USA 2013 · 126 min. · FSK: ab 12 Regie: Spike Jonze Drehbuch: Spike Jonze Kamera: Hoyte van Hoytema Darsteller: Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Olivia Wilde, Chris Pratt u.a. |
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Welt ohne Gegenüber |
Die Hosen der Männer sind streng hochtailliert, ganz Los Angeles sieht aus wie ein Phallus aus Glas. Unten zwischen den Bürotürmen streifen die Menschlein umher und scheinen mit sich selbst zu sprechen, doch in Wirklichkeit flüstert ihnen ihr mobiles Endgerät ins Ohr. In dieser Welt, die melancholisch entschleunigt wird von Arcade Fires tröpfelnden Seelenschmerzmelodien, ist ein handgeschriebener Brief ein noch größerer haptischer wie ästhetischer Nostalgieträger. Theodore arbeitet bei einer Agentur, die solche Briefe für andere schreibt.
Spike Jonze, der Regisseur von Adaption, kennt sich aus mit den Nöten einer sensiblen Künstlerseele, und er hat in Being John Malkovich und Wo die wilden Kerle wohnen seine Fantasie eher ungezügelt hineinbrechen lassen in unsere oder in eine ganz fremde Welt, die so heiß und zart und traurig war, wie es vielleicht nur fremde Welten sein können.
In die Traurigkeit stürzt Jonze sich auch in seiner aktuellen Arbeit. Theodore, der hauptberufliche Briefe-Ghostwriter, hat nach der Trennung von seiner Frau nicht zurückgefunden ins Privatleben. Wenn er wieder mal ein Treffen mit seiner Nachbarin und platonischen Freundin Amy abgesagt hat, dann kämpft er sich in einem Videospiel, das holographisch ins Wohnzimmer projiziert ist, einen Hang hinauf, wieder und wieder. Und obwohl Joaquin Phoenix' nasspudeliger Blick und sein Kopfhängenlassen einem mit der Zeit ein bisschen auf die Nerven gehen, ist die tief empfundene Empathie, die den ganzen Film durchzieht, dessen größte Stärke.
Viel mehr hat er allerdings auch nicht zu bieten. Jonzes Idee, eine unmögliche Liebesgeschichte als eine ganz und gar mögliche, ja als eine noch nicht einmal sonderlich unwahrscheinliche zu erzählen, erweist sich als sympathisch, aber letztlich auch als zu dünn, um den Film zu tragen. Der geplagte Theodore jedenfalls kauft sich ein neues Betriebssystem, Samantha, das seine Kommunikation organisiert, sein digitales Leben über alle Geräte strukturiert und das im Original mit der so neugierigen wie samtigen Stimme von Scarlett Johansson spricht. Außer Theodores Ex, die sich wahrscheinlich über jede neue Partnerin aufgeregt hätte, haut das im Los Angeles der nahen Zukunft niemanden so richtig vom Hocker – Beziehungen zur Software werden nach und nach gar zum neuen Trend.
Diese an sich sympathische Setzung kommt aber nicht an gegen den großen Konstruktionsfehler, den sich der Romantiker Jonze erlaubt: Im Vergleich zu seinen früheren Arbeiten rückt er den Kosmos seines aktuellen Films nur gering ab von der empirischen Wirklichkeit. Hängt in der U-Bahn nicht eh schon jeder am Smartphone? Gleichen sich die Millionenstädte auf der Welt nicht immer weiter aneinander an? Und diskutieren wir nicht ständig darüber, wie einsam uns das macht? Die Filmemacher fanden viele ihrer Kulissen in Shanghai und geben sich wenig Mühe, dies zu verbergen.
Auch der Subtext, der sich für Her anbietet, ist uns bekannt. Es könnte um unsere Vorstellungen von künstlicher Intelligenz und von der Entstehung von Gefühlen, es könnte um Bild- und Körperlichkeit gehen, wenn nicht gar gleich um den Menschen und das, was ihn wohl zum Menschen macht. Diese Fragen drängen sich förmlich auf, aber Jonze unterläuft die Erwartungen ein weiteres Mal, indem er sich nicht die Bohne darum schert. An der spezifischen Natur des Digitalen hat er, bis auf das dann doch endlich ambitionierte Finale, keinerlei Interesse. Den Sex von Samantha und Theodore überdeckt er mit einer Schwarzblende, die mutig lange stehen bleibt, die so prekäre wie bombastische Angelegenheit mit der Unsterblichkeit des Codes verheizt er in einem Nebensatz beim Picknick. Aber gerade weil er seine Erzählung so nahe an unserer Wirklichkeit verortet, wirkt all dies dann doch wie Drückebergertum.
Übrig bleibt immerhin eine Romanze – und da sind andere Filme bekanntlich schon mit weniger durchgekommen. Woher kommt dann nur dieses Gefühl, dass Her etwas fehlt? Warum fällt es so schwer nachzuempfinden, wie diese Liebe sein kann? Die Vermutung liegt nahe: Es fehlt am Bild. Das wäre für alle, die das Kino lieben, die beste – und die einzige – Nachricht, die Jonze ihnen wohl unfreiwillig verkündet.