Hexenjagd

The Crucible

USA 1996 · 122 min. · FSK: ab 12
Regie: Nicholas Hytner
Drehbuch:
Kamera: Andrew Dunn
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Winona Ryder, Paul Scofield, Joan Allen u.a.

Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel. Es kann keinen Falschen treffen. Jeder Bewohner von Salem könnte eine Portion gebrau­chen. Ein Dutzend junger Mädchen schleicht sich nachts in den Wald, um unter Anleitung der schwarzen Köchin Tituba (Charlayne Woodard) okkulte Tänzchen aufzu­führen. Harmlose pubertäre Spielchen.

Den Dorf­pfarrer Williams freilich muß dieses Treiben scho­ckieren, noch dazu in einem bigotten ameri­ka­ni­schen Nest, irgend­wann im 17. Jahr­hun­dert. Und ausge­rechnet dieser Pfaffe entdeckt die Gören. Der Schreck sitzt tief, auf beiden Seiten. So tief, daß zwei der Mädchen für ein paar Tage in einen Tran­ce­zu­stand fallen. Da kann, so fürchtet der Gottes­diener, nur Teufels- und Hexenwerk dahin­ter­ste­cken.

Eine peinliche Inqui­si­tion beginnt. Alles halb so schlimm, würde Salem über einige aufge­klärte Geister verfügen, die dem Spuk ein rasches Ende bereiten würden. Doch die Angst vor dem Teufel sitzt tief. Mit Vernunft ist der nicht beizu­kommen. Zudem merkt Abigail (Winona Ryder) sehr rasch, daß sich die Hexenjagd sehr gut instru­men­ta­li­sieren läßt für ureigenes Begehren. Man kann jeden belie­bigen Bürger beschul­digen, er sei mit dem Leib­haf­tigen im Bunde, er habe die Hexen geschickt. Jede Anschul­di­gung fällt auf nähr­rei­chen Boden. Haupt­sache, die Gören täuschen über­zeu­gend genug Teufels­er­schei­nungen vor.

Hier jedoch verschenkt Regisseur Nicholas Hytner viele Möglich­keiten. Es beginnt kein vertracktes Intri­gen­spinnen, kein hinter­fot­ziges Gegen­ein­an­der­aus­spielen. Die Schuld­zu­wei­sungen werden unbedacht hyste­risch hinaus­ge­ga­ckert. Hytner hätte psycho­lo­gisch inter­es­sante Figuren entwi­ckeln können. Doch er begnügt sich mit Typen. Der Dorf­pfarrer ist ein Jammer­lappen, der unter Verfol­gungs­wahn leidet. Der eilends herbei­ge­ru­fene Priester Hale, der sich auf Hexen­aus­trei­bungen spezia­li­siert hat, ein Quack­salber. Richter Samuel Danforth (Paul Scofield) erledigt einen ihm lästigen Job. Dies alles ist so offen­sicht­lich, es bedürfte keinerlei Anstren­gung, den Humbug zu durch­schauen, wenn man nur wollte.

Einzig John Proctor (Daniel Day-Lewis) will. Er scheitert aber an einem unseligen Gewirr aus Aber­glauben, Engstir­nig­keit und Hysterie. Selbst schuld, ist man versucht zu sagen ange­sichts seiner schwach­sin­nigen Gegner.

Arthur Miller, von dem die Vorlage stammt, hat sein Drama »Hexenjagd« ange­sichts der Kommu­nis­ten­hatz von McCarthy in den 50er Jahren geschrieben. Er skizziert ein raffi­niertes Netz aus Intrigen, Neid und Konkur­renz­denken. Hytner macht aus den Bewohnern von Salem hingegen bescheu­erte Schild­bürger. Winona Ryder plärrt und wimmert sich mit aufge­ris­senen Augen durch den Film. Dies Verhalten, gepaart mit immerhin einem Hauch Geris­sen­heit, genügt ihrer Abigail, um zur Herrin über Leben und Tod zu werden.

Ihr Problem: Sie versucht ein Spiel zu spielen, kennt die Regeln aller­dings nicht. Das Spiel läuft ihr aus dem Ruder, irgend­wann erreicht sie den »point of no return« – irgend­wann kann sie ihre Anschul­di­gungen nicht mehr zurück­nehmen, ohne sich selber ans Messer zu liefern. Also mündet das Szenario in eine Kata­strophe.

Die Mensch­heit hat oft genug bewiesen, wie irra­tional sie handeln kann, wie gedan­kenlos die Menge nach­plap­pert, was der Eine vorkaut. Daß sich hier ein ganzes Dorf – und Salem steht wohl für die ganze Mensch­heit – derart unkri­tisch und wider­spruchslos in blankem Unsinn verrennt, wie Nicholas Hytner dies zeigt, macht aller­dings wütend. Man kann ihm diese Apoka­lypse nur schwer abnehmen. Wäre die Welt so wie Salem, es gäbe sie nicht mehr.