USA 2003 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Ron Shelton Drehbuch: Robert Souza, Ron Shelton Kamera: Barry Peterson Darsteller: Harrison Ford, Josh Hartnett, Lena Olin, Bruce Greenwood u.a. |
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Ford fährt Fahrrad für Hollywood |
Zwei Polizisten, ein alter Fuchs und ein unerfahrener Anfänger ermitteln in einem Mordfall. Wie oft hat man das schon im Kino gesehen? Trotzdem begegnet man dieser Kombination des Kriminalfilm-Buddy-Movies in jedem Jahr mehrfach im Kino – offenbar bietet sie weiterhin prinzipiell einen attraktiven Rahmen, um verschiedenste Atmosphären zu erzeugen, Konflikte zu inszenieren und Geschichten zu erzählen. Dass es im jeweiligen Fall funktioniert, hängt freilich sehr stark davon ab, ob Regisseur und Autor vermögen, im Altbekannten originell zu werden, und etwas Neues zu bieten.
Schon in seinem letzten Film, Dark Blue, der erst vor einigen Wochen in die deutschen Kinos kam, ist dies Regisseur Ron Shelton (White Men Can’t Jump) erstaunlich gut gelungen. Auf den Spuren von James Mangolds Cop Land wanderte der Film, inspiriert von einer James
Ellroy-Short-Story, in die mythischen Urgründe des amerikanischen Polizeifilms, um sie gründlich auseinander zu nehmen: Ein illusionsloser, düsterer Film, der harte Sozialkritik in Form einer straighten Kriminalstory bot.
Mit Hollywood Homicide – bei dem wie in Dark Blue Robert Souza als Co-Autor beteiligt ist – liefert Shelton nun das helle Gegenbild
nach: Der gleichfalls in Los Angeles angesiedelte Film ist fast eine heitere Komödie, ohne dass der pessimistische Sarkasmus, gelegentlich Zynismus (in seiner sympathischsten Variante), die realistische Klarsichtigkeit gegenüber ethischen Defiziten, die Dark Blue dominierten, hier ganz fehlen würde. Richtete sich die offene Kritik dort gegen die Institutionen, gilt der Blick hier,
weitaus milder und nachsichtiger, den Individuen im System. Hollywood Homicide kombiniert ernsthafte Spannung und gelegentliche Szenen roher Gewalt mit viel humoristischen Elementen und grundsätzlichem Hang zum satirischen Spiel mit Genre-Klischees. In dieser Verbindung erinnert der Film übrigens an manche Werke Alfred Hitchcocks – und daran, dass man so etwas in den letzten Jahren gar nicht oft gesehen hat. Wieder schafft es Shelton, dem
scheinbar ausgereizten Genre Neues abzugewinnen.
Einleitend sieht man die beiden Polizisten bei einer Schießübung. Mit aller Routine des erfahrenen Cops trifft Joe Gavilan (Harrison Ford) mit jedem Schuss ins Schwarze, während bei K.C. Calden (Josh Hartnett) alles daneben geht. Gavilan kann es nicht mit ansehen – bei der nächsten Runde schießt er auf die Zielscheiben seines Partners. Ohne Worte charakterisiert der Auftakt bereits die Lehrer-Schüler-Beziehung, zugleich den nicht wirklich realistischen Humor des Films, der
immer leicht »over the top« liegt.
In der nächsten Szene geht es ähnlich weiter: Das Ermittlerpaar wird zum Schauplatz eines Mordes gerufen; im Hip-Hop-Milieu wurde eine vierköpfige Band regelrecht hingerichtet. Die Aufklärung dieser Bluttat bildet den Rahmen, in dem die Handlung nun verläuft. Kaum angekommen bestellt sich Gavilan während er Spuren sichert, erst mal einen Hamburger, dann dauert es nur wenige Sätze, bis er versucht, einem Hauptzeugen der Tat ein Haus zu verkaufen
– im Nebenjob, der eigentlich seine Hauptbeschäftigung ausmacht, arbeitet Gavilan nämlich als Immobilienmakler. An drei Ex-Frauen muss er schließlich Alimente zahlen, zudem die Zinsen für sein eigenes Haus... Die Maklergeschäfte, die Gavilan fortwährend von der Ermittlungsarbeit ablenken, das ständige Klingeln seines Handys, mit dem er selbst während eines Polizeiverhörs seine Deals abwickelt, bilden einen von mehreren vielfach variierten Running-Gags des Films.
