Deutschland 2017 · 99 min. · FSK: ab 0 Regie: Wolfgang Groos Drehbuch: Gerrit Hermans Kamera: Marcus Kanter Darsteller: Hedda Erlebach, Jürgen Vogel, Anja Kling, Maresa Hörbiger, Aleyna Hila Obid u.a. |
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Und dann doch nur wieder dieser altbekannte, süßliche Weihnachtsschleim, der allen schmecken soll... |
So wie die Discounter mit ihrem Weihnachtssortiment jedes Jahr früher aufzuschlagen scheinen, so eilig haben es inzwischen auch die Weihnachtsfilme. Noch leuchtet die goldene Herbsteszeit und die Birnen leuchten weit und breit, da stopft uns schon die Filmindustrie alle Taschen voll. Den Auftakt macht – neben der anarchischen Sag-nein-zu-Weihnachten-und-Familie-Komödie Bad Moms 2 – die zahm-dümmliche Verfilmung der – was auch sonst – überaus erfolgreichen Kinderbuchreihe »Hexe Lilli«.
Wie schon in seiner Adaption des Kinderbuchklassikers Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt spielt Regisseur Wolfgang Groos auch in Hexe Lilli rettet Weihnachten seine Vorliebe für deutsche Legolandheimlichkeit aus. Wie ein Lego-Winter-Bausatz wirken die Interieurs von Lillis Wohnung und ihrer Freunde, wirken die mittelalterlichen Sequenzen, wirken die Eltern-Kindbeziehungen, und wie Legolandmenschen spazieren die Menschen selbst durch die Kulissen – Abziehbilder eines Kindheitstraumes, den es nie gegeben hat.
Deshalb ist die abstruse Geschichte, die in Hexe Lilli erzählt wird, tatsächlich wohltuend, weil sie sich für Momente überraschend gegen die knochenbrecherisch spießige Alltagswelt behaupten kann. Lilli (Hedda Erlebach) hat nämlich keine Lust mehr auf ihren Bruder und ihr ganzes, dämliches Spießerleben. Gegen den Rat ihres (animierten) Drachenfreundes Hektor, zaubert sie Knecht Rupprecht (Jürgen Vogel) aus dem Mittelalter herbei, um endlich von so viel Langweile, Vorhersehbarkeit und Ärger befreit zu werden. Doch Rupprecht hat natürlich seine eigenen Ideen und beginnt schon bald einen weihnachtlichen Amoklauf, so dass Lilli jetzt auch noch den Nikolaus finden muss, der Rupprecht wieder besänftigen und das Weihnachtsfest retten soll.
Die angedeutete Traumatisierung von Knecht Rupprecht, die nur durch seinen therapeutischen Beistand, den Nikolaus, im Griff gehalten werden kann, ist dabei nicht nur als Idee interessant, sondern wird über den wirklichen Glücksgriff des Films, Jürgen Voglers wildes, fast ekstatisches Spiel auch tatsächlich überzeugend umgesetzt.
Doch kaum hat man über Voglers bösartige Performance-Ritte Hoffnung gefasst, dass Groos es diesmal besser als in Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt macht, so ist die Hoffnung auch schon wieder dahin, denn die Rupprecht-Szenen werden mehr und mehr von dem altbekannten, süßlichen Weihnachtsschleim überzogen, der vor allem eins soll: allen schmecken.
Das bedeutet dann nicht nur brave Befriedung auf allen Seiten, sondern vor allem auch eine kaum zu ertragende, schon fast gefährliche Weichspül-Politisierung, die sich vor allem über Lillis beste Feindin Layla (Aleyna Hila Obid) materialisiert. Layla, Lillis kluge, souveräne Klassenkameradin mit Migrationshintergrund, ist die Einzige im Boot, die Lilli hinterfragt und kein Interesse hat, mit ihr befreundet zu sein. Was keiner versteht – denn wer liebt Lilli nicht? – wird bald aufgeklärt. Denn eigentlich wünscht sich Layla ja nichts anderes, als auch endlich einmal Weihnachten feiern zu dürfen und nicht nur Īdu l-Aḍḥā und gerät deshalb mit ihrem starken Vater und ihrer schwachen Mutter in Streit.
Wie dieser Konflikt dann doch noch gelöst wird und wie Layla schließlich zu Lilli findet, lässt einen vor Schmerz und Fremdschämen dann fast in der Textur des Kinosessels verschwinden – und allen Segen, den Jürgen Vogel bis dahin gebracht hat, zu nichts verpuffen.