I, Frankenstein

USA/AUS 2013 · 93 min. · FSK: ab 12
Regie: Stuart Beattie
Drehbuch:
Kamera: Ross Emery
Darsteller: Aaron Eckhart, Bill Nighy, Yvonne Strahovski, Miranda Otto, Socratis Otto u.a.
Unironisches, liebloses Flickwerk

Filmische Leichenfledderei

Um den eigenen Apparat stetig am Laufen zu halten, benötigt die Film­in­dus­trie vor allem eines: neue Stoffe. Wobei neu nicht immer neu bedeuten muss. Auch alte Geschichten können neue Stoffe inspi­rieren. Das hat die Kino­ma­schi­nerie schon früh erkannt. Wieder­käuen ist lohnens­wert und spart nicht selten Denk­ar­beit. Ganz besonders eignen sich etablierte Marken und Klassiker für eine Wieder­be­le­bung. Die breite Masse kennt sie, liebt sie viel­leicht. Und verbindet mit ihnen sofort konkrete Vorstel­lungen. Zu den wohl belieb­testen Recycling-Opfern der Film­ge­schichte zählt ohne Frage Mary Shelleys „Fran­ken­stein oder Der moderne Prome­theus“, wie der im 19. Jahr­hun­dert veröf­fent­lichte Horror­roman mit vollem Titel heißt. Unzählige Male diente er als Vorlage für werk­ge­treue Adap­tionen oder Abwand­lungen, die sich des Figu­ren­per­so­nals und der grund­le­genden Konflikt­si­tua­tion bemäch­tigten. Verwun­dern muss der Erfolg von Shelleys Werk keines­wegs, handelt es doch von univer­salen Themen: der Hybris des fort­schritt­li­chen Menschen und der Schwie­rig­keit, als Außen­seiter seinen Platz in der Welt zu finden.

Anknüp­fungs­punkte, die auch die austra­lisch-ameri­ka­ni­sche Kopro­duk­tion I, Fran­ken­stein (Grundlage ist eine gleich­na­mige Graphic Novel) begierig aufsaugt, aller­dings recht schnell in ein effekt­ge­la­denes Fantasy-Universum überführt: Das von Victor Fran­ken­stein aus Leichen­teilen erschaf­fene Wesen (Aaron Eckhart) fühlt sich von seinem Schöpfer verstoßen und tötet aus Rache dessen Ehefrau. Der Wissen­schaftler heftet sich daraufhin an die Fersen des Monsters, findet in klir­render Kälte aller­dings den Tod. Nach diesem Ereignis irrt die unsterb­liche Kreatur, die mitt­ler­weile den Namen Adam trägt, auf einsamen Pfaden umher. Abseits der mensch­li­chen Gesell­schaft. Und verzwei­felt auf der Suche nach der eigenen Identität. Ein paar bedeu­tungs­schwan­gere Voice-Over-Kommen­tare reichen den Machern aus, um dieses Dilemma auf den Punkt zu bringen. 200 Jahre nach vorne zu springen. Und damit den Vorhang für das eigent­liche Spektakel aufzu­ziehen. Denn in einer düsteren Gegenwart findet sich Adam plötzlich in einem erbit­terten Krieg zwischen über­na­tür­li­chen Mächten wieder. Der gute Gargoyle-Orden steht einem gefähr­li­chen Dämonen-Clan gegenüber, der nichts Gerin­geres als die Vernich­tung der Mensch­heit plant.

Reichlich starker Tobak, der mehrfach mit Versat­zs­tü­cken aus der ursprüng­li­chen „Fran­ken­stein“-Geschichte ange­rei­chert wird. So gibt es auch in der Jetztzeit eine ehrgei­zige Wissen­schaft­lerin (Yvonne Stra­hovski), die unheil­volle Expe­ri­mente an Leichen durch­führt. Dummer­weise jedoch im Auftrag des Ober-Dämonen Naberius (sehr thea­tra­lisch: Bill Nighy), der Adams Auftau­chen als einen Finger­zeig des Schick­sals betrachtet. Derartige Spie­ge­lungen klas­si­scher Elemente hätten dem hane­büchenen Story-Quark durchaus etwas mehr Substanz verleihen können, bleiben aber bloße Lücken­füller. Einge­schoben zwischen Kampf­szenen und salbungs­volle Unter­gangs­reden.

Fran­ken­steins tragi­scher Kreatur ergeht es nicht anders. Auch wenn Adam zwischen­durch daran erinnern darf, dass ihn seine wider­na­tür­liche Herkunft zu einem Verdammten macht, kommen seine Aussagen zumeist nicht über den Status einfacher Zustands­be­schrei­bungen hinaus. Es sind platte Hinweise, die gele­gent­lich fallen müssen, um den Zuschauer an den vermeint­lich ernst­haften Gehalt der Geschichte zu erinnern. So sehr Aaron Eckhart auch als unver­wüst­li­cher Dämo­nen­schlächter Präsenz beweist, steht er auf verlo­renem Posten, was die innere Ausleuch­tung seiner Figur betrifft. Das Drehbuch ist daran schlichtweg zu wenig inter­es­siert.

Hatte man erzäh­le­ri­sche Defizite ange­sichts der reiße­ri­schen Prämisse bereits einkal­ku­liert, muss es umso mehr verwun­dern, dass das Fantasy-Spektakel selbst auf seinem bevor­zugten Betä­ti­gungs­feld eine Bruch­lan­dung hinlegt. Der an die Under­world-Saga erin­nernde düster-gotische Look kehrt zwar die Unter­gangs­stim­mung der Handlung nach außen, bietet darüber hinaus aber keinen nennens­werten Mehrwert. Was vor allem daran liegt, dass das Szenen­bild immer wieder zu einem Einheits­brei verschwimmt und die Spezi­al­ef­fekte derart haus­ba­cken daher­kommen, dass sie die Groß­pro­duk­tion optisch wie ein mittel­präch­tiges Compu­ter­spiel aussehen lassen.

Ein episches Ausmaß will sich vor diesem Hinter­grund erst gar nicht einstellen. Und doch wird dem Zuschauer ständig unter die Nase gerieben, dass der seit Jahr­hun­derten ausge­tra­gene Kampf zwischen Gargoyles und Dämonen über das Schicksal der Welt entscheiden soll. Die Menschen spielen dabei, obwohl es um ihre Rettung geht, keine wesent­liche Rolle und müssen das Feld den Abzieh­fi­guren aus dem Fantasy-Reich über­lassen. Erstaun­li­cher­weise meint der Film all dies voll­kommen ernst. Ohne einen Anflug von Ironie lässt Regisseur Stuart Beattie seine ikonische Titel­figur in den Kampf gegen die Dämonen ziehen und auf diese Weise seine Bestim­mung finden. Der Weg zum eigenen Ich als betont grimmiges Super­helden-Epos, das diesen Namen nicht wirklich verdient.

Im Rückblick hält I, Fran­ken­stein dann aber doch noch eine ironische Note bereit: Während der Prot­ago­nist seine zersprengte Identität am Ende zu einem einheit­li­chen Bild zusam­men­fügen kann (und damit seine mensch­liche Seite entdeckt), bleibt der Film auch über die letzten Einstel­lungen hinaus ein liebloses Flickwerk. Die arme Mary Shelley hätte diese Neuin­ter­pre­ta­tion ihres Stoffes sicher sprachlos gemacht.