Deutschland 2003 · 82 min. Regie: Jörg Siepmann Drehbuch: Jörg Siepmann Musik: Die goldenen Zitronen Kamera: Hajo Schomerus |
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Ted Gaier in Szene gesezt |
»Do you belive in Rock n' Roll?« fragt Schorsch Kamerun ins Mikrophon. »Yeah!« gröhlt das Publikum. »Well, we don’t«, kontert Kamerun hinterlistig. Dann legen sie los: Antikapitalisten im Land der Ausbeutung. Die Hamburger Band Die Goldenen Zitronen ist auf Tournee quer durch die USA. Deutscher Punk als Anheizer für den schizophrenen Ausnahmekünstler Wesley Willis – wenn datt man klappt. Ein Damenschuh trifft den Sänger am Knie – eine Szene, die fatal an die Bluesbrothers im Westernsaloon erinnern. »Das sind Situationen, in denen du dich fragst, wie du das deinen Eltern erklären sollst«, sagt Bassist Ted Gaier und bringt damit die Stimmung auf den Punkt.
Jörg Siepmann hat eine Dokumentation zwischen Freak-Show, Roadmovie und Westernepos gedreht. Ein hinreißender Film: witzig, nachdenklich und toll fotografiert. Doch die Geschichte hat einen Schönheitsfehler, und zwar einen derben. Die Zitronen nämlich sind sauer. Bei der Premiere in Berlin stürmten sie auf die Bühne und warfen dem Regisseur üble Verdrehung der Tatsachen vor. So sei es überhaupt nicht gewesen. Konzerte in großen Hallen habe Siepmann unterschlagen und statt dessen Locations wie Harrys Pizzabar in Szene gerückt. Intensiver Austausch mit dem Publikum sei ignoriert worden, um unüberbrückbare Fremdheit zu suggerieren. Und schlimmster aller Vorwürfe: Siepmann habe sich nicht für seine Protagonisten interessiert, sondern nur für sein vorgefasstes ästhetisches und dramaturgisches Konzept.
Ein Fall von faschistischem Ästhetizismus also? Künstlerischer Freiheit? Oder einfach individuelle Wahrnehmungsdivergenzen?
Sicherlich muss man Siepmann zugute halten, dass die Goldenen Zitronen ein kritisches, rebellisches und somit sperriges Studienobjekt sind. Doch damit muss ein Filmemacher rechnen, der sich auf Dreharbeiten mit einer Punkband einlässt. Ob die Vorwürfe aber nun berechtigt sind oder auch nicht: Dass bei den Zitronen ein Eindruck von Desinteresse seitens der Filmcrew entstehen konnte, ist schlimm genug. Wer immer echte Menschen vor die Kamera holt, muss mit dem geschenkten Vertrauen und der Offenheit sorgsam umgehen und dies auch vermitteln können. Dass ihm dies nicht gelungen ist, ist ein Vorwurf, den Siepmann sich gefallen lassen muss. Und der die Freude an dem Film nachträglich gehörig trübt.