Großbritannien/USA 2014 · 114 min. · FSK: ab 12 Regie: Morten Tyldum Drehbuch: Graham Moore Kamera: Óscar Faura Darsteller: Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Rory Kinnear, Allen Leech u.a. |
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Gefangener seiner falschen Existenz: Alan Turing |
Eine interessante Beschreibung der Protagonisten von The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben liefert Nebendarsteller Matthew Beard im Presseheft zum Film, wo von schrägen Superhelden in Tweed und Anzügen die Rede ist. Eine durchaus zutreffende Feststellung, immerhin befasst sich die erste englischsprachige Regiearbeit des Norwegers Morten Tyldum mit einer Gruppe exzellenter Wissenschaftler, die während des Zweiten Weltkriegs eifrig an der Entschlüsselung des deutschen Nachrichtenverkehrs arbeiten. Im Fokus steht dabei der britische Mathematiker Alan Turing, der sich in 1950er Jahren als Homosexueller schweren Repressalien ausgesetzt sah, die ihn wahrscheinlich in den Selbstmord trieben. Ein tragischer Held, wie gemacht für Hollywood und die Oscar-Nacht, bei der das Biopic gleich in acht Kategorien an den Start gehen wird.
Erzählerisch gliedert sich das aufwühlende Porträt in drei unterschiedliche Zeitstränge, die dem Publikum nicht nur das Genie Turing, sondern auch den Menschen dahinter nahe bringen wollen. Während der Hauptplot in Thriller-Form die verzweifelten Versuche der Spezialisten-Crew darstellt, den deutschen Enigma-Code zu knacken, transportieren uns Rückblenden wiederholt in die Schuljahre der Hauptfigur und bebildern eine aufkeimende Freundschaft zu einem Klassenkameraden. Gerahmt wird all das von einer Handlungslinie, die im Jahr 1951 spielt und ein folgenreiches Polizeiverhör zeigt, dem sich Turing widerwillig unterzieht.
Am wenigsten eindrücklich ist letztgenannte Ebene, die sich recht unverhohlen als das zu erkennen gibt, was sie ist: ein dramaturgischer Kniff, der den erschütternden Schlusspunkt vorbereitet. Turings Erinnerungen an seinen Schulfreund wiederum verdeutlichen auf dezente, nie aufdringliche Weise den Beginn seiner inneren Zerrissenheit, konnte er sein Interesse an Männern doch nie offen ausleben, da in England Homosexualität bis 1967 unter Strafe stand. Etwas schade ist in diesem Zusammenhang, dass Tyldum und Drehbuchautor Graham Moore (verfasste sein Skript auf Grundlage der Turing-Biografie von Andrew Hodges) das Schwulsein des Protagonisten im Hauptstrang häufig nur verdruckst und in Nebensätzen thematisieren. Das will nicht ganz passen zu der Liberalität, die The Imitation Game ansonsten propagiert.
Bemerkenswert ist hingegen, wie es dem Film gelingt, seine äußerst dramatische Geschichte mit humorvollen Tönen aufzulockern. Anstatt Betroffenheitskino in Reinform abzuliefern, nimmt Tyldum auch die komischen Eigenarten Turings in den Blick, der mit seinem arroganten bis autistischen Verhalten seine Mitstreiter mehr als einmal gegen sich aufbringt. In Benedict Cumberbatchs pointiertem und mitreißendem Spiel erscheinen eben diese exzentrischen Momente keineswegs lächerlich, sondern seltsam faszinierend, was nicht verwundern muss. Immerhin hat der Brite bereits in der Rolle des modernen Sherlock Holmes als unangepasster Charakterkopf brilliert.
Auch wenn The Imitation Game, wie jedes Biopic, Begebenheiten zuspitzt, einige Wahrheiten beugt und keineswegs frei von erzählerischen Holprigkeiten ist, überzeugt das Historiendrama als Denkmal für einen vergessenen Kriegshelden und Computer-Pionier, der nach außen nie der Mensch sein durfte, der er eigentlich sein wollte.
Alan Turing ist eine Legende des Informationszeitalters. Er war nicht nur einer der wichtigsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts, sondern er gilt gar als einer der Erfinder des Computers. Berühmt wurde er während des Zweiten Weltkriegs. Da arbeitete er in Bletchley Park, jenem legendären Sitz der britischen Spionageabwehr, und war einer der maßgeblichen Kryptographen, also Entschlüssler von komplizierten Geheimcodes, denen es gelang, die im Prinzip als unentschlüsselbar geltende deutsche Enigma-Maschine zu knacken. »Enigma« war ein Gerät, das – salopp ausgedrückt – systematisch Zufälle und immer neue Verschlüsselungen produzieren konnte. Nur mithilfe einer Maschine konnte man die Funktionsweise von »Enigma« imitieren. Indem man so das Geheimnis dieser Maschine lüftete, konnten den Briten die deutschen Nachrichtendienste während des Krieges unbemerkt abhören und so Tausende von Alliierten das Leben retten. Turings Lösung des »Enigma«-Problems war die Idee einer solchen eigenständig operierenden Maschine – der Ur-Computer und der Beginn aller Smartphones, Tablets, selbstfahrender Autos und mitdenkender Toaster.
