Der Grüne Prinz

The Green Prince

D/USA/GB/IL 2014 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Nadav Schirman
Drehbuch:
Kamera: Giora Bejach, Raz Degan, Hans Fromm, Hans Funck
Schnitt: Joelle Alexis, Sanjeev Hathiramani
Aufgebauschte Spannung, sympathsiche Hauptdarsteller

Inside Hamas

Der Nahost­kon­flikt. Die Ermordung Rabins im Jahre 1995. Der Frie­dens­prozess gerät ins Stocken. Der israe­li­sche Inlands­ge­heim­dienst Schin Bet verstärkt seine Akti­vitäten. In Palästina gewinnt die Hamas an Einfluss. Schin Bet konz­en­triert sich auf die Rekru­tie­rung von paläs­ti­nen­si­schen Infor­manten, die Kontakte zum militä­ri­schen Arm der Hamas haben. Der israe­li­sche Agent Gonen Ben Itzhak wird der Kontakt­mann eines poten­zi­ellen Top-Infor­manten. Codename: »The Green Prince«. Gonen: »Er galt als hoch, hoch­ge­fähr­lich. Der Anfang unserer Zusam­men­ar­beit markert den Beginn meines Endes bei Schin Bet.«

Thril­ler­musik. Ein kahler Raum. Der Schat­ten­riss eines Kopfes im Gegen­licht. Aufblende. Ein junger Mann mit großen, klaren Augen. Es ist Mossab Hassan Yousef, »the Green Prince«. Mossab erzählt: Sein Vater Scheich Hassan Yousef gehört zu den sieben Grün­dungs­mit­glie­dern der Hamas und widmete sein gesamtes Leben der Hamas und dem Islam. Er war für Mossab ein großes mensch­li­ches Vorbild und zugleich wie ein lebender Gott. Mossab kümmerte sich während der Abwe­sen­heit des Vaters gemeinsam mit seiner Mutter um seine sechs jüngeren Geschwister. Verschmitzt erklärt er: »Ich habe damals viele Windeln gewaschen. Zwei meiner Brüder nannten mich Papa.«

Spätes­tens an dieser Stelle von Nadav Schirmans Doku­men­tar­film The Green Prince setzt – nach nur fünf minütiger Laufzeit – beim Zuschauer ein großes Stirn­runzeln ein. Zuerst schürt die hoch drama­ti­sche Insz­e­nie­rung die Erwartung, gleich einen besonders kalt­blü­tigen Killer präsen­tiert zu bekommen. »The Green Prince« – Mossab Hassan Yousef ist zwar durchaus charis­ma­tisch. Aber mit seiner ausge­prägten Freund­lich­keit und Gutmü­tig­keit wirkt er eher wie ein großer Junge als wie ein abge­brühter Hund. Ähnliches gilt für den israe­li­schen Agenten Gonen Ben Itzhak. Gonen nimmt zwar kein Blatt vor den Mund, wenn er die hoch mani­pu­la­tiven Methoden beschreibt, mit denen er bei Schin Bet Infor­manten rekru­tierte. Doch auch Gonen ist ebenso charis­ma­tisch wie sympa­thisch.

Im Herz der auf Mossabs Buch Sohn der Hamas: Mein Leben als Terrorist basie­renden Doku­men­ta­tion steht die unge­wöhn­liche mensch­liche Beziehung, die sich im Laufe von zehn Jahren zwischen Mossab und Gonen entwi­ckelt. Die ist so besonders und so hoch­span­nend wie die Umstände, unter denen sie sich kennen­lernen und ihre Beziehung entwi­ckeln. Gonen ist eigent­lich ein sehr rational agie­render Agent, der Mossab ausnützt und wie eine Figur in einem Schach­spiel einsetzt. Mossab wiederum hatte ursprüng­lich den Plan einer Zusam­men­ar­beit nur vorzu­täu­schen. In Wirk­lich­keit wollte er jedoch den Führungs­agenten ermorden, um sich für die wieder­holte Inhaf­tie­rung seines Vaters zu rächen. Später fühlt er sich wie ein Verräter an seiner Familie und an seinem Volk. Trotzdem hat Mossab Gründe für die Zusam­men­ar­beit mit dem ideo­lo­gi­schen Feind.

Diese Geschichte ist span­nender, als so manches Thril­ler­drama. Aber, dass Nadav den Film auch als einen Thriller zu insz­e­nieren versucht, wirkt oft unpassend und störend. Anfangs ist es das über­zo­gene äußer­liche Trimmen des Stoffes auf einen Action­thriller, das sich mit der inhalt­li­chen Ebene beißt. Hoch­dra­ma­ti­sche Musik. Dunkle, grün­sti­chige Bilder wie bei Ridley Scotts Nahost­thriller Der Mann, der niemals lebte (2008) und die Ankün­di­gung gleich einen extrem gefähr­li­chen Mann präsen­tiert zu bekommen, schüren eine ganz bestimmte Erwar­tungs­hal­tung. Wenn der »Green Prince« dann vom Windel­wech­seln zu erzählen anfängt, fühlt man sich mit einem Schlag fast in eine schrille Komödie von Mel Brooks (Space­balls, 1987) versetzt.

Das Problem ist natürlich, dass dies völlig unfrei­willig geschieht. Es nimmt dem sehr inter­es­santen Inhalt auch eher an Gewicht als dessen Wirkung zu vers­tärken. Erschwe­rend hinzu kommt, dass dem Regisseur nach diesem über­zo­genen Auftakt immer stärker die insze­na­to­ri­sche Luft ausgeht. Schnell erschlafft die künstlich aufge­bauschte Dynamik und weicht einem unin­spi­rierten Wechsel zwischen spre­chenden Köpfen und Archiv­ma­te­rial von Über­wa­chungs­ka­meras. Offen­sicht­lich hatte Letzteres nicht gereicht, weshalb sich irgend­wann die Luft­auf­nahmen und Zooms nur noch penetrant wieder­holen, obwohl der Kontext bereits ein ganz anderer geworden ist.

Erstaun­li­cher­weise ist The Green Prince trotzdem ein fesselnder Film, der zudem viele hoch­in­ter­es­sante Fragen aufwirft. Aber dies ist einzig den beiden charis­ma­ti­schen Haupt­dar­stel­lern und ihrer geradezu unglaub­li­chen Geschichte zu verdanken. Schirmans Thriller-Insz­e­nie­rung ist dem Stoff hingegen eher abkömm­lich. Dies erscheint umso unnötiger, als es erst vor kurzem ein echtes Thril­ler­drama zum gleichen Themen­kom­plex gab: Yuval Adlers heraus­ra­gender Debütfilm Bethlehem verbindet die fein­füh­lige Schil­de­rung der Beziehung eines israe­li­schen Agenten zu seinem jugend­li­chen paläs­ti­nen­si­schen Infor­manten mit einer extrem span­nenden Thril­ler­hand­lung.