Dänemark/Schweden 2010 · 117 min. · FSK: ab 12 Regie: Susanne Bier Drehbuch: Anders Thomas Jensen Kamera: Morten Søborg Darsteller: Mikael Persbrandt, Trine Dyrholm, Ulrich Thomsen, Markus Rygaard, William Jøhnk Nielsen u.a. |
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Schwierige Fragen, schwere Antworten |
Zwischen Dänemark und Darfur, zwischen Häusern am Meer und einem Flüchtlingslager pendelt Susanne Biers In einer besseren Welt fast ausgeglichen hin und her und ist damit zuerst einmal ein ehrenwerter Beitrag zum Thema Globalisierung. Dieses Jahr hat sie mit ihren Film den Auslands-Oscar gewonnen und davor noch einige andere Preise.
Verknüpft werden die Schicksale zweier Familien durch die Freundschaft der Söhne Christian und Elias. Die zwei Kontinente werden durch den Arzt Anton, dem Vater von Elias, verbunden, der zwischen einem Flüchtlingslager in Darfur und seinem Haus in Dänemark hin und her pendelt. Drastischen Bildern von offenen Wunden, einem brutalen Warlord samt Mörderbande und ausgemergelten Gesichtern stehen immer wieder idyllische und seltsam aufgeräumt wirkende Meer- und Küstenpanoramen gegenüber. Doch behütet ist das Leben auch in Dänemark nicht: die Mutter von Christian ist gerade an Krebs gestorben und das verwaiste Vater-Sohn-Gespann ist sich in der Trauer keine Hilfe, zumal Christian dem Vater vorwirft, den Tod der Mutter gewollt zu haben. Seine Einsamkeit und Verzweiflung entlädt sich in rational kalkulierter und dann unbändiger Wut einem fiesen Mitschüler gegenüber, der ersten Etappe eskalierender Gewalt auf dänischem Boden. Der andere Sohn, Elias, wird von Mitschülern gemobbt und findet erst durch den Schutz Christians zu einem gewissen Selbstbewusstsein. Sein Vater ist wochenlang in Afrika, seine Mutter und er wollen sich trennen. So dreht sich im ersten Teil des Filmes die Leidensschraube immer tiefer in die Herzen der Zuschauer: Beziehungen scheitern, Trost gibt es nicht und das Gewaltthema zieht sich als roter Faden durch eine beschädigte Welt. In Afrika verkörpert durch den sadistischen »Big Man« und seine Bande, der schwangere Frauen aufschlitzt und in Dänemark in Gestalt der aggressiven Schüler und eines prügelnden Cholerikers, der dritten Vaterfigur. Anton, der Gutmensch, hält der Brutalität seine biblisch wirkende Gewaltlosigkeit entgegen, bis er am Ende selbst überwältigt wird von der Unerträglichkeit menschlicher Verachtung der eigenen Spezies gegenüber. Susanne Bier kontrastiert das Grauen mit schönen Bildern und glücklichen Momenten und weicht damit einer zu starken Nähe zu den Filmen Iñárritus aus, dem großen Meister des Globalisierungsgenres. Diese Sequenzen aber, etwa afrikanische Kinder, die dem wegfahrenden Arzt winkend hinterherlaufen oder das Drachensteigenlassen im Sonnenlicht, wirken immer wieder klischeebeladen und dadurch abgenutzt. Dabei ist die Afrikadarstellung der schwächste, am wenigsten inspirierte Teil des Werkes.
Flüchtlinge, Ärzte ohne Grenzen, Krebstod, Scheidung, Mobbing, Suizidversuch. Fehlt im Film ein aktuelles Zeitthema? Vielleicht Homosexualität, obwohl immerhin Elias einmal als »schwule Sau« beschimpft wird. Natürlich beschäftigt sich der Film mit vielen lohnenden, aktuellen Themen, von denen jedes für sich einen eigenen Film verdient hätte. Packen die Regisseurin Bier und der Drehbuchautor Anders Thomas Jensen zu viel hinein in ihren globalen Themeneintopf? Legen wir die Messlatte Iñárritu an: Die Konstruktion des Drehbuchs hat nicht die Klarheit und Präzision eines Films wie Babel, es fehlt die Wucht von 21 Gramm oder die Geschlossenheit von Biutiful und trotzdem ist In Einer besseren Welt durchaus sehenswert und ergreifend. Das liegt auch an den tollen Schauspielern, die Bier aufbieten kann. Allen voran der Schwede Mikael Persbrandt, bekannt aus »Kommissar Beck«, und die Dänin Trine Dyrholm (in Dänemark dafür mit den zwei wichtigsten Filmpreisen geehrt) als Ehepaar in der Krise. Ihnen schaut man einfach gerne zu. Auch die Kinder spielen überzeugend und haben intensive lange Szenen. Allein der zweite Vater, gespielt von Ulrich Thomsen, fällt etwas gegen die anderen ab, aber das mag auch an seiner starren Rolle liegen, die ihm keine emotionale Bandbreite einräumt. Die zweite Stärke des Films: das Vater-Sohn-Thema, welches in verschiedensten Varianten lebensecht durchgespielt wird und berührende, witzige, aber auch schön alltägliche Facetten aufweist. Die Väter versagen, versuchen Vorbilder zu sein, kämpfen um ihre Söhne, scheinen zu scheitern und gewinnen am Ende tiefere Beziehungen zu ihren Kindern. Es sind moderne Väter, spielend, kommunikativ, einfühlsam, aber auch realistische Väter, die das Schweigen nicht aufbrechen können, zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, wenn ihre Söhne sie am meisten brauchen, die aber immer wieder die Liebe antreibt, Brücken zu bauen. Ebenfalls gelungen ist die Darstellung der Schulwelt, eher ein Nebenstrang, aber doch wichtig als Lebensraum der Freunde. Auch hier wird, abgesehen von den typischen Mobbing-Bildern, ein differenziertes Bild entworfen, bei dem die Pädagogen allerdings durchwegs nicht gut abschneiden.
Etwas überkonstruiert, aber auch nachdenklich stimmend, ist das Gewaltthema angepackt. Der Gewalt im Großen (Afrika, Warlord) steht die Gewalt im Alltag (Prügel auf dem Spielplatz, Mobbing in der Schule) gegenüber. Pazifistisches Verhalten, verkörpert durch den Arzt Anton, der dem aggressiven Vater quasi biblisch die andere Wange hinhält, überzeugt so recht niemanden, vor allem nicht Christian, den Freund seines Sohnes, der sich nur durch brutalste Härte des Mobbers in der Schule
entledigen konnte. Wie soll man sich im konkreten Gewaltfall verhalten? Wann ist ein Mann ein Mann?
Der Film gibt keine einfachen Antworten und stellt auf nahezu allen erzählerischen Ebenen in ihrer Eindringlichkeit und spröden Wucht kaum zu bändigende Fragen in den Raum.