I.S.S.

USA 2023 · 96 min. · FSK: ab 12
Regie: Gabriela Cowperthwaite
Drehbuch:
Kamera: Nick Remy Matthews
Darsteller: Ariana DeBose, Chris Messina, John Gallagher jr., Masha Mashkova, Costa Ronin u.a.
Filmszene »I.S.S.«
Das letzten Lachen vor der Katastrophe...
(Foto: Universal)

Offenes Ende

Gabriela Cowperthwaites Weltraumthriller und Katastrophenfilm befreit sich durch seine Aktualität immer wieder aus dem B-Filmkorsett und überrascht durch seine Perspektivwechsel

Warum nur fühlt sich ein Kata­stro­phen­film wie Gabriela Cowper­thwaites I.S.S. so sehr nach Filmen aus der Zeit des Kalten Krieges an? Filme wie James Bond 007 – Liebes­grüße aus Moskau (1963) oder The Day After (1983)? Natürlich weil wir schon längst in einem neuen Kalten Krieg fest­ste­cken, der sich jederzeit zu einer atomaren Kata­strophe ausweiten kann.

So wie in Cowper­thwaites I.S.S., dessen Dreh noch vor dem Ukraine-Krieg begann, der aber dennoch alles anti­zi­piert, was bis heute passiert ist. Und natürlich mehr, denn in I.S.S. ist das passiert, vor dem sich die ganze Welt seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs fürchtet, dass eine Nation die Nerven verliert, die Atombombe einsetzt und damit eine Ketten­re­ak­tion auslöst, die die Astro­nauten auf der I.S.S. in ihrem ganzen Umfang beob­achten können. Gleich­zeitig erhalten die auf der I.S.S. statio­nierten Ameri­kaner und Russen unab­hängig vonein­ander Befehle von der Erde mit der Auffor­de­rung, die Station einzu­nehmen und die jeweils andere Seite auszu­schalten.

Das, was wie ein klas­si­sches B-Film-Szenario klingt, ist es dann auch, wird ohne große charak­ter­liche Scharf­zeich­nung ein Thril­ler­treiben in Gang gesetzt, das zu Anfang sehr sche­ren­schnitt­artig funk­tio­niert. Doch Cowper­thwaite und ihr Dreh­buch­autor Nick Shafir haben ein paar über­ra­schende Stol­per­steine in ihren Plot inte­griert, die immer wieder Spaß machen und den Film aus seiner korsett­ar­tigen Grund­dis­po­si­tion befreien. Das liegt vor allem daran, dass die vermeint­lich klaren natio­nalen Grenzen sich sehr schnell auflösen und die eingangs etwas stereotyp gezeich­nete Harmonie der beiden Teams durch immer wieder neue Perspek­tiv­wechsel über­zeu­gend dekon­stru­iert wird, ohne dabei allzu vorher­seh­baren Pattern zu folgen.

Die charak­ter­li­chen Perspek­tiv­wechsel werden dabei durch immer wieder wech­selnde Kame­ra­per­spek­tiven unter­s­tützt, die dann auch aus dem kammer­spiel­ar­tigen Szenario hinaus­führen und auf die Erde blicken, ein Reso­nanz­raum der Zers­törung, der dennoch nicht stark genug resoniert, um das Personal an Bord der I.S.S. zur Vernunft zu bringen. Obgleich natürlich vom Anfang bis zum Ende klar ist und klar sein wird, dass die Station einen Stell­ver­tre­ter­krieg führt, dass die kleine Welt die große Welt darstellt. In dieser Hinsicht liegt I.S.S. sehr nah an einem anderen Kata­stro­phen-Thriller, Twisters, der zeit­gleich anläuft und in dem ebenfalls ständig Wolken die Sicht versperren, die Vernunft also stets an dem Offen­sicht­lichsten scheitert und auch hier eine regionale Kata­strophe für die ganz große Kata­strophe der Mensch­heit steht.

Und so wie bei Twisters sind wir auch bei I.S.S. am Ende fast auf dem Niveau eines klas­si­schen Jugend­films, in dem die Prot­ago­nisten am Ende verstehen, dass die Rettung nur über gemein­sames Handeln erfolgen kann, am Ende also nur noch der Altru­ismus dem Menschen bleibt, um seinen Hals noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. Das steht zwar im Gegensatz zu all dem, was vorher passiert ist, ist jedoch wie immer eine befrei­ende logische Konse­quenz, die I.S.S. aber spie­le­risch und über­ra­schend offen gestaltet: Where do we go I don’t know.