USA/Mexiko 2003 · 101 min. · FSK: ab 18 Regie: Robert Rodriguez Drehbuch: Robert Rodriguez Kamera: Robert Rodriguez Darsteller: Antonio Banderas, Salma Hayek, Johnny Depp, Mickey Rourke u.a. |
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Jede Menge Zupfinstrumente |
Bei Once Upon a Time in Mexico (dem deutschen Kinogänger wird Irgendwann in Mexico tatsächlich als »eigenständige Titelübersetzung« angeboten) handelt es sich um Rodriguez´ siebenten Langspielfilm seit seinem Durchbruch mit El Mariachi im Jahr 1992. Zugleich ist es die inoffizielle Fortsetzung seines Films Desperado (1995) und damit das letzte Kapitel seiner »Mariachi«-Trilogie. Ex-Hollywood-enfant terrible Quentin Tarantino wies als Rodrigues Freund diesen auf die Parallelen zu Sergio Leones Dollar-Trilogie hin und empfahl den finalen Filmtitel.
Der Plot von Irgendwann in Mexico tendiert stark in Richtung »verworren« bis »surreal«: Drogenbaron Barillo (Willem Dafoe) plant den Staatstreich: der mexikanische Präsident wird dem Gangsteroberhaupt nämlich einen Tick zu selbstbewusst! Barillo nutzt daher den Machthunger des skrupellosen Generals Marquez. Diesen allerdings hat wiederum der korrupte CIA-Agent Sands (Johnny Depp) auf der Abschussliste. Zwar begrüßt Sands die Tatsache, dass der Präsident aus dem Weg geräumt werden soll, will sich allerdings auch nicht mit dem General als neuem Staatsoberhaupt abfinden. So dann versammelt der US-Agent ein kleines Team um sich, welches seine Pläne, Marquez zu stoppen unterstützen soll. Dieses Team besteht aus den verschiedenartigsten Charakteren: u.a. ein ausgemusterter FBI-Mann, ein Maulwurf innerhalb des Gangstersyndikats und eben auch Antonio Banderas, der legendäre Revolverheld. Ahnen kann Sands freilich nicht, dass auch er bereits für den Abschuss freigegeben ist. Und schließlich existiert noch eine Spezial-Agentin namens Ajedrez (Eva Mendes). Der Mariachi ist mit an Bord, denn eben jener Marquez, den er ausschalten soll, tötete einst Antonios Gattin (Salma Hayek). Zum Showdown, der all diese Handlungsstränge eher locker als logisch zusammenführt, packen dann auch noch Banderas Musikerfreunde (mit dabei: Schmachtbarde Enrique Iglesias) deren Instrumente aus: der Rest ist Pyrotechnik.
»Wem immer alles zur Verfügung steht, der verschwendet es nur«, sagte Rodriguez und drehte für 7000 US-Dollar El Mariachi und völlig zurecht beförderte dies ihn in Hollywoods erste Liga. Der From Dusk till Dawn – Macher meldet sich mit einem wahren Action-Feuerwerk zurück, sofort sei ihm dafür die unsägliche Spy Kids-Reihe vergeben. Der vorliegende Streifen verbindet auf abstruse Art und Weise politische Wahrheiten und faktische Mogeleien bzw. Übertreibungen: ja, in vielen Ländern der Erde haben Drogenkartelle ihre Hände in der Politik; nein, Menschen brechen sie die Knöchel, wenn sie aus 5m Höhe auf den Füssen landen; ja, die US-Außenpolitik neigt zu Interventionen, auch schmutzigen, wenn sie ihre Interessen gefährdet sieht; nein, Menschen fliegen nicht 40 Meter nach oben durch die Lüfte, wenn ein Geschoss sie trifft – Liste beliebig vorsetzbar.
