F/Marokko/Palästina 2001 · 92 min. Regie: Elia Suleiman Drehbuch: Elia Suleiman Kamera: Marc-André Batigne Darsteller: Elia Suleiman, Emma Boltanski, Amer Daher u.a. |
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Elia Suleiman |
»Eine Chronik von Liebe und Schmerz« nennt Elia Sueiman seinen Film Göttliche Intervention im Untertitel. Zunächst versteht man nicht, was er damit meint. Denn sein Film beginnt als skurrile, lakonische Komödie, mit Szenen, die an Jacques Tati, Takeshi Kitano und den Georgier Ottar Iosseliani erinnern: Kaum ein Wort wird gesprochen, die langen, statischen Einstellungen zeigen wenig Geschehen, nur ganz kleine, nuancierte Verschiebungen. Es ist eine Komik der Wiederholung des Immergleichen – bis ins Absurde: Zwei Alte sitzen auf einer Bank und glotzen auf die Straße, ein Mann wirft seinen vollen Müllbeutel in den Garten des Nachbarn, ein anderer fährt mit seinem Auto die Dorfstraße hinab, grüßt jeden, der vorüberkommt – aber hinter dem freundlichen Lächeln beschimpft er alle: »Du Trottel, du Hurensohn...«. Ganz beiläufig schleicht sich in den alltäglichen Wahnsinn der Nachbarschaft Gewalt ein. Drei Männer dreschen auf eine Schlange ein, einer zieht die Pistole und schießt. Ein Mann im roten Weihnachtsmann-Kostüm rennt über eine Landschaft bei Jerusalem; er flieht vor palästinensischen Jungen – und man weiß nicht, ob das harmloser Spaß ist oder tödlicher Ernst. Ein Autofahrer spuckt einen Pflaumenkern auf einen Panzer – und der explodiert! Eine wunderschöne Frau geht einfach durch einen Grenzübergang, ignoriert die Aufforderungen der Wachen – und als sie die Sonnenbrille abnimmt, stürzt der Wachturm ein. Hier spätestens ist klar, dass man Tagträumen zusieht. Denn man befindet sich in der bleiernen Ödnis der israelisch-palästinensischen Grenze.
Genauer kennen lernt man ein Paar. Er lebt in Israel, sie in den besetzten Gebieten. Sie sehen sich nur bei wenigen kurzen Begegnungen im Niemandsland zwischen zwei israelischen Checkpoints. Eine depressive Situation, aus der auch sie sich nur in Form von Träumen flüchten können.
Gerade im Kontrast zwischen dem Stillstand der Wirklichkeit und der Pracht der Tagträume, in denen sogar einmal eine Ninja-Kämpferin mit einem Gewalt-Ballett im Hongkong-Stil eine Gruppe Israelis
besiegt. Sonst passiert nicht viel in Göttliche Intervention. Trotz des Titels ist hier keine echte Hoffnung, dafür ist Suleiman zu sehr aufgeklärter Skeptiker. Vieles ist nur ironisch zu verstehen, wobei der Humor sicher nicht jedermanns Sache ist: Dies weniger, weil er sich manchmal von anti-israelischer Propaganda nicht unterscheidet, sondern weil er die Gewalt der Verhältnisse mit Phantasien der Gewalt beantwortet. Da versteht man, wenn die Mutter der
Hauptfigur den Film am Ende einfach abbricht: »Genug! Hör jetzt auf!«