Good Night, and Good Luck

USA 2005 · 93 min. · FSK: ab 6
Regie: George Clooney
Drehbuch: ,
Kamera: Robert Elswit
Darsteller: David Strathairn, Robert Downey Jr., Patricia Clarkson, Ray Wise u.a.
»Erotisch durchzogen von wunderschönem Rauch«

Tele-Torpedos

Sie haben grade ihre schärfste Waffe abge­feuert – eine Sendung, die einer jour­na­lis­ti­schen Kriegs­er­klä­rung an Senator Joseph McCarthy gleich­kommt. Und... Nichts. Keine Reaktion, die Leitungen scheinen zu schweigen. Alle sind verdutzt. Bis ein Redak­ti­ons­mit­ar­beiter fragt, ob er denn die Telefone wieder anschalten soll. Und ein riesiges Geklingel losbricht.

Spätes­tens in dieser Szene wird klar, zu welchem Genre Good Night, and Good Luck insgeheim eigent­lich gehört. Denn es ist ein Film der vielen Gesichter. Am offen­sicht­lichsten ist er freilich ein Medien-Polit-Drama: Er reka­pi­tu­liert den histo­ri­schen Fall des in den USA legen­dären TV-Jour­na­listen Edward Murrow (David Strat­hairn), der Anfang der 1950er in seiner CBS-Sendung »See it Now« die Terror-Taktiken des obersten Kommu­nis­ten­jä­gers angriff. (Der Titel des Films ist Murrows Marken-Abschieds­formel – ähnlich Ulrich Wickerts »...und eine geRUHsame Nacht« –, die er sich als Radio­re­porter angewöhnt hatte, als er während des Zweiten Welt­kriegs aus dem bombar­dierten London berich­tete.)
Aber der Film ist auch ein klas­si­scher Western: Aufrechte Männer tun aufrechte Dinge, werden von ihrem Gewissen zum entschei­denden Duell getrieben. Und er ist ein »film noir«: In glor­rei­chem Schwarz-weiß erstrah­lend und erotisch durch­zogen vom wunder­schönen Rauch, Qualm, Dunst hunderter Ziga­retten.
Im tiefsten Grunde seines Herzens aber – und damit wären wir wieder bei der anfangs beschrie­benen Szene – ist Good Night, and Good Luck ein U-Boot-Film: Er bewegt sich kaum je aus den Redak­ti­ons­räumen und Sende­stu­dios des Fern­seh­sen­ders heraus, und das macht ihn zu einem Film über eine einge­schwo­rene, wackere Crew, die gleichsam einge­schlossen durch die feind­li­chen Gewässer der Ära treibt, unter enormem Druck, und nur in indi­rektem Kontakt mit der Außenwelt. Denn U-Boot-Filme sind immer auch ein Stückchen Epis­te­mo­logie: Wie kann man wissen, was um einen geschieht, wo man sich befindet, wo der Feind ist?
Genauso ist es in Good Night, and Good Luck: Der ganze Kampf ist mediiert. Die Posi­ti­ons­be­stim­mung findet nicht durch Radar, aber über das Medien­echo und die Zuschau­er­re­so­nanz statt. Worte und Bilder ersetzen die Geschosse – Murrows Mode­ra­tionen und Film­bei­träge sind wie Torpedos drauf aus, dem Feind ein fatales Leck zu schlagen. Sich selbst versucht Murrows Crew hingegen in eine unan­greif­bare Stellung zu manövrieren. Und immer wieder muss Kapitän Murrow seinen Schlachtzug gegen seine eigenen Vorge­setzten vertei­digen – die fürchten, dass aus dem Schar­mützel ein Krieg werden könnte.

Diese Medi­iert­heit der Ausein­an­der­set­zung findet sich in dem Film auch noch auf anderer Ebene wieder: McCarthy wird in dem Film von keinem Schau­spieler verkör­pert sondern ist ausschließ­lich in Archiv­auf­nahmen präsent. Eine weise Entschei­dung – kein Darsteller hätte seine Aura von Paranoia und Aggres­si­vität so über­zeu­gend rüber­bringen können. (Murrows Kampf war einer der ersten wichtigen Kämpfe der Bilder in der US-Polit­ge­schichte, und McCarthy selbst war darin Murrows bester Verbün­deter: Sein, gelinde gesagt, unsym­pa­thi­sches Medien-Auftreten hat zu seinem Fall mindes­tens so viel beige­tragen wie sein, gelinde gesagt, zwei­fel­haftes poli­ti­sches Verhalten.)
Eine weise Entschei­dung aber auch, weil es den Film noch mehr selbst zu einer Ausein­an­der­set­zung der Bilder und Medien macht. Weil es ihm ein gutes Stück weit die Aura bloß nach­ge­spielter, drama­ti­sierter Geschichte nimmt und ihm zu einer produk­tiven Spannung zwischen Insze­niertem und Doku­men­tiertem, zwischen (ameri­ka­ni­scher) Gegenwart und (ameri­ka­ni­scher) Vergan­gen­heit verhilft.

