Polen 2011 · 78 min. Regie: Wilhelm Sasnal, Anka Sasnal Drehbuch: Wilhelm Sasnal, Anka Sasnal Kamera: Wilhelm Sasnal, Aleksander Trafas Darsteller: Marcin Czarnik, Agnieszka Podsiadlik, Piotr Nowak, Elzbieta Okupska, Jerzy Lapinski, Hanna Chojnacka u.a. |
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Schweigsame, lakonische Bilder |
Wir sehen Menschen im Wald, sie suchen Pilze, sie überprüfen Fallen, die am Boden liegen, in denen sich aber diesmal kein Wild verfangen hat.
Wir sehen Menschen als Sammler und Jäger. Aber sie sind Menschen von heute, sie fahren Autos, und weil sie polnisch reden und auch die Regisseure Polen sind, dürfen wir vermuten, dass der Film in Polen spielt. Irgendwo auf einem weiten Land, das aus Laubwäldern und weiten Ebenen besteht, sonnendurchfluteten Feldern – die prachtvoll
photographiert sind.
Wir lernen eine Gruppe von Menschen kennen, verschiedenen Alters. Sie leben auf einem Hof, der ganze Tag besteht aus Arbeit. Sie reden wenig, aber sie tun viel.
Dies ist kein Film der Worte, dies ist ein Film des präzisen, geduldigen Hinschauens und genauen Hinhörens, der Bilder und der Geräusche.
Zum Beispiel eine Autofahrt: Auf dem Wagen, den wir sehen, befindet sich noch ein anderer Wagen. Ein gar nicht so kaputt aussehendes Modell, das aber verschrottet wird.. Die Bewohner des Hofes verdienen ihr Geld offenbar auch mit dem Verschrotten und dem Handel mit Metallteilen.
Die Menschen, die der Film zeigt, reden kaum. Aber wir sehen ihnen zu, folgen ihnen, begleiten sie durch ihr Leben. Es gibt keine Hauptfigur in diesem Film. Die Atmosphäre ist das Wesentliche.
Immer wieder bauen die Regisseure Wilhelm und Anna Sasnal Bilder, mit starken, pathetischen, sogenannten »großen« Kameraeinstellungen. Kurz vor der Mitte des Films ist eine von ihnen zentral: Es ist früh morgens, und leise erklingen Klageschreie, die sich in ihrer Intensität langsam steigern, lauter werden. Dazu zeigt die Kamera ein einsam in den Feldern gelegenes Haus, in dessen offenem Fenster eine Frau steht; es ist die Frau, die schreit. Ganz langsam, zuerst unmerklich fährt dabei die Kamera zurück, gibt mehr und mehr Blick auf die Welt frei. Der Mensch ist im Schmerz geboren, scheinen uns diese so schmerzhaft beklemmenden, wie intensiven Momente zu sagen.
Man kann das alles ungemein prätentiös finden. Die Ästhetik von Ferner schöner Schein entspricht so genau, wie ein Klischee den Üblichkeiten des internationalen Kunstkinos: schöne, inhaltlich minimalistische Bilder in langen, sehr sehr ruhigen Einstellungen, die die Geduld des Zuschauers strapazieren. Dazu eine kaum vorhandene Handlung, deren versteckte Intensität nur in kleinen versteckten Signalen angedeutet wird. Dazu Figuren, die kaum sprechen, die wenig Gefühle zeigen, und deren Handeln sich nicht aus einer Psychologie erklären lässt. Wenn sie etwas sagen, ist es böse: neidisch, hämisch. Tristesse in allen Ecken und Enden. Monotonie. Einsamkeit.
Man kann es aber auch anders und verständnisvoller beschreiben: Bei allem Naturalismus im Einzelnen geht es in Ferner schöner Schein nie um schlichten Realismus. Der Film des polnischen Künstlerpaares Wilhelm und Anna Sasnal – der 1972 geborene Wilhelm Sasnal ist ein polnischer Maler und Illustrator; seine Avantgarde-Werke wurden unter anderem im Centre Pompidou, in der Tate Gallery, im MoMA oder im Guggenheim Museum präsentiert –, dieser Film versucht höhere Wahrheiten zu zeigen, versucht, wie einst der Franzose Robert Bresson den Zuschauer durch genau ausgeklügelte Signale in eine Stimmung zu versetzen.
Die Bilder erscheinen mehr wie ein Gemälde, das in Bewegung versetzt worden ist.
Meditative Bilder sollen Zuschauermeditation befördern. Kino als Medium für taghelle Mystik.
Natürlich kann man auch versuchen zu deuten, die spärlichen Bedeutungssignale zu interpretieren. Da wäre dann die Beobachtung, dass man hier immer wieder Menschen sieht, die der Natur nahe und der Moderne fern sind.
Dass die schönsten Bilder auch apokalyptische sind: Technik, das moderne Ding an sich, wird zerstört und vernichtet, landet im Feuer. Und um das Feuer, das wohl auch als reinigendes Medium gemeint ist, versammeln sich die Menschen nie als inzelne, sondern als
Gemeinschaft.
Dies ist ein archaischer Film, der in schweigsamen, lakonischen Bildern eine bedeutungsvoll aufgeladene, und in ihrer Anmutung sehr konservative Feier des Antimodernen bietet. Aber wenn gegen Ende Vogelzwitschern zu hören ist, ruft das die Idee der Unschuld, des Paradieses, des Neuanfangs am Morgen danach hervor. Und natürlich sind die Vögel auch ein christliches Symbol.