Festzuhalten ist, dass Rodriguez ein Garant für Action bleibt, auch mit einem Budget von 30 Millionen (gekonnt lässt er es nach wesentlich mehr aussehen) weiß er umzugehen: zwar wirken die Kamerafahrten weniger dynamisch als noch vor 10 Jahren, wirkt die Storyline so, als ob die Stars zuerst feststanden und man arge Probleme hatte, um diese herum eine Geschichte zu ersinnen und schließlich hat die Gewaltschraube beträchtlich angezogen: konsequent weigert sich Rodriguez, dem Zuseher ein Aufatmen bzw. Lachen nach heftigen, zahlreichen Shoot-Outs oder diversen Leinwand-Ableben zu gönnen. Damit verliert die Serie etwas an ihrem markanten Charme, tendiert mehr in Richtung geradliniger Action.
Dennoch: der geneigte Zuseher freut sich auf ein Wiedersehen mit dem Mariachi, (Schwarzenegger-Syndrom: Banderas altert nicht) Danny Trejo, Cheech Marin (Usual Suspects of Rodriguez!) oder aber den zahlreichen neuen, dubiosen Gestalten, welche sichtlich Spaß an ihren Rollen hatten. Positiv fällt auf, dass auch das Produktionsdesign in des Meisters Hände lagen; generell neigt Rodriguez dazu, viele Aufgaben selbst zu übernehmen. Dies schildert er auch in seinem lesenswerten Buch »A Rebell without a Crew«.
Als Fazit bleibt ein konventioneller Film voller One-Liner und Explosionen, die Handschrift Rodriguez scheint ein wenig verwässert, dennoch als Best-Of der Trilogie akzeptabel und unterhaltsam – play on.
Es gibt gute Gründe, um die Behauptung der Postmoderne, dass alle Geschichten im Kino und anderswo längst erzählt seien, zu widerlegen. Unbestreitbar ist, dass sie Ende der 1980er-Jahre einige sehr fruchtbare Spielereien mit eingefahrenen Erzählschemata ermöglichte und zu einer grundsätzlichen Reflexion narrativer Konventionen zwang. Zu jenen, die das am besten konnten, gehörte der Mexikaner Robert Rodriguez. Schon mit seinem Kurzfilm Bedhead und dem Independent-Hit El Mariachi gelang ihm dies mit bescheidenen Mitteln; in dem Mariachi-Remake Desperado und From Dusk till Dawn trieb er seine Methode auf die Spitze. Von Teilen der Filmkritik als leerer Formalismus abgetan oder der vordergründigen Effekthascherei bezichtigt, sind diese Filme doch längst in den Kanon des 1990er-Jahre Kinos aufgenommen worden, und ihr Regisseur kein wilder Außenseiter mehr. Zuletzt erfreute er mit niveauvollen Parodien auf Teenie-Horror (The Faculty) oder Spionagefilme (Spy Kids), die auch an der Kasse reüssierten. Das kraftvolle Spiel mit Kinomythen, das man von seinen ersten Filmen kannte, suchte man hier allerdings vergebens. Mit Irgendwann in Mexico kehrt Rodriguez nun aber zu diesen Ursprüngen zurück – womit er Kritik und Publikum aufs Neue entzweit.
Der Film – Desperado II lautete sein Arbeitstitel – beginnt mit einem doppelten Selbstzitat: In Anlehnung an den Auftakt von Desperado ist man wieder in einer heruntergekommenen Kneipe irgendwo im Norden Mexikos; und erneut begegnet man einem geheimnisvollen, aber um so erzählfreudigeren Fremden. Dieser ist auf der Suche nach dem Mariachi, jenem schwarzgewandten Musiker- Killer aus Rodriguez' ersten beiden Spielfilmen; das Gespräch über diese Figur gibt auch jenen, die diese Filme nicht kennen, Gelegenheit, sich auf den Stand der Dinge zu bringen; zugleich handelt es davon, wie es mit der bluttriefenden Rachegeschichte weitergegangen ist. Der Mariachi, so die Ausgangslage, konnte sich mit seiner Braut Carolina nicht lange eines friedlichen Lebens erfreuen. Bald wurde er von seiner Vergangenheit eingeholt. Er leidet weiterhin unter Schlafproblemen und düsteren Träumen; außerdem sind ihm böse Menschen auf den Fersen, was mehr als einen rohen Gewaltakt nach sich zieht. Einer der Subplots bringt auch noch eine politische Verschwörung ins Melodram: Ein wohlmeinender mexikanischer Präsident soll von einem seiner Berater um die Ecke gebracht werden, wobei der Mariachi zur Beteiligung an dem Komplott gezwungen wird.
