USA 2000 · 110 min. · FSK: ab 16 Regie: Paul Verhoeven Drehbuch: Andrew W. Marlowe Kamera: Jost Vacano Darsteller: Elisabeth Shue, Kevin Bacon, Josh Brolin, Kim Dickens u.a. |
Paul Verhoeven dreht B-Pictures. Seit seinem Durchbruch in Hollywood, seit Robocop, sind sie zwar teurer geworden, kommen entsprechend aufwendiger daher, und ab und zu spielt ein richtiger Star mit (obwohl Verhoeven es offenbar möglichst vermeidet, auf einen Douglas oder Schwarzenegger angewiesen zu sein). Unter all dem Putz sind sie jedoch vor allem eines geblieben: dreckige kleine Genrefilme, hübsch spekulativ und stets ein bißchen geschmacklos. Verhoeven wäre, trotz Hays-Code, einer gewesen für das Studiosystem der Vierziger. Hier hätte er ohne Finanzierungs-Zwangspausen arbeiten können, hätte Kriegsfilme gedreht, Films Noir, nach Lust und Laune, und vielleicht hätte er die sogar Grenzen des Akzeptablen und Darstellbaren ein wenig verschoben (daß es ihn auch und gerade damals von Holland nach Hollywood verschlagen hätte, ist ja nicht einmal unwahrscheinlich.) Statt dessen lebt Paul Verhoeven heute und dreht Hollow Man, nicht von ungefähr eine Variation der Invisible Man-Reihe aus jener Zeit, als Horrorfilme noch im Double Feature liefen.
Nach dem Bombast von Starship Troopers kommt Hollow Man als Kammerspiel daher, kühl und elegant ins Bild gesetzt von Jost Vacano, Verhoevens kongenialem Weggefährten. Hauptschauplatz: Ein geheimes Labor unter einer Lagerhalle in Washington, vollgestopft mit allerlei High Tech. Charaktere: Ein Forscherteam, das hier im Auftrag des Pentagon mit einem Mittel experimentiert, das, in die Adern gespritzt, unsichtbar macht. Mit Versuchstieren klappt das schon ganz gut, wie die scheinbar leeren Käfige beweisen, in denen es kräftig rumpelt. Nur die Umkehrung des Prozesses will noch nicht gelingen, und die hohen Herren im Pentagon werden ungeduldig (daß die Versuchsaufnahmen, die ihnen vorgeführt werden, höchst altmodisch auf Film gebannt sind, ist ein nettes Detail). Dabei ist das Problem schon längst gelöst, doch Sebastian Caine (Kevin Bacon), der Projektleiter, hält den Durchbruch geheim, den er in nächtelanger zermürbender Arbeit erzielt hat. Er fürchtet, nicht zu Unrecht, daß man ihm sein Werk aus der Hand nehmen würde – und was das Militär damit vorhätte, das deutet Verhoeven nur an, das gäbe Stoff für einen ganz anderen, vielleicht interessanteren Film.
Dieser Caine ist ein Workaholic und genialer Chemiker. Vor allem aber ein geltungssüchtiger Egozentriker, der seinen Gott-Komplex offen vor sich herträgt und andere Menschen nur erträgt, wenn sie »in seinem Licht scheinen«, wie Linda es einmal ausdrückt – Caines Kollegin und ehemalige Geliebte, bis sie es nicht mehr aushielt. Jetzt ist er eifersüchtig und verbittert, denn keiner mag ihn, und die Nächte sind lang, wenn man alleine am Computer sitzt. Dieses Ekelpaket also ist unsere Hauptfigur, hero und villain zugleich, wobei die böse Seite zunehmend in den Vordergrund tritt. Hollow Man betont besonders den Jekyll & Hyde-Aspekt des Invisible Man-Motivs: Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, unsichtbar zu sein? Es sind nicht immer die anständigen Fantasien, die man gerne ausleben würde.
