Kanada/F 2003 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Denys Arcand Drehbuch: Denys Arcand Kamera: Guy Dufaux Darsteller: Rémy Girard, Stéphane Rousseau, Marie-Josée Groze, Marina Hands u.a. |
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Träume am Ende |
Einer der Kinotrends dieses Jahres scheint es zu sein, aus tragischen Themen Feel-Good-Filme zu machen und Abschiede optimistisch zu verwandeln. Denys Arcands neuer Film kann man in diesem Kontext sehen: eine Komödie über einen Todkranken und seine Angehörigen.
Als er erfährt, dass sein Vater, der zynische und sexbesessene Universitätsprofessor Rémy, an Krebs erkrankt ist, reist der Yuppie Sébastien aus London zurück nach Quebec. Auf Bitten seiner Mutter Louise, die trotz Scheidung noch viel für den Schwerenöter empfindet, kümmert er sich widerstrebend um den Vater. Zwar wird der Börsenmakler für seine kapitalistische Ader vom Salonsozialisten Rémy bespöttelt, doch sein Geld ermöglicht einen erstaunlichen Komfort im heruntergekommenen staatlichen Krankenhaus. Hilfreich ist dabei auch Nathalie, die drogenabhängige Tochter einer ehemaligen Geliebten, denn sie kann schmerzlinderndes Heroin besorgen.
Als man in der Klinik nichts mehr für den Kranken tun kann, bringen Ihn seine Angehörigen gemeinsam mit den herbeigerufenen Freunde in ein Ferienhaus am See, um einige geruhsamen Tage miteinander zu verbringen. Wie schon früher vertreibt man sich dort die Zeit mit gutem Essen und Gesprächen, wenn auch dieses Mal, um Bilanz zu ziehen und Abschied zu nehmen.
17 Jahre nach seinem Erfolg Der Untergang des amerikanischen Imperiums, in dem acht Enddreißiger aus dem Universitäts-Milieu über das Leben, die Liebe und Gesellschaft spekulierten, hat Regisseur und Autor Denys Arcand die Darsteller noch einmal zusammengerufen, um seine Geschichte weiter zu erzählen. Dabei handelt es sich bei der wortreichen Komödie um mehr als eine schlichte Fortsetzung der damaligen Selbstbespiegelungen von vier Männern und vier Frauen und ihrer Diskurse: durch die Konfrontation mit der nachfolgenden Generation, seien es die eigenen Kinder oder Rémys Studenten, werden die Werte in Frage gestellt, die die Älteren vehement propagierten, oft ohne sie zu leben. Doch auch die Jungen sehen sich im Angesicht von Remys Tod vor die Frage gestellt, ob ihre pragmatische bis hoffnungslose Einstellung zum Leben die einzig wahre ist.
Arcand schneidet in seinem Film viele Themen an: Generations-Gegensätze, Kapitalismus und seine Kritik, Korruption und Werteverfall; auch die Rolle der Religion im Leben wird diskutiert, Sterbehilfe, die Bedeutung von Beziehungen, Liebe und (vor allem und ausführlich) Sex. Diskutiert, wohlgemerkt – nur wenige Szenen kommen ohne ausführliche Dialoge aus. So sind sie wohl, die Intellektuellen, wortmächtig und doch oft so hilflos, wenn es um das Handeln geht. Insofern kann man die Geschwätzigkeit des Films durchaus als Stilmittel verstehen, und man lacht mit ihnen.
Die Invasion der Barbaren war in diesem Jahr nicht nur der (erste kanadische) Abschlussfilm des Festivals in Cannes, sondern gewann auch gleich zwei goldenen Palmen: für das Drehbuch und für die beste Hauptdarstellerin Marie-Josée Croze (Nathalie). Es wird spekuliert, dass der französischsprachige Film als bester Auslandsfilm für den Oscar nominiert werden könnte.