USA 2006 · 126 min. · FSK: ab 12 Regie: Allen Coulter Drehbuch: Paul Bernbaum Kamera: Jonathan Freeman Darsteller: Adrien Brody, Ben Affleck, Diane Lane, Bob Hoskins, Lois Smith u.a. |
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Dunkles Hollywoodgeflüster |
Auch Supermänner sind sterblich. Diese vom Kino nicht immer respektierte Tatsache bildet den Ausgangspunkt von Hollywoodland, dem Leinwanddebüt des Fernsehroutiniers Allan Coulter.
»Superman Kills Self« so hieß jene Schlagzeile, die sich in die Erinnerung vieler, die 1959 jung waren, eingeschrieben hat. Vor knapp 50 Jahren, am 16. Juni 1959 wurde der Schauspieler George Reeves in seinem Haus in den Bergen von Los Angeles mit einer Kugel im Kopf tot
aufgefunden. Es war genau in jener Zeit, als »Hollywoodland« schon von einem anderen gewaltsamen Todesfall erschüttert wurde: Ein Jahr zuvor hatte Lana Turners Tochters Cheryl, jahrelang von Lex Barker, dem Ehemann ihrer Mutter mißbraucht, deren neuen Lover, den Gangster Johnny Stompanato, in Notwehr mit einem Küchenmesser erstochen. Damit verglichen war Reeves Fall zwar in jeder Hinsicht glanzlos. Aber trotzdem sorgte er für Aufsehen.
Reeves, geboren 1914, debütierte zwar an der Seite von Vivien Leigh in der allerersten Szene von David O. Selznicks Gone with the Wind, doch der Durchbruch in der Traumfabrik misslang, und so musste er sich mit kleinen Auftritten über Wasser halten. Erst Anfang der 50er wurde er ein früher Star des beginnenden Fernsehzeitalters: Unter anderem wohl durch die Beziehungen seiner Geliebten Toni Mannix, der Frau des MGM-Tycoons Eddie Mannix, wurde er der erste »Superman« im gleichnamigen landesweit bekannten TV-Straßenfeger. Durch die Serie wurde Reeves – er hieß wirklich genau so, wie sein bekanntester Nachfolger Christopher Reeves – populär und wohlhabend, doch litt er darunter, mit diesem TV-Erfolg endgültig für Kinorollen »verbrannt« zu sein. Es folgte die Kombination aus Altern, Depression und Alkohol, die man aus den Biografien vieler Stars kennt, die ihren Karrieregipfel überschritten haben. Reeves' offizielle Todesursache Selbstmord hat daher einige gute Gründe für sich, doch manche Indizien, die auf Mord hindeuten, bleiben bis heute unwiderlegt, und machen diesen Tod zu einem der mysteriösesten unter den vielen spektakulären Todesfällen Hollywoods. Soweit die Fakten, die die Basis dieses Films bilden.
Die Fiktion beginnt mit der Todesnachricht und dem ehrgeizigen, aber eher erfolglosen Privatdetektiv Louis Simo, der aus Polizeikreisen den Tipp erhält, etwas sei faul an der Selbstmordtheorie. Geschickt gewinnt er Reeves' Mutter als Auftraggeberin und wirbelt mit seinen Nachforschungen schnell eine Menge Staub auf. Immer tiefer dringt er im Zuge seiner Recherchen ein in ein Netzwerk voller Geheimnisse – die dunkle Wahrheit des Showbiz. Im Wechselspiel aus Simos Ermittlungen und längeren Rückblicken auf Reeves' letztes Lebensjahrzehnt, zeichnen Coulter und sein Drehbuchautor Paul Bernbaum ein dichtes Portrait der Spätphase von Hollywoods goldener Ära.
Im Sujet wie in seiner Erzählweise, den aufgefächerten, in Rashomon-Struktur sich gegenseitig widerlegenden und das Ganze weiterführenden Rückblicken und in seinem düster-mysteriösen Grundton erinnert Hollywoodland – der Titel ist analog zum berühmten meterhohen Schild auf den Hügeln von L.A. gewählt – an einige Klassiker der Hollywoodselbstreflexion, etwa an Sunset Blvd., der offen in Dialogzeilen und einer kurzen Szene von Reeves mit »Billy Wilder« anzitiert wird; auch an Vincente Minellis The Bad And The Beautiful. Dass Hollywood ein gnadenloser Ort ist, der nur die Gegenwart kennt und seine eigenen Geschöpfe am Ende wieder auffrisst, gilt dabei als ausgemacht. Am gelungensten ist Hollywoodland in der Entfaltung dieser Ambiguität: Denn die Menschen, die hier zu sehen sind, sind keine Opfer – es sei denn die ihrer eigenen Träume und Illusionen. Sie haben sich auf die Härte des Filmgeschäfts, auf den Preis, den es fast zwangsläufig kostet, eingelassen – in der Gier nach einer außerdurchschnittlichen Existenz, nach Reichtum und Teilhabe am Leben der Schönen, Mächtigen, »oberen Zehntausend«; in der vagen, aber immerhin nicht völlig unrealistischen Hoffnung auf Startum, Anerkennung und auf eine Berühmtheit, die jene sprichwörtlichen »15 Minuten« im Rampenlicht, die nach Warhol einem jeden zukommen, überdauert. Womöglich sogar den eigenen Tod – das immerhin ist auch George Reeves gelungen.
Eindringlich verkörpert Ben Affleck diesen Reeves. Der Auftritt ist gerade deshalb so gelungen, weil Affleck selbst ein zwar charmanter, aber auch hölzerner und immer etwas eitel wirkender Darsteller ist, der diese Attribute hier subtil in den Dienst der Rolle stellt. Zudem ist in diesem Part auch das eigene Schicksal Afflecks präsent, als gescheiterter Daredevil-Darsteller, der als zeitweiliger Jennifer-Lopez-Lover mehr Schlagzeilen machte, als mit all seinen Kino-Auftritten zusammen. In den Schatten gestellt wird er aber durch Diane Lane, den heimlichen Star des Films. Als Reeves ältere Geliebte und reiche Gönnerin Toni Reeves verwandelt sie diesen Thriller überaus würdevoll in einen Film über Glamour und Verzweiflung, über das Altern und die Sehnsucht nach Jugend.
Zugleich fügt sich Hollywoodland auch in die derzeitige breite Renaissance von Film-Noir-Motiven. Ähnlich wie in Brian De Palmas Black dahlia und in Lonely Hearts von Todd Robinson wird ein realer spektakulärer Kriminalfall zum Ausgangspunkt für das Portrait einer ganzen Epoche. Virtuos mischt Coulter dabei Tatsachen und Erfindung. Elegant und voller Nostalgie inszeniert, getragen von wunderbaren Darstellern, fehlt zwar die letzte Vielschichtigkeit und Abgründigkeit der Black dahlia, doch ist das Ergebnis gleichwohl überzeugend: Ein Panorama des Hollywood der 50er Jahre voller Charme und Verstand, des Augenblicks, in dem das Fernsehen seine Macht über und gegen das Kino zu entfalten beginnt, aktuell auch durch die untergründige Depression inmitten des schönen Scheins. Und eine Reflexion der ebenfalls allzu sterblichen Kombination von »Truth, Justice and the american way«, mit der einst für »Superman« geworben wurde.