Schweiz 2017 · 96 min. · FSK: ab 6 Regie: Petra Volpe Drehbuch: Petra Volpe Kamera: Judith Kaufmann Darsteller: Marie Leuenberger, Max Simonischek, Rachel Braunschweig, Sibylle Brunner, Marta Zoffoli u.a. |
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Hervorragend gespielt, akkurat recherchiert |
Manchmal muss man zurückblicken, um zu erkennen, dass all das Streben und Kämpfen doch nicht ganz vergeblich war, dass es – wenn auch langsam – am Ende doch so etwas wie eine Entwicklung zum »Besseren« gibt, dass man dann und wann sogar darüber lachen darf, über das, was war. Auch wenn das, was ist, immer noch nicht ausreicht. Und einem das Lachen gleich wieder vergeht. Etwa beim Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau und dem Heute Journal vom 12.7.2017, bei dem Maria Furtwängler ihre Studie über die Präsenz von Frauen in deutschen TV- und Kinofilmen vorstellen durfte und klar machte, dass es dort sehr anders als bei Bibi & Tina aussieht, im Gegenteil. Worauf Kleber nicht anders konnte, als sich über Furtwängler zu amüsieren und mit ein wenig Gender-Bashing zu kontern: »Wollen Sie Benjamin Blümchen jetzt ‚gendermainstreamen?«
Also tief einatmen und ins Kino gehen, um sich zu versichern, dass es nun mal ein weiter Weg war und ein weiter Weg ist und die Hoffnung bitte zuletzt stirbt. Gerade beim Thema Frau und Mann und Gleichberechtigung. Dass es Frühgeborene und Spätgeborene gibt und dass einige Gesellschaften früher reifen als andere, nicht anders als die Menschen selbst. Wie schwer der Weg allein schon bei einer – aus heutiger Perspektive – Selbstverständlichkeit wie dem Wahlrecht für Frauen war, selbst in einer der Wiegen westlicher Demokratien wie England, zeigte vor zwei Jahren Sarah Gavrons Suffragette. Gavron beschrieb in ihrem Film jedoch nicht nur den beschwerlichen Kampf gegen die Dominanz und Ignoranz männlicher Herrschaft, sondern arbeitete erschütternd klar heraus, dass es bis zur Erlangung des Wahlrechts für Frauen in England im Jahr 1918 nicht nur die Männer waren, die »umgestimmt« werden mussten, sondern vor allem auch die Frauen selbst, denn Widerstand muss gelernt sein.
Nicht anders geht auch Petra Volpe das Thema in ihrem Film Die göttliche Ordnung an. Volpe, die zuletzt für das hervorragende Drehbuch von Alain Gsponers Heidi-Verfilmung verantwortlich war, stellt ähnlich wie Gavron, eine Lebenslinie und ihr gesellschaftliches Umfeld in den Mittelpunkt ihres Films. Das Kuriose und gleichzeitig Erschütternde an Volpes Film ist jedoch, dass wir uns in der appenzeller Schweiz befinden, in der es genauso schwer wie im Vorkriegsengland war Widerstandsmoral zu entwickeln, wo es auch immer wieder Frauen sind, die den Frauen das größte Hindernis im Kampf für das Frauenwahlrecht sind. Nur befinden wir uns zeitlich nicht vor dem Ersten Weltkrieg, sondern Anfang der 1970er Jahre, wo es letztendlich die aus Amerika herüberschwappende Welle der Hippi-Moral ist, die in der Schweiz das anstößt, was Jahrzehnte zuvor bereits in England seinen Anfang nahm. Hier kämpft Nora (Maria Leuenberger), Hausfrau und Mutter von zwei Kindern zuerst gegen ihr langsam erwachendes Selbstbewusstsein als emanzipierte Frau und dann gegen ihr starres, konservatives Umfeld – Kinder, Ehemann und Dorfgemeinschaft eingeschlossen.
Volpe zeichnet dabei mit ihrem hervorragenden Ensemble ein akkurat recherchiertes Bild einer Zeit, die zerrissener nicht sein könnte und nicht anders als unsere westlichen Gegenwartsgesellschaften auch darunter leidet, dass ein lebenslanger Verzicht innerster Bedürfnisse zu einer renitenten, kaum zu überwindenden Antimoral führt, die sich wohlweislich unter dem Deckmantel der herrschenden Moral verbirgt. Volpe lässt sich glücklicherweise viel Zeit, um nicht nur den Bruch zwischen den Geschlechtern, sondern auch den innerhalb von Familien aufzuzeigen. Dadurch wirkt die Entwicklung ihres Personals niemals aufgesetzt, wird selbst das Handeln der konservativen Hardliner »verständlich«. Und da Volpe den zunehmend erbittert geführten Kampf immer wieder mit einem zärtlichem Humor und einem überraschend poetischen Blick auf die Natur Appenzells garniert, kommt auch die notwendige Leichtigkeit zu ihrem Recht, ohne die dieser Kampf bis in die Gegenwart eines Heute Journals wohl kaum zu ertragen wäre.