Deutschland 2003 · 110 min. · FSK: ab 12 Regie: Leander Haußmann Drehbuch: Sven Regener Kamera: Frank Griebe Darsteller: Christian Ulmen, Katja Danowski, Detlev Buck, Janek Rieke, Hartmut Lange u.a. |
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Auf den Hund gekommen: Christian Ulmen |
Kreuzberg 1989: Herr Lehmann heißt eigentlich Frank und wurstelt sich so durch. Nachts steht er hinterm Tresen, tags schläft er seinen beruflich bedingten Bierrausch aus. Ambitionen hat er keine. Er hat es sich in seinem Kreuzberger Kietz gemütlich gemacht, und hält sich Verpflichtungen jeglicher Art virtuos vom Hals. Kurz gesagt: Lehmann ist ein echter Schluffi. Die schöne Köchin sieht das anders. Sie glaubt daran, dass alle anderen Herrn Lehmann komplett unterschätzen. Wie Frauen nun mal so sind, wenn sie Gefallen an einem Mannsbild finden, schürft sie in seinem Inneren nach verborgenen Schätzen – erfahrungsgemäß ein ernüchterndes Unterfangen. Zumindest Herr Lehmann weiß, dass in ihm nicht mehr steckt, als man von außen sieht. Ehrgeizige Zukunftsperspektiven schon gar nicht. So eine Haltung hat schon einen Hauch von Zen.
Und überhaupt: Lehmanns bester Freund Karl macht schließlich vor, wohin das führt mit den großen Ambitionen... Karl wird gespielt von Detlev Buck, Produzent des Films, der schon als Schupo durch die Sonnenallee patrullierte und nun hier mit seinen miefigen schwarzen Jeans und Lotter-Mähne außerordentlich authentisch daherkommt. Karl arbeitet zwar auch in einer Kneipe und trinkt zuviel. Aber Karl hat immerhin einen Traum: Er schweißt aus rostigem Schrott gigantische Skulpturen zusammen. Eigentlich ist Karl also Künstler, doch als er das Angebot für eine eigene Ausstellung bekommt, kriegt er die große Flatter.
Karl und Lehmann, zwei Antipoden, die die alles entscheidende Frage nach dem Lebensglück aufwerfen – und wie man es erhascht: mit Leidenschaft und Hingabe oder durch hartnäckiges ignorieren all dessen, was nach Enthusiasmus riecht. Ersonnen hat das Universum des Herrn Lehmann Sven Regner, Sänger, Textschreiber und Trompeter der Gruppe Element of Cime. Mit seinem Herrn Lehmann hat er hastdunichtgesehen die Bestsellerlisten geentert, das liegt an der lakonischen Schreibe und der Tatsche, dass in jedem von uns ein kleiner Lehmann hockt, der keine Lust hat.
Herr Lehmann wird in seiner lethargischen Selbstzufriedenheit aufgestört, das ahnt man schon, als er in jungfräulichem Morgenlicht den Bürgersteig hinunterwankt, wo er auf einen Köter trifft, der ihm wie ein fleischgewordener Zerberus den Weg versperrt. »So einfach mein Freund, kommst Du hier nicht mehr weiter«, scheint die Kreatur zu fletschen. Und kaum hat Herr Lehmann das Ungeheuer mittels einer Flasche Ballantines bezwungen, dräuen schon neue Katastrophen am Horizont: Sein 30er Geburtstag steht vor der Tür, die Eltern drohen einen Besuch an, um mal zu sehen »Wie Du lebst in Berlin, Junge«. Und dann mischt auch noch besagte schöne Köchin Herrn Lehmanns fein austarierten Kosmos auf und treibt ihn zu Lehmann-untypischem Aktionismus. Während Herr Lehmann noch damit beschäftigt ist, die Trümmer seiner selbstgewählten Bedeutungslosigkeit zusammenzuklauben, brüllt es – unbeachtet vom Helden und seinen Kumpanen – von jenseits der Mauer »Wir sind das Volk«...
Auf die Leinwand transportiert hat die schöne Mär Leander Haußmann und damit das Berlin vom anderen Ende der Sonnenallee beleuchtet. Die Endachtziger in Kreuzberg ein Paradies für Lehmänner jeglicher Couleur. Jungs aus Pinneberg und Schweinfurt, die wenig Lust auf Wehrdienst hatten, aber auch kein gesteigertes Interesse an verweigerungsgemäße Frondienst, machten rüber in die West-Enklave im Ostblock.
Nostalgisch Bierdunst geschwängerte Bilder von Frank Griebe machen die verlorenen Lehmannschen Monologe des Buches wett. Davon abgesehen hält Haußmann sich streng an die Vorlage. Nur ganz zum Schluss bekommt der Film einen surrealen Hauch von Sonnenallee: Da sehen wir dann den besten Freund Karl – umwabert von jubelnden Massen mit den Worten »Arbeit für Super-Karl« auf den Lippen: einer, der eine Lanze bricht, für unbequemes Engagement und fröhlichen Größenwahn.