Niederlande 2016 · 83 min. · FSK: ab 0 Regie: Anna van der Heide Drehbuch: Mieke de Jong, Paul van Loon Kamera: Mark van Aller Darsteller: Yenthe Bos, Bobby van Vleuten, Jeroen Spitzenberger, Georgina Verbaan, Wine Dierickx u.a. |
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Lieber Buddeln statt Blödeln |
Uff, was für eine Erleichterung. Es geht wirklich noch anders als strunzdoof und strunzbieder. Anders als die unerfreulichen Kinderliteraturverfilmungen der letzten Monate. Von der unsäglich biederen und dummen Verfilmung von Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt bis zur alles andere als mutigen Umsetzung von Timm Thaler oder das verkaufte Lachen war wenig Gutes dabei, sieht man einmal von dem Animationswunder Mein Leben als Zucchini ab. Aber mit Anna van der Heides Adaption von Paul van Loons Kinderroman „Das Geheimnis von Lehrer Frosch“ kommt endlich mal wieder Kinderfilm in die Kinos, der nicht nur Kinderfilm, sondern wirklich auch ein Familienfilm ist. Also locker und entspannt und am besten verspielt gleich mehrere Ebenen bedient.
In diesem Fall ist das zum einen die Geschichte der Grundschülerin Sita, die zufällig entdeckt, dass ihr mit modernen pädagogischen Methoden und überaus beliebter Lehrer Franz sich ab und an in einen Frosch verwandelt, ohne das so richtig kontrollieren zu können. Das wird zum Problem, als ein neuer Direktor die Schule übernimmt und Franz so schnell wie möglich entlassen sehen will.
Dieser in Ansätzen märchenhafte Plot wird allerdings mit einer guten Portion bissiger Lebensrealität unterlegt, ganz so wie wir es vom holländischen Kinderfilm gewohnt sind; man denke etwa nur an Dennis Bots tollen Film zur Krebsthematik bei Kindern, Starke Mädchen Weinen Nicht! Die holländischen Besonderheiten des Alltags tragen auch in Hilfe, unser Lehrer ist ein Frosch nur zum einen als exotistischer Faktor bei, sie sind andrerseits fein tariert und so leicht austauschbar, dass sie nur allzu leicht als Identifikationsfiguren dienen können. Denn nicht alles in der holländischen Idylle ist Idylle: Sitas Mutter ist alleinerziehend und hat als viel beschäftigte Tierärztin kaum Zeit für ihre Tochter, geschweige denn fürs gendertypische Kochen. Ebenso gegen den Standard gebürstet sind die anderen Charaktere, sei es das kleine Lehrerkollegium oder die Elternschaft, bei denen jeweils eher auf die schrägen, überraschenden, unter der Oberfläche verborgenen Seiten hingewiesen wird, als auf die im deutschen Kinderfilm der jüngsten Zeit gerne hervorgehobene Bonbonkruste.
Was van der Heides Film aber vor allem auszeichnet, ist sein Mut, sich dem gerade für das Grundschulalter bereits relevanten Thema des „Andersseins“ auf eine verspielte und doch ernsthafte Weise zu stellen. Denn nur die wenigsten Kindern haben in den multikulturellen Gesellschaften Europas nur „eine“ Seite, haben verschlungene Genealogien, die dann und wann und ohne das sie es wollen zum Vorschein kommen und die gerade durch die Unterstützung und nicht Verdrängung zu einem Faktor werden kann, der nicht nur das Individuum, sondern vor allem die Gemeinschaft stüzen und schützen kann.
Dass van der Heides Botschaft wie nebenbei, aber doch nachhaltig beim Betrachter ankommt, verdankt sie vor allem der Vermeidung jener Gefahren, die Kinderfilme oft so unerträglich schlecht machen, die glauben, dass Kinder nur Kinderkost vertragen, das lieber mit den Problemen geblödelt statt in ihnen gebuddelt wird.