Deutschland/N 2015 · 92 min. · FSK: ab 12 Regie: Sonja Heiss Drehbuch: Sonja Heiss Kamera: Nikolai von Graevenitz Darsteller: Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche, Melanie Straub, Simon Schwarz u.a. |
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Schlammschlacht hilft, duschen aber auch |
Nein, zum Subgenre des Fahrstuhl-Thrillers wird man Hedi Schneider steckt fest nicht zuordnen können. Obschon der Film wenigstens zum Auftakt diese Möglichkeit noch scheinbar offen läßt und ein wenig mit den Erwartungen des Zuschauers spielt: Die knapp 40jährige Hedi Schneider, Angestellte in einem Großraumreisebüro, radelt unbeschwert in Richtung Arbeitsplatz, steigt dort in den Fahrstuhl – und bleibt abrupt stecken. Sie gerät aber keineswegs in Unruhe, vielmehr plaudert sie mit dem Mann hinter dem Alarmknopf, wird sogar ein kleines bißchen frivol. Bevor es aber ins Unangenehme kippen oder doch noch so was wie Panik aufkommen könnte, springt die Handlung einfach weiter: Hedi ist plötzlich auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch und die Fahrstuhlpanne kein Thema mehr für sie.
Auch ihren sonstigen Alltag bewältigt Hedi anfangs mit Leichtigkeit. Sogar einen familiären Trauerfall kann sie mit Hilfe ihres verständnisvollen Mannes Uli und ihres wohlgeratenen Sohns Finn gut managen. Doch eines Tages ist es mit der Harmonie vorbei. Mitten im Liebesspiel mit ihrem Mann bekommt sie, wie aus dem Nichts, eine Panikattacke. Der Notarzt wird gerufen, Hedi eingehend untersucht, aber organische Ursachen für ihren Ausnahmezustand lassen sich nicht finden. Die Attacken wiederholen sich, Hedi gerät zusehends aus dem Gleichgewicht und muß eine Auszeit nehmen. Die diffuse Diagnose: Angststörung.
Die Regisseurin Sonja Heiss, Absolventin der Hochschule für Fernsehen und Film München, die seit Hotel Very Welcome, ihrem vielbeachteten Abschlussfilm über Rucksacktouristen in Asien, selber eine längere Auszeit vom Filmemachen genommen hat, erzählt, daß sie »trotz oder wegen dieser schweren Thematik« ihrem Werk vor allem Humor und Leichtigkeit schenken wollte. Mit Hedi Schneider hat Sonja Heiss denn auch eine überaus skurrile Figur geschaffen, die von Laura Tonke offensiv und mit aller gebotenen Infantilität verkörpert wird. Es kommt auch zu vielen skurrilen Momenten, vor allem wenn Hedi mit ihrem Mann eine ganze Versuchsreihe an therapeutischen Möglichkeiten durchprobiert und zwischendrin der einen oder anderen absurden Impulshandlung folgt, z.B. in der Zoohandlung sich ein Kaninchen kauft. Aber vor einer großen Verrücktheit, die ihre Protagonistin und die Handlung erst richtig aus dem Lot bringen könnte, schreckt die Regisseurin zurück.
Dabei fehlt es nicht an dramatischen Wendungen: Vor allem ihr Mann (Hans Löw) durchlebt ein gehöriges Wechselbad. Hedi zuliebe wirft er seine Karriereplanung als Entwicklungshelfer über den Haufen und gibt damit seinen Traum von einem Leben im Afrika auf. Zwischendrin hat er doch genug von Hedis Eskapaden und flüchtet sich in ein obskures Abenteuer mit einer taubstummen Frau. Als Hedi sich allerdings zaghaft der Realität wieder stellt und sich wieder um sich selbst zu kümmern versucht und deshalb ihren Job hinschmeißt, fühlt sich Uli von ihrem Egoismus erst recht vor den Kopf gestoßen.
Wie findet man aber dramaturgisch aus einem Plot, der es sich weder mit den Ursachen, noch mit den Problemlösungen all zu leicht machen und auf kein aufgesetztes Ende festlegen will? Sonja Heiss regelt es so: Die Kleinfamilie macht am Ende einen Ausflug in die Wildnis von Skandinavien, verweilt in einer einsamen paradiesischen Hütte am See. Dort vereinbaren sie eine 24stündige Harmonie, wälzen sich im Seeschlamm, verunzieren sich mit Kriegsbemalungen – und sie bleiben tatsächlich glücklich bis zum Ablauf der 24-Stundenfrist. Ob diese Aktion einen magischen Neuanfang markiert und ob Hedi den pragmatischen Rat ihrer Mutter (»Wenn’s mir schlecht geht, gehe ich einfach mal kurz duschen«) eines Tages doch noch befolgen wird, das muß sich der Betrachter selber ausmalen.