Hostel 2

Hostel: Part II

USA 2007 · 92 min. · FSK: ab 18
Regie: Eli Roth
Drehbuch:
Kamera: Milan Chadima
Darsteller: Lauren German, Roger Bart, Heather Matarazzo, Bijou Phillips u.a.
»Ziemliche Angst vor Frauen.«

Paninialbum der Pein

Horror­filme vertragen das Halb­be­wusste nicht. Sie sind packend, wenn sie wahre Albträume sind – ohne Einmi­schung des kalku­lie­renden Tages­ver­stands direkt aus den Tiefen des Unbe­ha­gens proje­zierte, in Bilder gefasste Ängste. Und sie sind großartig in den seltenen Fällen, wo die wahren Meister am Werk sind, die wirklich wissen, was sie tun; die gekonnt spielen mit den Projek­tionen und den Verun­si­che­rungen, welche diese speisen.

Aber schlimm wird es dann, wenn einer grade analy­tisch genug ans Werk geht, um sich Präten­tionen zu leisten. Wenn er glaubt, eine »Aussage« haben zu müssen, und diese dann in unab­sicht­li­chem Etiket­ten­schwindel auf ein halb­ge­go­renes Gebräu aus Unbe­wusstem und Abge­schmacktem pappt.

Es war nun Hostel ein reichlich armse­liger Film, aber auf seine verquere Art dadurch dann doch zugleich ein schön entlar­vendes Dokument US-ameri­ka­ni­scher Ängste und Zeris­sen­heiten in Zeiten des Post-9/11-Traumas. Hostel 2 ist auf eine andere, und leider noch uner­gie­bi­gere Weise, ein zwie­späl­tiges Werk.
Er geht bewusster, kontrol­lierter, absichts­voller zur Sache. In ihn hat sich weniger von der Großen Ameri­ka­ni­schen Vers­tö­rung geschli­chen. Zwar fallen in Hostel 2 nach wie vor erstaun­liche, und wohl nur aus US-Sicht vers­tänd­liche, Sätze wie »There are so few safe places left in Europe«. Und noch mehr als im Vorgänger wirken die gezeigten Europäer allesamt wie die Dorf­be­wohner in alten Universal-Horror­filmen.
Aber zum einen hat Eli Roth offenbar dazu­ge­lernt und mitbe­kommen, dass Osteuropa nicht einfach ein einziger, großer Balkan ist – auf einen der größten Heuler aus Hostel Bezug nehmend, wird diesmal dann immerhin doch erklärt, dass es in der Slowakei schon seit ein paar Jahr­zehnten keinen Krieg mehr gab.
Und zum anderen sorgt schon der Geschlech­ter­wechsel der Haupt­fi­guren – diesmal geht es um drei junge Frauen – für eine andere Dynamik, für eine Ikono­gra­phie, die kino-tradi­tio­nell weniger dazu angetan ist, eine Geschichte vom ameri­ka­ni­schen »JederMANN« zu erzählen.
Nein, nicht die Natio­na­lität steht diesmal im Vorder­grund, sondern die Ökonomie. Das vorgeb­liche und explizite Thema des Films ist der Wert des mensch­li­chen Lebens – nicht im ethischen Sinne, sondern in barer Münze.

Es steckt ein sehr inter­es­santer Film in Hostel 2 – aber wir bekommen von ihm leider nur wenige Szenen zu sehen. Es ist der Film über die Täter – die Kunden, die Betreiber, die Ange­stellten des Folter- und Mord­un­ter­neh­mens. Der Film über die Logistik dieses perversen Betriebs.
Von Anfang an führt diese Fort­set­zung nicht nur in altbe­kannter Slas­her­film-Routine der Leichen in spe ein, sondern erzählt auch die Geschichte zweier der Täter: Ameri­ka­ni­sche Geschäfts­männer – einer davon ein ganz auf den Rausch des Tötens, der ulti­ma­tiven Macht verses­senes Alpha­tier­chen, der zwei Opfer erstei­gert hat. Eins für sich, eins als Geschenk für seinen Freund – einen eher schüch­ternen Fami­li­en­vater, dem bei der ganzen Sache offen­sicht­lich nicht recht wohl ist.
Und diesmal hat der Film auch den ein oder anderen Seiten­blick übrig für die Leute, die in der Folter­fa­brik offenbar nicht mehr sehen als einen Arbeits­platz.
Dass wir von diesen (eigent­lich inter­es­san­testen) Geschichten nur Ansätze mitbe­kommen, wäre gar nicht so schlimm – auch die Andeutung kann ein wirksames Instru­ment sein. Schlimm ist, dass der Film in fast allen seinen anderen Aspekten nur damit beschäf­tigt ist, diese Ansätze zu unter­graben und zu entwerten.

