Deutschland 2017 · 93 min. · FSK: ab 12 Regie: Christian Weisenborn Drehbuch: Christian Weisenborn Kamera: Roland Wagner, Marcus Winterbauer Schnitt: Wolfgang Grimmeisen |
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Sinnlich und politisch zugleich |
Der Film beginnt mit privaten Fotos und Film-Aufnahmen in Schwarz-weiß. Bilder aus einer scheinbar glücklichen Zeit: Westdeutschland, der schreckliche Zweite Weltkrieg war vorbei, das Land wurde wieder aufgebaut. Es scheint ein ganz normales Leben zu sein. Doch an der Schule macht der Junge andere Erfahrungen: »In der Schule tuschelten einige, wenn der Name meines Vaters fiel, und wir hörten so etwas wie Spionage und Landesverrat, Zuchthaus und Gefangenschaft.«
So beginnt dieser Film, in dem der Regisseur, der Berliner Dokumentarfilmer Christian Weisenborn, die Geschichte seiner Eltern erzählt. Sie ist heute vergessen.
Weisenborns Vater war Günther Weisenborn, Film- und Theaterautor, Antifaschist und Widerstandskämpfer in der »Roten Kapelle«. Dieser Begriff, der sich eingebürgert hat, stammt von der GESTAPO, mit der politischen Überzeugung der Gruppe, die weder besonders sozialistisch, noch besonders christlich geprägt war,
sondern durch und durch liberal-bürgerlich, hat er wenig zu tun.
Aber wer kennt heute noch die Rote Kapelle? Wer kennt überhaupt den breiten Widerstand der Deutschen jenseits von 20. Juli und Weißer Rose und einem Einzelnen wie Georg Elser?
Die »Rote Kapelle« war eine Gruppe gar nicht so weniger freiheitsliebender junger Menschen, die die Welt über die Verbrechen der deutschen Diktatur aufklären wollten. Im Zentrum standen der Publizist und Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen und dessen Ehefrau Libertas Haas-Heie, und auch Alt-Kanzler Helmut Schmidt hat davon erzählt, dass er während des Kriegs mit dem Kreis in Berührung kam. Im September 1942 wurden insgesamt 120 Mitglieder der Gruppe verhaftet.
Die guten Feinde ist die Spurensuche eines Sohns, der sich der verlorenen Jugendzeit seiner Eltern annähern will, ihren Beweggründen, Leidenschaften, politischen Idealen.
Dabei helfen ihm umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen, die der Vater seiner Frau Joy aus dem Zuchthaus schrieb, wo er jahrelang in der Todeszelle saß, bevor ihn die Russen im April 1945 befreiten. Weisenborn führte auch Interviews mit Überlebenden und Hinterbliebenen der Widerstandsgruppe.
Vielschichtig zeichnet sein Film politische und kulturelle Bewegungen beim Übergang von der Weimarer Republik in die Nazi-Diktatur nach. Etwa die Bücherverbrennung, als die Nazis ihre deutsche Leitkultur propagierten.
Der Film macht deutlich, dass es sich bei den Widerständlern um normale Menschen handelte, Menschen wie Sie und ich. Nicht um Helden. Sie lebten auch im Dritten Reich zuerst privatisierend und hedonistisch: »Die meisten Mitglieder des Freundeskreises
kommen aus der Jugendbewegung. Segeln, Zelten, Schwimmen und Musik machen. Fahrten ins Grüne und ins Blaue, die Liebe, der Flirt die Freiheit – das ist Teil ihres Lebens.« Weisenborns Eltern schreiben gemeinsam ein Theaterstück,und arbeiteten mit Gustav Gründgens, dem Preußischen Staatsintendant, der auch viel mehr war, als nur der opportunistische Mephisto, als der er von der Nachwelt gezeichnet wurde.
Die guten Feinde ist auch ein sehr sinnlicher Film, fast ein Abenteuerstück aus dem Dritten Reich, wäre das alles nicht so ernst. Denn 52 Angehörige der Gruppe wurden den Nazis hingerichtet. Doch selbst nach 1945 wurde die »Rote Kapelle« lange nicht anerkannt, ihre Angehörigen galten als »Vaterlandsverräter«.
Im zweiten Teil zeichnet der Regisseur nach, wie das Andenken der »Rote Kapelle« zuerst von der DDR-Propaganda missbraucht wurde, und vor allem,
wie Günther Weisenborn zusammen mit Adolf Grimme, ebenfalls einem Überlebenden, den verantwortlichen NS-Richter Manfred Roeder vor Gericht zu bringen versuchte. Der aber amtierte bis zum Ende seines Lebens als CDU-Politiker in Hessen. Erst 2009 wurden die NS-Urteile gegen die Rote Kapelle offiziell aufgehoben.
Weisenborns Film Die guten Feinde ist ein sehr politischer Film: Als Erinnerung an eine verdrängte deutsche Gegengeschichte, als Feier des Widerstands gegen vermeintlich gerechte Ordnungen und als Einspruch gegen die billige kommerzielle Ausbeutung und Verklärung der Vergangenheit.