The Imitation Game erzählt zunächst einmal genau diese faszinierende Geschichte – nicht zum ersten Mal im Kino. Zum ersten Mal aber konzentriert sich ein Film ganz auf den verschrobenen, unter Depressionen leidenden Turing.
Wie er das tut, ist allerdings angreifbar: Der Film zeichnet Turing als Genie, so wie wir Genies aus dem Hollywood-Kino eben kennen: Beautiful Minds, also unmanierliche Nervtöter, egozentrisch, sprunghaft, arrogant und zugleich voller hybridem Selbstvertrauen in die eigenen geistigen Fähigkeiten. Asozial, knapp an der Grenze zum Autismus, so begabt wie verrückt. Wir kennen solche Figuren auch aus neueren Fernsehserien etwa »Sherlock Holmes«, der die Figur aus dem 19. Jahrhundert ganz mit den Klischees des Superheldenkinos des 21. versöhnt. Ausgerechnet der Hauptdarsteller der Serie Benedict Cumberbatch übernimmt nun die Rolle des Alan Turing im Film.
Es ist ein ziemlich primitives Klischee von Verschrobenheit und Genie und nicht einmal besonders witzig, was Cumberbatch in beiden Rollen zusammenchargiert, es ist überbetontes Schauspiel. Ja, toll kann er das. Aber ist es ein Mensch, dem wir da zusehen? Nein, eine Aufziehpuppe, ein hyperaktiver Clown.
Der norwegische Regisseur Morten Tyldum hat gemeinsam mit dem US-amerikanischen Drehbuchautor Graham Moore ein klassisches Hollywood-Biopic vorgelegt, konventionell, sehr unterhaltsam, mit Stars und auch sonst nach allen Regeln des Kino-Mainstreams. Das mag den professionellen Zuschauer mitunter etwas kalt lassen, ist aber genau das richtige Mittel um diese hochinteressante Geschichte einem Massenpublikum näher zu bringen.
Das Gute wird von einem unverstandenen Genie verkörpert, und einer schönen Frau, in diesem Fall einer blondierten Keira Knightley, die als einzige den Genius versteht, und auch mal mit ihm Foxtrott tanzt. Das Böse sind die ignoranten Mitmenschen und die Bürokratie. Ach ja: und die Nazi-Deutschen. Und dann – der kalte Krieg wirft seine Schatten voraus – ein Sowjet-Sympathisant.
Aber auch hier haben wir ein Problem. Denn der Film-Turing schützt den Kommunisten. Weil der schwul ist, wie er selbst – ein Verbrechen im seinerzeitigen England. Er begeht also Landesverrat, aus sexuellen, also privaten Gründen – das ist nicht nur ausgedacht, sondern auch tendenziös erklärt. Turing hätte ihn auch schützen können, weil Stalins UdSSR im Krieg schließlich mit Churchills Großbritannien verbündet war.
Das letzte Drittel des Film erzählt dann davon, was mit Turing nach dem Krieg geschah: Da wurde dieser zutiefst verunsicherte Mensch nämlich noch etwas verrückter, später dann wurde er im so puritanischen wie paranoiden Nachkriegsengland den Behörden suspekt und der seinerzeit verbotenen Homosexualität beschuldigt.
Gleich acht Mal ist dieser Film nun vor ein paar Tagen für den Oscar nominiert worden: Bisschen viel vielleicht – aber sehr verständlich. Denn so viele Filme ohne Superhelden oder Ballerorgien, Filme für Erwachsene also, gibt es ja gar nicht in Hollywood. Und wer dann noch weiß, dass der Film von den Weinstein-Brüdern produziert wurden, die seit zwei Jahrzehnten als Strippenzieher und Goldesel des Arthouse-Mainstream berühmt sind, hat schon alle Erklärungen für diesen
Erfolg in der Hand.
Unverdient ist er ganz und gar nicht – aber wie der ganze Film ein bisschen zu glatt und vorhersehbar.
Und mit der Wirklichkeit zu tun hat das alles nichts. Vor allem Turing selbst tut der Film keinen Dienst an: Der war offenbar witzig und keineswegs jener autistische, im Leben trottelige Depp, der halt in Mathe gut war, als der er jetzt auf der Leinwand verewigt wird.