tagebucheintragungen auch in das frühere Beziehungsleben eintauchen. Wir sehen das erste Kennenlernen, noch ganz verspielt und romantisch, den Heiratsantrag, große Leidenschaft, berufliche Rückschläge, den unvermittelte Umzug von New York in Nicks trostlose Heimatstadt, Misstrauen und Sprachlosigkeit. Aus der Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart entsteht nach und nach ein ernüchterndes Bild, das Irritationen hervorruft und geschickt mit den Erwartungen des Publikums hantiert.
Trauen sollte man den Darstellungen – in beiden Richtungen – nur bedingt, da sie sich aus unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interessenlagen speisen. Immer wieder spielt der Film mit seiner erzählerischen Glaubwürdigkeit. Legt falsche Fährten aus und betont, dass vieles im Auge des Betrachters liegt. Der Grat zwischen Schein und Sein ist denkbar schmal. Das unterstreicht auch die offensichtliche Medienkritik, die sich wie ein roter Faden durch Gone Girl zieht. Ein abrupt geschossenes Selfie mit einem sensationssüchtigen Groupie wird aus Sicht exaltierter Meinungsmacher im Handumdrehen zum klaren Beweis für die Täterschaft des Ehemanns. Pseudo-moralische Fernsehsendungen führen auf dem Rücken der Vermissten einen Kreuzzug gegen Nick, der wiederum selbst zu einem späteren Zeitpunkt bei einem TV-Auftritt den reumütigen Gatten mimt, um die Menschen für sich einzunehmen. Der Angriff auf die mediale Lust an der Zerstörung, am Entfachen hysterischer Stimmungen ist beißend und gerät, sicherlich gewollt, satirisch überspitzt. Wie eine böse Karikatur erscheint etwa die selbsternannte Frauenrechtlerin Ellen Abbott (Missi Pyle), die den vermeintlich schuldigen Ehemann in ihrer Fernseh-Show regelrecht demontiert.
Verdecken können die narrativen Winkelzüge, das Ineinanderfließen von Damals und Heute, die Gegenüberstellung subjektiver Perspektiven und die medienkritischen Ansätze allerdings nicht, dass Film und Roman ab einem gewissen Punkt höchst reißerischen Fantasien frönen. Erzählbausteine aufgreifen, die ohne weiteres einem launigen Groschenroman entsprungen sein könnten. Mit einem großen Twist im Mittelteil fällt die umsichtig aufgebaute Spannung plötzlich ab, da eine merkwürdige Komik Einzug in die Handlung hält, was gewiss nicht immer beabsichtigt ist. Auch wenn die filmischen Bilder, wie immer bei David Fincher, elegant und präzise ausfallen, scheinen die einmal bemühten Soap-Elemente fortwährend auf. Am offensichtlichsten wohl in den Momenten, in denen Amys Ex-Freund Desi Collings in Erscheinung tritt. Besetzt ist die Rolle des zwielichtigen Einzelgängers mit Neil Patrick Harris, der durch die Sitcom »How I Met Your Mother« weltweite Bekanntheit erlangte. Eine eher ungewöhnliche Darstellerwahl, die leider viele unfreiwillige Lacher provoziert, weil Collings nicht so sehr bedrohlich, sondern eher albern wirkt.
Angesichts der seltsam schwankenden Tonalität (es gibt sogar eine waschechte, eindringlich komponierte Splatter-Szene) hat es irgendwann fast den Anschein, als nehme der Regisseur seine Geschichte selbst nicht mehr richtig ernst. Als hätte er auf einmal erkannt, dass die Romanverfilmung trotz schmucker Oberfläche, überzeugend agierender Hauptdarsteller und komplexer Handlungsstruktur am Ende nur bleiben kann, was sie ist: ein reizvoller (freilich unkonventionell aufbereiteter) Pulp-Stoff, der unser Interesse an Sex and Crime befriedigt. Problematisch ist das nicht, aber man sollte es schon einmal erwähnen, wo sich zahlreiche Kritiker mit Lobeshymnen überbieten und Gone Girl leichthin den Stempel »Meisterwerk« verpassen. Schraubt eure Ekstase ein wenig herunter, kann man da wohl nur erwidern!