Denn selbst­ver­s­tänd­lich wurde Good Night, and Good Luck nicht aus rein histo­ri­schem Interesse gedreht. Es geht ihm um die Paral­lelen zu den heutigen USA – um Bushs Instru­men­ta­li­sie­rung der Terror­angst, um die Selbst­gleich­schal­tung der Nach­richten-Medien, um den Einfluss der (Werbe-)Wirt­schaft.
Das ist alles sehr offen­sicht­lich, ohne dass man darauf rumreiten muss – und eine der größten Qualitäten des Films ist, dass er das selbst bemerkt hat. Was sich mit dem Debut Confes­sions of a Dangerous Mind mehr als ange­kün­digt hatte, bestätigt seine zweite Arbeit aufs Treff­lichste: George Clooney gehört auch als Regisseur zum Besten, was Hollywood heute zu bieten hat. Good Night, and Good Luck hat alles, was bei diesem Thema keines­wegs selbst­ver­s­tänd­lich ist: Er besitzt eine ungemeine Eleganz und Ökonomie, er wird nie groß didak­tisch oder pathe­tisch. Auch wenn es noch viel zu früh wäre, Clooney gleich zu ihnen in die Ahnen­ga­lerie zu stellen, merkt man doch, dass seine Vorbilder nicht beim heutigen Oscar-Kino zu suchen sind, sondern unter den großen, toughen, smarten Männern des klas­si­schen Holly­woods: Ein Billy Wilder, John Huston oder Robert Wise wäre so einen Stoff viel­leicht ähnlich ange­gangen.

Good Night, and Good Luck ist deshalb auch ein im besten Sinne altmo­di­scher Film über Helden. Und manchmal könnte einem Edward Murrow, wie er hier gezeichnet wird, viel­leicht sogar ein bisschen ZU aufrecht und helden­haft erscheinen. Gäbe es da nicht auch die Figur des Don Hollen­beck. Ein Mitar­beiter Murrows, der einer Schmier­kam­pagne in der Hearst-Presse ausge­setzt ist, als Kommunist gebrand­markt wird. Ihn zu schützen, das hieße für Murrow, eine zweite Front zu eröffnen, und das ist ihm zuviel des Risikos. Hollen­beck ist sein Bauern­opfer im Kampf für die gerechte Sache, und dank Ray Wise (unver­gessen als Laura Palmers Vater Leland in »Twin Peaks«), der ihn grandios tragisch und mitleid­er­re­gend spielt, sucht der finstere Schatten dieser Entschei­dung auch die hellsten Stellen des Films noch heim.
Clooney beharkt auch diesen Punkt nicht übermäßig. Er traut seinem Publikum erstaun­lich viel Intel­li­genz zu, belästigt es (auch beim histo­ri­schen Hinter­grund) nicht damit, ihm alles vorzu­kauen und mit dem Löffel zu füttern. So spart er sich die viel­leicht bitterste Pointe von Good Night, and Good Luck innerhalb des Films auch ganz auf, überlässt es den Zuschauern, sie selbst zu entdecken: Wie schon erwähnt ist der Film durch­zogen von unglaub­li­chen Schwaden von Ziga­ret­ten­rauch. Das ist, gewiss, einer­seits ein visuell-deko­ra­tives und ein Genre-Element. Und es ist histo­risch durchaus akkurat. Aber die Sache hat noch einen Twist mehr: Sponsor von Morrows Sendung ist die Ziga­ret­ten­marke Kent, von der er selbst stets während seiner Mode­ra­tion eine Ange­zün­dete in der Hand hat. Der Film zeigt sogar einen origi­nalen Werbespot – in dem erklärt wird, dass Kent die Marke sei für Leute, die zu intel­li­gent seien, um auf gewöhn­liche Werbung rein­zu­fallen.
Edward Murrow starb 1965 mit 57 Jahren an Lungen­krebs.