USA 2008 · 122 min. · FSK: ab 12 Regie: Steven Spielberg Drehbuch: David Koepp Kamera: Janusz Kaminski Darsteller: Harrison Ford, Karen Allen, Cate Blanchett, Shia LaBeouf, John Hurt u.a. |
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19 Jahre später heißt es: Lernen von den Alten! (hier Harrison Ford) |
Das Lasso beißt sich an einer Metallvorrichtung unter der Hallendecke fest und Indiana Jones lässt sich aus dem Lauf von den klapprigen Holzkisten in die Luft ziehen. Zielstrebig segelt er dem flüchtenden Militärfahrzeug entgegen. Doch simple Physik vereitelt dem Wagemutigen sein Angriffsmanöver: Anstatt sich im höchsten Moment auf die Ladefläche fallenzulassen, verpasst er den Absprung und baumelt füßetretend in die Gegenrichtung – bis er unsanft im Cockpit des Folgefahrzeugs landet. Mit verdutzter Mine endet seine pendelförmige Luftakrobatik. Und trotzdem erweist sie sich als erfolgreich, denn die Fahrer des Gefährts sind mit einem Mal ausgeknockt.
Auch wenn es sich hierbei nur um einen Bruchteil der rasanten Einstiegsszene von Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels handelt, sagt er viel aus über den Charakter des Films. Dessen mittlerweile schon 65jähriger Kultprotagonist bestreitet voller Selbstironie seine Abenteuer – und gewinnt trotzdem die ihm auferlegten Zweikämpfe. Starregisseur Steven Spielberg und Produzent George Lucas, die eigentlich treibende Kraft hinter den Kulissen, versammelten das ehemalige Team der Trilogie aus den 80er Jahren fast vollständig um sich und liefern den Fans und allen, die es aufgrund ihres Alters erst noch werden müssen, eine actiongeladene und ausgeklügelte vierte Epoche aus dem Leben des charmant-schlagkräftigen Archäologieprofessors. 19 Jahre nach Jones' letztem Abenteuer, das mit einem verheißungsvollen Ritt in den Sonnenuntergang endete, überredete Lucas den dreifachen Oscar-Preisträger Spielberg und den unabkömmlichen Hauptdarsteller Harisson Ford zu einer weiteren Legendenverfilmung. Science-Fiction-Liebhaber kennen das Gespür des Krieg-der-Sterne-Schöpfers für das grenzenlose Vermarkten bereits existierender Erfolgskonzepte. So folgte den drei ersten Filmen bereits eine – durchaus erfolgreiche – Fernsehserie über den lassoschwingenden Archäologen. Lucas musste seinen ehemaligen Kollegen erst mehrere Varianten der von ihm heiß begehrten Fortsetzung vorlegen, bis diese den nun verfilmten Entwurf billigten.
Im Jahr 1957 zwingen russische Entführer Jones und seinen Bekannten George McHale (Ray Winstone), ihnen den Zugang zum Aufbewahrungsort von den Überresten eines Außerirdischen zu verraten. Denn diese sind ein Puzzlestück auf der Suche nach dem titelgebenden Kristallschädel. Der Legende nach soll es in der sogenannten goldenen Stadt insgesamt 13 Schädel gegeben haben. Und dem Überbringer des fehlenden letzten soll die interdimensionale Omnipotenz der gesamten Schädelgruppe
zu eigen werden...
Grund genug, die weltmachtsüchtigen Russen von diesem letzten Schritt abzuhalten. Mitten im Kalten Krieg grassiert die `Rote Angst` aber nicht nur vor den Bösewichten aus dem Osten, sondern auch in den eigenen Reihen. Niemand traut niemandem, und so steht der übereifrige Patriot Jones sogar selbst unter Verdacht. Und auch die Fahnentreue seines Mitstreiters McHale erweist sich als nicht felsenfest. Doch wie in den ersten drei Teilen unterstützt eine
sympathische Truppe treuer Anhänger den alternden Globetrotter. Mit von der Partie sind der an der gefährlichen Strahlung des Schädels erkrankte Professorenkollege Oxley (gespielt von Schauspielerlegende John Hurt), der naive Halbstarke mit Klappmesser und 50er-Jahre-Tolle Mutt Williams (Shia LaBeouf) sowie die selbstsichere Marion Ravenwood (Karen Allen), deren Zuneigung für den Mann mit Hut vom ersten bis zum aktuellen Teil fortlebt.
Wie sich zeigt, verschmelzen Lucas und Spielberg, wie bereits in den Teilen eins und drei, Jäger des verlorenen Schatzes (1981) und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (1989), Mythen mit geschichtlichen Fakten. (Der zweite, Indiana Jones und der Tempel des Todes von 1984, bleibt auf der mythischen Ebene, und ist daher der geschlossenste und wahrhaft einfallsreichste Teil der Tetralogie.) Wieder liefert der geschichtliche Hintergrund, hier die 50er Jahre, die Basis der Erzählung einerseits, und ihre Details andererseits. Der hysterische Wettkampf zwischen Ost und West und die Auswirkungen vom Roswell-Zwischenfall im Jahr 1947 tragen die Geschichte. Und der Rock'n'Roll, die Klappmesser und pomadigen Tollen einer Jugend, die sich trotzig brutal gegen die Elterngeneration stellt, komplettieren sie. Zusammen mündet das Geschehen in das unglaubwürdige Endprodukt von 13 Kristallschädeln, die sich mit Ach und Krach in eine interdimensionale Welt zurückziehen. Wenngleich der Kinogänger über 25 Jahre über die Verfilmung verspielter Lucas-Phantasien schmunzelt, so wird die Hauptzielgruppe des Films die Ernsthaftigkeit und Gefährlichkeit vom Kalten Krieg kaum erkennen. Eine stocksteife Russin mit Degen (Cate Blanchett) vermittelt nicht die wahren Waffen in der Nachkriegsphase. Am schlimmsten ist, dass die Produzenten die reale Atomwaffengefahr nicht ausgeklammert haben, sondern sie mit einer aufwendig inszenierten Explosion übersetzt haben. Der originell inszenierte Atomwaffentest mit nachgebauten Wohnhäusern und surrealen Dummypuppen auf abgesperrtem Terrain verblüfft den Zuschauer, bis er vom – nun wirklich – überirdischen Heldentum des Indiana Jones auf den Boden des Kinosessels zurückgeholt wird. Denn dieser schafft es doch glatt, sich mit einem kilometerlangem Flug in einem Kühlschrank aus der Affäre zu ziehen.