Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim

The Lord of the Rings: The War of the Rohirrim

Japan/USA/NZ 2024 · 135 min. · FSK: ab 12
Regie: Kenji Kamiyama
Drehbuchvorlage: J.R.R. Tolkien
Drehbuch: , , ,
Musik: Stephen Gallagher
Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim
Ein gänzlich formelhaft zusammengerührter Snack...
(Foto: Warner)

Schon wieder…Helms Klamm

Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim ist bekömmlicher Mittelerde-Fan-Service, lässt eine eigene Vision aber vermissen

Das Gefühl ist da. Die ersten Einstel­lungen verspre­chen eine Heimkehr. Selbst Teile der eingän­gigen Musik von Howard Shore hat man dafür recycelt. Die filmische Herr der Ringe-Trilogie, die Regisseur Peter Jackson geschaffen hatte, ist ein popkul­tu­rell verklärter Meilen­stein, an den man sich zurü­ckerin­nert, um den sich Rituale entwi­ckelt haben, den viele Menschen dann und wann erneut besuchen, um sich an vergan­gene Zeiten zu erinnern. Seitdem herrscht Kopf­zer­bre­chen in der Film­in­dus­trie, wie man etwas Gleich­wer­tiges schaffen und daran anknüpfen kann. Der immense Einfluss dieser Trilogie und Lite­ra­tur­ver­fil­mung, betrachtet man die ganzen Franchise-Auswüchse der Marke »Herr der Ringe«, ist ein Einzel­fall geblieben, dem bislang kein Tritt­brett­fahrer gerecht werden konnte. Peter Jackson selbst hat mit seiner aufge­bla­senen Hobbit-Trilogie am eigenen Erbe gekratzt. Amazons Super­lativ-Projekt, die Serie Die Ringe Der Macht, läuft zwar weiterhin auf der haus­ei­genen Streaming-Plattform, vergraulte jedoch diverse Fans und wurde überdies Teil frag­wür­diger Kultur­kämpfe reak­ti­onärer bis rassis­ti­scher Fans und Werktreue-Puristen, die plötzlich »ihren« Tolkien geschändet wähnten, als sie erfuhren, dass zu Beginn der 2020er-Jahre auch People of Color Platz im Ensemble eines solchen Fantasy-Block­buster-Projekts finden. Also scheint man mit Die Schlacht der Rohirrim nun Krisen­ma­nage­ment betreiben zu wollen. Anders lässt sich dieses durch und durch nost­al­gi­sche, rück­wärts­ge­wandte Werk schwer erklären. Und wie lassen sich am besten die Wogen glätten? Natürlich mit dem Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist, dass dort eine fantas­ti­sche Welt lauert, in der vermeint­lich immer noch alles so ist, wie man es einst nach Der Herr der Ringe: Die Gefährten, Der Herr der Ringe: Die zwei Türme und Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs verlassen hat.

Konser­viertes Fantasy-Universum

Einzelne Musik­stücke, die Land­schaften, die Schau­plätze, ob es die Stadt Edoras, das unheil­volle Isengart oder die Festung Helms Klamm ist – alles muss so klingen und aussehen wie früher. Erzäh­le­ri­sche Motive müssen an Vertrautes anknüpfen und am besten die wenigen expe­ri­men­tellen Anklänge vorhe­riger Franchise-Inhalte wieder ausmerzen. Für einen Markt sind damit alle Fühler nach dem kommer­zi­ellen Erfolg ausge­richtet. Für inter­es­sante Kunst sind dies jedoch schlechte Voraus­set­zungen. Dabei ist die Form an sich ein Wagnis! Die Schlacht der Rohirrim ist kein Live-Action-Film, sondern ein Anime. Zeichen­trick. In der Geschichte der Herr Der Ringe-Verfil­mungen und -Adap­tionen ist dies kein Novum, aber es sticht dennoch heraus. Ein inter­es­santer Kipp­ef­fekt stellt sich dabei schon in den ersten Einstel­lungen ein, wenn die Berg­land­schaft einer foto­rea­lis­ti­schen Aufnahme gleicht, lebens­echt aussieht, ehe sich ein mit groben Konturen gezeich­neter Riesen-Adler ins Bild schiebt und die Illusion von Realismus durch­kreuzt. In der Tat wäre die Form des Anime eine Möglich­keit gewesen, dem Mittel­erde-Kosmos noch einmal ganz neue Eindrücke abzu­ge­winnen, das Bekannte noch einmal in einem anderen Licht zu zeigen. Doch dies geschieht im Grunde kaum, weil sich gerade räumlich alles so akribisch an die Ästhe­tiken der Peter-Jackson-Verfil­mungen anlehnt, um ja keine neuen Bilder wagen und finden zu müssen. Die Anima­ti­ons­technik bleibt somit zuvor­derst Mittel der Nach­ah­mung und des Abbilds, weniger der eigenen Kreation und Vision. Überhaupt ist Vision das Stichwort. Was schwebt diesem Film vor? Wo will er hin?