Schon der Originaltitel, der vom deutschen Verleih ins Diffuse abgeschwächt wurde, betont den Märchencharakter des Ganzen. »Der Mann ist eine Legende, ein Mythos«, erfährt auch der neugierige Fremde, der offenbar selbst ein Auftragskiller ist, und – nicht allein, weil er von Johnny Depp gespielt wird – auch an die geisterhaftskurrilen Killergestalten in Jim Jarmuschs letzten Filmen erinnert: Lakonisch und cool gehen sie ihren Weg durch die Mythenlandschaft des Kinos, der – sobald er diese verlässt – nur ins Nirgendwo führen kann. Lange Zeit bleibt der Zuschauer darüber im Unklaren, wie viel an dieser verschachtelt und mit zahllosen Versatzstücken angereicherten Story, die immer wieder von Tagträumen und Fantasien unterbrochen wird, zumindest in der inneren Logik des Films »real« ist.
Freilich waren »Realität« und eine konzise Erzählung noch nie das, was Rodriguez interessierte. Die Mythen und Mythologien seiner mexikanischen Wurzeln – in US-amerikanischer Perspektive –, die Geschichten der einsamen Reiter und schweigsamen Killer sind für ihn die wahre Wirklichkeit; Authentizität ist nichts, Pose alles. Es ist also weitaus wichtiger, wie Antonio Banderas (der erneut den Mariachi spielt), Johnny Depp und Salma Hayek schauen, reden, sich bewegen
oder kleiden, als was sie tun und aus welchem Grund. Man muss das nicht mögen; man kann diese Filme auch im Vergleich zu Brian De Palma oder Jim Jarmusch als allzu grell und oberflächlich inszeniert finden. Nur würde es wenig Sinn machen, Rodriguez auch im siebten Film erneut vorzuwerfen, er oder seine Figuren hätten »keine Emotionen« – als ob man nicht nahezu jeder Szene ansehen würde, wie sehr er Film und Filmgeschichte liebt, dass er geradezu obsessiv ins Genre-Kino und seine
Chiffren vernarrt ist, während ihn »wirkliche« Menschen oder eine bestimmte Form von Ernsthaftigkeit nun einmal nicht interessieren.
Auch stilistisch bleibt der Regisseur, der zugleich sein eigener Kameramann und Cutter ist, seiner Methode treu, gebraucht sie aber noch souveräner: Irgendwann in Mexico ist reich an Pointen, spielt lustvoll mit Klischees, Slapstick und Splatter-Effekten, erzählt mit rhythmisch-eleganter, an den Stil des Hongkong-Kinos
erinnernder Kamera comic-haft und manipulativ, wild und schnell, grob und effekthascherisch. Vordergründig ist das genauso wenig wie bei David Lynch. Nur ist Rodriguez' Humor weniger subtil, weshalb man im Gegensatz zu Lynch beim ihm alles auch als vergnügliches Popcornkino konsumieren kann, ohne sich um den Rest zu scheren.
Allerdings gibt es diesen »Rest« durchaus: Irgendwann in Mexico ist ein Film, der darüber nachdenkt, wie man erzählen kann, ohne die eigenen Erfahrungen zu verraten oder sich künstlich dumm zu stellen. Ein Film für Cineasten, die ausgeklügelte Zitatenspiele ebenso genießen wie die Verführungskraft der ausgestellten Posen. Wirklich neu ist hier wenig. Vielleicht sind tatsächlich alle Geschichten schon längst erzählt. Nur möchte man dies, wenn schon, lieber von Rodriguez hören als von vielen anderen.