Deutschland 2005 · 95 min. · FSK: ab 0 Regie: Christopher Buchholz, Sandra Hacker Drehbuch: Christopher Buchholz Kamera: Christopher Buchholz Schnitt: Jean-Marc Lesguillons |
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Doppelbödiges Familienidyll |
Weiße Räume, etwas Kunst hie und da. Ein schwarzweißes Sofa. Sonst Leere. »Es ist, als ob es ihn nie gegeben hätte«, sagt Christopher, der Sohn.
Leer scheint auch das Leben von Horst Buchholz gewesen zu sein, in seinen letzten Jahren. »Was machst Du wenn du nicht drehst«, fragt der Sohn. Das lange Schweigen spricht Bände. »Ich lese nicht mehr viel«, sagt Buchholz zögernd. Er schaut viel Quatsch im Fernsehen an. Geht essen, weil er nicht kochen kann. Manchmal mit Freunden, oft allein. »Warum gehst Du nicht öfter unter Leute?«, fragt der Sohn. »Déjà vu« – sagt Horst Buchholz. Alles schon gesehen. Horst Buchholz: Einer der schnell gelebt hat, ohne jung zu sterben.
Anrührende Super acht Momente aus dem Familienalbum: Buchholz unter Wasser im Pool mit seinem kleinen Sohn. Buchholz am Strand lässt das Badetuch flattern wie ein Matador, albert mit seiner kleinen Tochter. Nun ist er Ende sechzig und sieht aus wie achtzig. Die weißeste Lächeln der Filmgeschichte ist nikotingeschwärzt. Der Körper ausgemergelt, vorzeitig gealtert durch den Alkohol. Und doch blitzt er immer wieder auf, der unwiderstehliche Charmeur. Eine Gabe, mit der er die anderen auch immer auf Distanz hält. Unangenehmen Fragen weicht er aus, mal elegant, mal bockig, manchmal aggressiv. »Ich geh jetzt mal eine Kleinigkeit essen«, sagt Buchholz, und entfleucht einmal mehr der Kamera.
Eigentlich sind es zwei Filme in einem: Der von Christoph Buchholz ist der Versuch einer Annäherung an den Vater und eine kritische Liebeserklärung. Der andere stammt von Co-Regisseurin Sandra Hacker: Ein Film, der das Ringen des Sohnes beobachtet – und sein Scheitern.
Wo Horst Buchholz sich verweigert, lassen die Regisseure Filmausschnitte sprechen. Vor allem die Rolle des Hochstaplers Felix Krull scheint ein passendes Alter ego zu sein: Der unwiderstehlich charmante Herzensbrecher, der bisexuelle Betörer. »Wenn Du die Welt liebst, wird sie dich lieben« hat Thomas Mann seinem Hochstapler in dem Mund gedichtet. Horst Buchholz hat sie geliebt – und sie ihn.
Am 03. März 2003 stirbt Buchholz überraschend an einer Lungenentzündung. Doch für Christopher Buchholz ist die Suche nach dem Vater nicht zuende. Und so gerät der Film zur Trauerarbeit.
Christopher befragt seine Schwester Beatrice, »Hottes« Schwester in Berlin und vor allem seine Mutter. »Er hat sich für einen Gott gehalten« berichtet Myriam Bru, selbst Schauspielerin, die der damals 20 jährige heiratete. »Ihm fiel alles viel zu leicht«, erklärt sie. Und dass weniger Talent mitunter besser sei, weil man sich mehr anstrengen müsse.
Unentwegt balanciert die Dokumentation zwischen Tragödie und Komödie: »I will take you as my awfull husband« hatte Myriam sich beim Ehe-Gelübde versprochen und anschließend die Hochzeitsnacht auf dem Fußboden verbracht. Einstand einer Ehe, die sie dennoch als zu 90 Prozent glücklich beschreibt. Seine vielen Affären hat sie mit französischer Contenance ertragen, doch dass er sich um sein Talent betrog, konnte sie ihm nicht verzeihen. Und so schlägt Buchholz auf dem Höhepunkt seiner Karriere die wahrhaft großen Rollen aus. Kazan erteilt er ebenso eine Abfuhr wie Fellini. Den Leopard dreht nun Alain Delon. Als Viskontis Assistenz ihn für Rocco und seine Brüder um ein Foto in Badehose bittet, antwortet er: »Tell him to go and fuck himself.« Tragödie eines begabten Menschen
Seine größten Momente findet der Film immer dann, wenn geschwiegen wird. »Vermisst Du ihn?« fragt Christopher Buchholz seine Mutter. »Je ne dit rien – darüber spreche ich nicht«, sagt sie – das sei privat. »Er war un monstre sacré«, sagt sie nur über ihren Mann. Und dann lächelt sie. Und man selbst möchte am liebsten heulen.