Seine erste Hälfte ist ein kurz­wei­liges Stück Mittel­alter-Fiktion um konkur­rie­rende Herrscher, höfische Intrigen, geplatzte Romanzen und die Angst vor dem Krieg. Und das muss man ihm lassen: Gemessen an den eigenen Konven­tionen, ist Die Schlacht der Rohirrim der mitreißendste Beitrag im Franchise seit der Jackson-Trilogie, weil er so kompakt und verdichtet erzählt ist. Der Film spielt etwa 200 Jahre vor den Ereig­nissen von Der Herr der Ringe und erzählt von der Vertei­di­gung Helm Hammer­hands, des Königs von Rohan, und seiner Tochter Héra gegen die Truppen eines grausamen Dunlän­ders, der nach Rache für seinen ermor­deten Vater giert. Das Volk zieht sich in die Hornburg, später Helms Klamm genannt, zurück, wo der Film dann ein lang­wie­riges Bela­ge­rungs­sze­nario schildert und Versatz­stücke zeigt, die man, vorsichtig formu­liert, als aufge­wärmt bezeichnen kann.

Ein Kriegs­my­thos

Imposant ist das bisweilen anzusehen, wenn sich ein hölzerner Bela­ge­rungs­turm zu Trommeln in die Höhe schraubt, atmo­sphärisch insze­niert, wenn der Winter über die Burg hinweg­fegt, das Böse im Dunkeln umher­streift und der Kampf um die Macht ins Über­sinn­liche und Sagen­hafte kippt. Orks tauchen hier auf. Mordor, dieser Abgrund im Osten, streckt seine Fühler nach Ringen aus und schickt seine Kund­schafter los. In der alten Trilogie taugte das zum ulti­ma­tiven, symbo­lisch gedachten Kampf zwischen Licht und Dunkel­heit, Gut und Böse. Weniger im Sinne einer geopo­li­ti­schen Inter­es­sen­lage, sondern als Krieg gegen etwas Abstraktes aus der Vergan­gen­heit, das über die Welt mit einem gespens­ti­schen Auge wacht und sie mit Indus­tria­li­sie­rung, Umwelt­zer­störung, Verskla­vung und Gewalt überzieht. In Die Schlacht der Rohirrim ist die Gegenü­ber­stel­lung von Parteien weit weniger abstra­hiert und sinn­bild­lich konstru­iert. Statt­dessen geht es hier in erster Linie um mensch­liche Herr­schafts­an­sprüche und gekränkte Egos, aus denen ein Mythos erwächst. Umso schwächer und sinnloser erscheint die Ausein­an­der­set­zung, die dann in schlichten Freund- und Feind-Schemata verharrt. An der Lust am Martia­li­schen, die schon die älteren Filme durchzog, hat sich nichts geändert. Als Anti­kriegs­film kann man Die Schlacht der Rohirrim wohl kaum bezeichnen.

Gekämpft wird für die eigene Ehre und die gewohnte Ordnung, bis man sich in ein Gespenst verwan­delt, das die Feinde am besten noch über den Tod hinaus heimsucht. Gekämpft wird, bis der Körper in der Gewalt­hand­lung zu Eis erstarrt und die eigene Wehr­haf­tig­keit für immer zur ehrfurcht­ge­bie­tenden Statue formt. Einer Gegenwart, die über derlei Verklärungen nachdenkt und sie zunehmend in Politik überführt, weiß dieser Film wenig Kritik oder Reflexion entge­gen­zu­setzen. Viel­leicht ist die auf Spektakel getrimmte Fantasy-Welt dieses Fran­chises in ihrer kind­li­chen Logik der falsche Ort, um nach derlei Ambi­tionen zu suchen. Doch auch deshalb bleibt die zweite Film­hälfte so leer und ernüch­ternd, weil sie erkennen lässt, dass Der Herr Der Ringe in seinem Welt­ent­wurf so enorm auf der Stelle tritt und sich auch nach Jahren nicht traut, neue Über­le­gungen anzu­stellen. Die Schlacht der Rohirrim beschwört die Stim­mungen von Peter Jacksons Trilogie. Er gibt seinen Fans einen wirk­mäch­tigen, unter­hal­tenden, wenn­gleich gänzlich formel­haft zusam­men­gerührten Snack, der noch einmal das Gestern und dessen popkul­tu­rellen Stel­len­wert beschwört. Wohl auch deshalb, weil demnächst neue Real­ver­fil­mungen erscheinen sollen, bei denen man bereits rätselt, welche Darsteller von einst noch einmal in ihre Rollen schlüpfen werden. Auch hier richtet man den Blick also in die Vergan­gen­heit, die man zu bewahren versucht. Dass davon immer kalku­lier­tere, mecha­ni­schere Zerr­bilder übrig bleiben, darauf bietet dieser Anime bereits einen Vorge­schmack.