Happy, Texas

USA 1999 · 98 min. · FSK: ab 6
Regie: Mark Illsley
Drehbuch: , ,
Kamera: Bruce Douglas Johnson
Darsteller: Jeremy Northam, Steve Zahn, William H. Macy, Ally Walker u.a.

Idyll, irritationsfrei

Happy, Texas – Mark Illsley präsen­tiert das Bayern der USA als Hort der Toleranz

Der Begriff Inde­pen­dent ist längst auf den Hund gekommen. Irgend­wann einmal konnte man noch zum Sundance Film Festival irgendwo hinter den sieben Bergen von Utah auf Robert Redfords Farm fahren, um dort echte Entde­ckungen zu machen. Doch immer berech­nender und glatter wurden die Beiträge, und »Inde­pen­dent« verkam allmäh­lich zum Label für Main­stream mit Intel­lek­tu­el­len­touch. In den letzten Jahren wandelte sich die einst so heraus­for­dende Bühne des Inde­pen­dent-Films endgültig zum Bewer­bungs­par­cours für Möch­te­gern-Hollywood-Regis­seure. Wer es hier schafft, dessen Film landet im Welt­ver­trieb, und fürs nächste Projekt sind zwei­stel­lige Dollar-Millionen garan­tiert.

So erging es auch Mark Illsley. Mit seinem Erst­lings­werk Happy, Texas gewann der mit 42 Jahren auch nicht mehr ganz taufri­sche Regisseur – bis dahin nur als second unit-Chef bei der 1991er Robin Hood-Verfil­mung (mit Kevin Costner) hervor­ge­treten – den letzt­jäh­rigen Publi­kums­preis und damit die Eintritts­karte in die Primera División der Traum­fa­brik. Gegen all dies ist auch gar nichts weiter zu sagen, solange der Film irgend­etwas taugt, und nicht, wie in diesem Fall, als supe­r­in­no­va­tive Inde­pen­dent-Produk­tion vermarktet wird.

Das Thema, wie berech­nend gestylt auch immer, ist durchaus dankbar: Texas. Wer denkt da nicht gleich an John Wayne und Alamo-Mythen, an J.R. Ewing und den Ball der Ölbarone, auf dem die immer gleichen reak­ti­onären Politiker und Wirt­schafts­ma­gnaten zu Country-Music dreiste Reden schwingen, an schießwü­tige Cowboys und Rednack-Dumpf­ba­cken? Hier sind die Hutkrempen, die T-Bone-Steaks und die Zahl der voll­streckten Todes­strafen noch allemal ein, zwei Nummern größer als irgendwo sonst. Texas ist das Bayern der USA und nirgendwo sonst, so scheint es zumindest dem Außen­ste­henden, sind die USA so ameri­ka­nisch wie hier, so dass es selbst manchen Ameri­ka­nern manchmal nicht mehr geheuer ist. Texas als geistige Lebens­form, das wäre einmal etwas gewesen. Einen schrill-über­drehten Film könnte man sich vorstellen, wie Raising Arizona von den Coen-Brüdern viel­leicht, erst recht, wenn die Story von zwei Gefäng­nis­aus­bre­chern handelt, die durch ein Mißver­s­tändnis unter dortige Klein­s­tädter geraten, die sie für ein schwules Choreo­gra­phen­pär­chen halten. In dem Provinz­kaff sollen sie eine Kinder­gar­ten­gruppe auf einen Talent­wett­be­werb vorbe­reiten.

Eine Weile geht das Konzept leidlich auf: Aus der Verwechs­lung entsteht die Komik, die Fremden (gespielt vom ausge­zeich­neten, aber unter­for­derten Jeremy Northam und dem nur albernen Steve Zahn) bringen Unordnung in den Trott des Land­le­bens. Und wenn die puri­ta­ni­sche Prüderie nur mühsam ihre heim­li­chen Gelüste tarnt – der vom ebenfalls völlig unter­for­derten William H. Macy gespielte Provinz­s­he­riff outet sich vor dem vermu­teten Bruder im Begehren –, gibt dies ebenso dankbaren Komö­dienstoff wie die vermeint­li­chen Outsidern, die ihre Unfähig­keit als Tanz­lehrer eben­so­wenig verbergen können, wie ihr Heterotum. Aber das ist schon alles, und reicht längstens für Drei­vier­tel­stunde. Darüber­hinaus fällt Illsey überhaupt außer ein paar lahmen risi­ko­freien Scherzen und einem Showdown, der das Rest­po­ten­tial der Story verschenkt, überhaupt nichts mehr ein. Die Konstel­la­tion und Ort dienen nur dazu, ein paar billige Lacher hervor­zu­rufen.

Der Rest ist dumme Idylle: Obwohl Schwule manche Südstaa­ten­dörfer noch heute allen­falls geteert und gefedert wieder verlassen würden, erscheint Illseys Texas unre­flek­tiert als Hort der Toleranz, bevölkert zwar von bier­sau­fenden vertrau­ens­se­ligen Trotteln, die aber allem Fremden mit über­ra­schendem Gleichmut begegnen. Die privaten Leiden des schwulen Cops werden ebenso nach knapper Andeutung spätes­tens beim Besäufnis in der Schwu­lenkneipe mit schmal­ziger Fröh­lich­keit über­tüncht, wie die der kaum weniger tragi­schen Figur, der nicht mehr ganz taufri­schen und etwas einfäl­tigen Land­po­me­r­anze Jo, die sich von ihrer Fern­be­zie­hung hinters Licht führen läßt, und am Ende wieder zum Warten verdammt ist, wenn ihr neuer Geliebter zurück ins Gefängnis muß.

»Kleine Gemeinden sind wie große Familien.« – sein bedroh­li­ches Potential entfaltet dieser am Anfang beiläufig plazierte Satz bei Illsey nie, sein Texas ist tatsäch­lich so Happy und irri­ta­ti­ons­frei wie der Titel. Und folge­richtig steht, wenn der Film endlich seinem vorher­seh­baren Schluß entge­gen­ge­plät­schert ist, die doppelte Fami­li­en­grün­dung und der Trost fürs Main­stream­gemüt: Auch Heteros können sensibel sein, denn die soften Helden waren ja nur scheinbar schwul. Möch­te­gern-Inde­pen­dent Illsey, das muss man fürchten, könnte in Hollywood noch Karriere machen.

(Der Text erschien mit gering­fügigen Ände­rungen in der Frank­furter Rundschau vom 8.1.2000)