Da ist zunächst Roths Unfähig­keit, für mehr als zehn Minuten am Stück einen einheit­li­chen Tonfall durch­zu­halten. Wobei es gar nicht darum geht, ihm einen durch­gän­gigen Bierernst vorzu­schreiben. Aber für jeden gelun­genen Moment absurden, schwarzen Humors (wie dem Bieter-Wett­streit um die neuen Opfer oder dem restau­rant-artigen Beeper, der den Kunden mitteilt, wenn das Folter-Freiwild ange­richtet ist) hat Hostel 2 zwei Szenen depla­zierter, unreifer Witzig­keit. Und es ist diese Bereit­schaft, für eine billige Pointe jederzeit alles Mitgefühl zu verraten, welche allen Ankla­ge­gestus gegen die angeb­liche Verrohung der Menschen nur schein­heilig wirken lässt.

Zumal es Roth mit dem Mitgefühl eh nicht so hat, wenn es denn ans Foltern geht. Eli Roth ist auch in seinem dritten Spielfilm anschei­nend immer noch nicht aus der Pubertät raus. Er hat – diese Fern­dia­gnose erlaube ich mir – nach wie vor ein massiv gestörtes Verhältnis zu Körpern, Leib­lich­keit, Sexua­lität, eine ziemliche Angst vor Frauen; in seinen Folter­szenen ist ein unge­sunder, schau­lus­tiger Sadismus am Werk.
Am offen­sicht­lichsten wird der in der ersten großen Mordszene – einem eindeutig von der Legende von der blut­rüns­tigen Gräfin Barthory inspi­rierten, buchs­täb­li­chen Blutbad. Minu­ten­lang weidet sich Roth hier daran, wie Lorna (Heather Matarazzo), eine der drei Prot­ago­nis­tinnen, nackt, gefesselt und geknebelt kopfüber an Ketten von der Decke hängt. Und hat alles poten­ti­elle Mit-Leid schon vorab negiert: Lorna ist den ganzen Film über nur eine Witzfigur, ein nerviges, neuro­ti­sches Mädchen, dem Hostel 2 nichts Liebens­wertes abge­winnen kann, für das er nur Spott übrig hat.

In dieser Figu­ren­zeich­nung wird zugleich aber auch Roths wohl größtes Problem offen­sicht­lich: Er scheint bisher unfähig, anders zu denken als in Film-Klischees. Sein Universum besteht nur aus Bildern aus zweiter Hand. Was zumindest erklärt, warum Quentin Tarantino (hier erneut Produzent) in ihm eine Art Geis­tes­ver­wandten zu sehen scheint. Nur eben, dass Roth ganz im Gegensatz zu Tarantino bei seinen Streif­zügen durchs Popkultur-Depot ziel­strebig alles im Regal liegen lässt, was den Vor-Bildern ihre Beson­der­heit, ihren Reiz, ihre Kraft gab.
Es gibt einen Moment, da hätte Hostel 2 wirklich das Potential, aus seinen abge­si­cherten Bahnen auszu­scheren. Doch diese fast finale Plot-Wendung (keine Angst, ich bin fair genug, sie nicht zu verraten) wird statt zur psycho­lo­gi­schen Entwick­lung lediglich zum spontanen Umspringen von einem Klischee zum anderen, noch banaleren, abge­schmack­teren.
Ein guter Horror­film lebt von der Verun­si­che­rung, Vers­tö­rung. Hostel 2 aber hat eine doppelte Sicher­heits­leine: Seine aufge­setzte, äußerlich bleibende »Botschaft« von der Schlech­tig­keit des Menschen. Und dass er – ein einziges Sammel­album der Abzieh­bilder – merklich weder diese Botschaft noch sonst etwas aus einer Anschauung der Welt, des Lebens, der Menschen gewonnen hat. Sondern bloß aus jahre­langem Konsum anderer Horror­filme.