Zugleich ist dies ein unverhüllter sozialer Kommentar zur Lage der schlecht bezahlten Angehörigen des LAPD. Auch Calden ist mit vielem anderen stärker beschäftigt, als mit seinem Job. Denn eigentlich möchte er Schauspieler werden. »Es ist meine Berufung«, erklärt er dem älteren Partner – der antwortet verständnislos: »Bist Du schwul?« Trotzdem üben beide selbst während einer Verfolgungsjagd Passagen aus A Streetcar Named Desire, in dem Calden in einem
Off-Off-Theater den Marlon-Brando-Part spielen will, und Gavilan in einer Szene die Rolle der Blanche übernehmen muss. – »Wer schreibt solchen Mist?« fragt er.
Derartige trockene Sätze aus dem Mund von Harrison Ford sind schon für sich genommen ein Genuss. Sein Auftritt ist hervorragend. Ohne den einstigen Action-Star völlig vergessen zu lassen, spielt Ford voller Selbstironie mit dessen Altern, und bringt dabei sein fast vergessenes komödiantisches Talent mit Macht in Erinnerung. Ford ist relaxed, lakonisch und hellwach, zugleich erinnert er in seiner zerknautschten Überforderung an Peter Falks Auftritte als »Columbo«. Harnett kann
hier nicht immer mithalten.
Doch beide Darsteller und ihre Figuren funktionieren zusammen ausgezeichnet – auch weil der Film in erster Linie ein Portrait der Stadt Los Angeles und des Hollywood-Lebensgefühls ist: Der naiv-optimistische, immer zögerliche und irgendwie passive Calden, der außer seiner Bühnenambition auch noch einen Nebenjob als Yoga-Meditationslehrer hat – und jeden Tag eine neue Schönheit mit ins Bett nimmt –, verkörpert sozusagen die New
Age-Spiritualität, das Späthippietum, das diese Metropole ebenso prägt, wie der Geschäftssinn des zupackenden Gavilan, der in jedem Menschen, dem er begegnet – und sei es ein Mordverdächtiger – zuallererst einen potentiellen Kunden und einen möglichen Deal sieht. Im gegenseitigen Unverständnis und der uneingestandenen Faszination füreinander repräsentieren Gavilan und Calden präzis und doch satirisch überzeichnet beide Seiten der »City of Quartz«, die
Shelton in all ihrer Hysterie, ihrer Mischung aus Ehrgeiz, Neid und unerfüllten Sehnsüchten aufs Korn nimmt.
Der Film ist angefüllt mit Hollywood-Insider-Witzen, ebenso voller Cameo-Auftritte bekannter Stars – Martin Landau ist als greiser Produzent zu sehen, der sein Haus verkaufen muss, Lolita Davidovich als Kopie der »Hollywood Madam« Heidi Fleiss, Lou Diamond Philips als Undercover-Polizist im Transvestitenkostüm, mehrere bekannte schwarze Musiker und auch Robert Wagner
als sie selbst.
Filmisch erfrischend intelligent ist schließlich die Inszenierung dreier Verfolgungsjagden, seit jeher eine der schwierigsten, weil schnell langweiligsten Abschnitte solcher Filme. Sehr kreativ und voller Tempowechsel gelingen Shelton mehrere so amüsante wie elegante Passagen, die man tatsächlich in dieser Form noch nicht gesehen hat. Ob eine Verfolgung auf dem Tretboot oder auf einem rosa Kinderfahrrad, Hollywood Homicide mischt auch hier Witz und
Spannung in perfekter Nonchalance.
Das wichtigste bei diesem lässigen, intelligenten, klar überdurchschnittlichen Stück Kinounterhaltung aber bleiben auch hier die Dialoge: als Calden die halsbrecherische Jagd in einem Wagen aufnimmt, in dem auch noch eine Mutter mit ihren Kindern sitzt, schreit diese panisch: »Wir sterben!«. »Ja,« antwortet Calden bei Tempo 150 in Erinnerung an seine Meditationskurse, »Irgendwann müssen wir alle sterben, aber...«