Caine spritzt sich das Mittel selbst, und Kevin Bacon ward nie mehr gesehen. Jetzt hat er freie Hand, begnügt sich nicht lange mit versteckten Coladosen und heimlichen Beobachtungen auf der Damentoilette, lernt schnell, schlimme Dinge zu tun. Als schließlich die Rückverwandlung fehlschlägt, findet er sich mit seinem Zustand ab und entkommt der Kontrolle seiner zu Recht mißtrauischen Kollegen. Die hübsche Nachbarin, die sich immer so aufreizend am erleuchteten Fenster ausgezogen hat, bekommt seine Frustration zu spüren. Obwohl diese Szene stark gekürzt scheint, ist sie das eigentliche Zentrum des Films. Hollow Man ist, jedenfalls zunächst einmal, eine Geschichte über Männerphantasien und das Potential zur Grausamkeit, das in uns allen steckt. Und es ist ein Film, der damit spielt, daß wir nicht alles sehen können – obwohl das Kino doch gerade dies immer vorgibt.
Seit Sharon Stone die Beine kreuzte, zwischen denen anschließend Michael Douglas sein Gesicht vergrub, gilt Verhoeven in Hollywood als Experte für Schweinereien, wie man sie einem Europäer immer noch eher zutraut. Bei Starship Troopers stellten sich die (amerikanischen) Darsteller in der Duschszene so prüde an, daß Verhoeven und Vacano erst selbst die Hosen runterlassen mussten. In Hollow Man bietet er – schockschwerenot! – full frontal nudity. Oder das, was man in Hollywood dafür hält. Zwar ist Kevin Bacons bestes Stück schon bekannt aus Wild Things und hier nur in einer Thermoprojektion kurz im Bild, sorgt aber mit Sicherheit bei einigen US-Zuschauern ebenso für Aufsehen wie die (computeranimierte?) Brustwarze der Kollegin, der Caine im Schlaf die Bluse aufknöpft. Zugegeben, das alles ist kein Beweis für die Qualität von Hollow Man. Es zeigt aber, daß Verhoeven noch immer gerne Anstandsgrenzen verletzt.
Unsichtbarkeit bliebe Behauptung, wenn nicht immer wieder ihre Auswirkungen vor Augen geführt würden. Die Spezialeffekte sind das Aushängeschild des Films und haben wieder einmal den Großteil des Budgets verschlungen. Obwohl man sich an computermanipulierte Bilder längst gewöhnt hat, ist das Resultat beeindruckend. Es bleibt nicht bei schwebenden Gegenständen und Kleidungsstücken ohne Inhalt. Caine bekommt eine Latexmaske angepasst (deren leere Augenhöhlen besonders gut wirken, wenn eine Lampe hineinleuchtet), darf sich übergeben und wird effektvoll wieder sichtbar in Regen, Wasserdampf, Swimmingpool und lodernden Flammen. Doch am aufregendsten ist das Unsichtbarwerden und Wiedererscheinen selbst. Da wird einem unsichtbaren Gorilla ein Serum gespritzt, breitet sich in der Blutbahn aus, wird vom Herzen weitergepumpt, und Schicht um Schicht, Organ um Organ, baut sich der Körper auf, bis Haut und Haare das Werk vollenden. Caine dagegen löst sich vor unseren Augen in seine Bestandteile auf. Diese Bilder haben die morbide Faszination medizinischer Präparate. Die Effekte mögen digital sein, doch bei diesen Körperwelten gibt es nicht nur sichtbar oder unsichtbar.
Eine derart differenzierte Zeichnung hätte auch der Figur des Caine und damit dem ganzen Film gut getan. Als er entdeckt, daß Linda ein Verhältnis mit seinem Kollegen und Rivalen hat, dem gutaussehenden und besonders langweiligen Josh Brolin, tickt er endgültig aus. Vorbei ist es mit der Ambivalenz und den Zweideutigkeiten. Cains Wandlung zum Monster wird verdeutlicht, indem der Unsichtbare einen unsichtbaren Hund massakriert. Es folgt ein wenig origineller und manchmal unfreiwillig komischer Aliens-Klon im hermetisch abgeriegelten Labor. Der Film hätte ein besseres Finale verdient als dieses aus Versatzstücken zusammengeklaubte Action-Routinestück, bei dem Linda schließlich in Sarah Connor-Manier ihre Nemesis zur Strecke bringen darf. Aber vielleicht wäre das zuviel verlangt gewesen. Hollow Man würde eine prima Videopremiere abgeben, und das ist auch nichts Schlechtes.