Gripsholm

Deutschland 2000 · 103 min. · FSK: ab 12
Regie: Xavier Koller
Drehbuch:
Kamera: Pio Corradi
Darsteller: Ulrich Noethen, Heike Makatsch, Jasmin Tabatabai u.a.

Verfilmtes Hasch-Mich-Spiel

Aus einer kleinen Sommer­no­velle wurde der deutsche Befind­lich­keits-Film Gripsholm

Tucholsky war ja selber schuld. Mit »Schloss Gripsholm« hat er eine fiktive Geschichte geschrieben, die stark an seinem eigenen Leben und Lebens­stil angelehnt war. Sowas führt zu Speku­la­tionen und im dras­tischsten Falle kann die kleine Sommer­no­velle verknüpft werden mit weiteren Gedan­ken­spiel­chen bezüglich des Schrift­stel­lers Biogra­phie. Der Film Gripsholm von Xavier Koller ist die dich­te­ri­sche, gar nicht histo­risch unter­mau­erte Erwei­te­rung des Romans und somit ein weiterer Schritt zur Vils­maye­ri­sie­rung des deutschen Filmes.

Roman wie Film haben eine Reise, sowie eine nicht weiter ernst gemeinte, aber sehr vergnüg­liche Liebes­af­färe zum Inhalt, die geprägt ist vom flapsigen Umgangston: »Sag, dass du mich liebst!«, »Du weißt doch, ich kann nicht lügen.« Erheb­liche Unter­bre­chungen erfährt der Pärchen-Urlaub einer­seits durch einen flotten Dreier mit einer vorbei­schnei­enden Freundin und andrer­seits durch die Errettung eines kleinen Mädchens aus einem schau­er­li­chen Feri­en­la­gers in der Nach­bar­schaft.

Während »Schloss Gripsholm« im Jahre ‘29 spielt und die drohende Zukunft noch ausklam­mert (oder gar nicht ahnt), ist Gripsholm 1932 ange­sie­delt und bringt Tuchol­skys Haltung zu Deutsch­land ins Spiel. Regisseur und Co-Autor Koller haut da sauber auf die Pauke, schwelgt im angeblich so mondänen Berlin der Zwanziger (»der verrück­testen Stadt der Welt«) und wartet sogleich mit einem anschau­li­chen Schock auf: Ein jüdisches Bettel­mäd­chen wird aus einem Tanzlokal geworfen. Einmal mehr hält der Nazi-Terror als Knall­ef­fekt her. Doch die anschließende Schweden-Reise des Pärchens Kurt und Lydia orien­tiert sich nah an Tucholsky, fast will Leich­tig­keit aufkommen, auch wenn Gripsholm manchmal wie ein verfilmtes Hasch-Mich-Spiel aussieht. Da wird ausgiebig gerudert. Und ins Wasser geschubst. Und Fische gefangen. Und Cham­pa­gner getrunken. Aber Ulrich Noethen gibt glaub­würdig, den warm­her­zigen Sarkasten und Heike Makatsch macht sich sehr gut als »Gib mal 'n Kuss auf«-Lydia. So gut, dass man ihr wünscht, dass sie all die schönen Klamotten mit nach Hause nehmen durfte.

Das Ärger­liche nimmt aber bald überhand. Koller hat nicht darauf verzichten wollen, die vier­schrö­tigen Stil­mittel seines tumben Kollegen Joseph Vilsmayer (Marlene, Stalin­grad, Comedian Harmo­nists) zu kopieren. Sobald der Dialog nicht von Tucholsky stammt, sackt Gripsholm ins Hohle ab (»Da sehen die Braunen rot.«). Verhee­rend ist vor allem die Dreingabe von Kurts altem Kumpel Karlchen, der mit den Nazi sympa­thi­siert und vom Film-Tucholsky nur matte Wider­worte erfährt. Falscher als mit dem lang­wei­ligen, offen­sicht­lich talent­freien Marcus Thomas konnte man die Rolle übrigens nicht besetzen. Die Befreiung des drang­sa­lierten Mädchens schließ­lich geriet Koller nicht nur span­nungsarm, sondern ziemlich tölpel­haft. Wie das Schreiben und Besetzen ist Action wohl nicht seine Stärke. Da helfen auch die sehr zahl­rei­chen Anspie­lungen auf die im späteren Deutsch­land sehr notwen­digen Fluchten nicht weiter. Die Insze­nie­rung reitet so lange auf dieser Mini­ma­l­idee herum, bis man auch die Kuller­augen von Frau Makatsch nicht mehr sehen kann.

Und wieder und wieder läßt Koller den Film-Tucholsky recht zerrissen wirken und von seiner Liebe zum Vaterland faseln. In diesen Momenten ist Gripsholm ein Befind­lich­keits-Film für jene Deutschen, die beim Thema Nazizeit oder Skinhead-Morde nur Angst um den Wert ihres Wirt­schafts­stand­orts haben. Xavier Koller klopft den Seinen auf die Schulter und sagt »Seht her es gibt sie, die guten Deutschen« und mißbraucht dazu ausge­rechnet jenen Tucholsky, der ihm für diesen Film sicher­lich was husten würde.