Brasilien 2009 · 71 min. Regie: Marcelo Gomes, Karim Ainouz Drehbuch: Marcelo Gomes, Karim Ainouz Kamera: Heloísa Passos Schnitt: Karen Harley |
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Brasilianisches Roadmovie |
In einer Hinsicht handelt es sich hier um eine Rarität: Der Film ist eine Art Ein-Personen-Stück, dessen Protagonisten man nie zu sehen bekommt. Der Protagonist fährt mit dem Auto durch Brasilien, er ist ein Geologe, der die Route eines geplanten Kanalneubaus untersuchen soll. Aber wir hören lediglich seine Stimme, die die Bilder kommentiert oder parallel zu ihnen philosophiert. Lediglich in einer Einstellung ist er womöglich mal aus der Ferne zu sehen.
Hauptgegenstand des Monologs ist ein weiterer abwesender Mensch – die Frau des Reisenden. Und wie von lateinamerikanischem Kino zu erwarten, schwurbelt sich da ganzschön was zusammen aus sinnlichem Lyrizismus und intellektueller Prätention.
Das ist mitunter nicht unnervig; stellenweise auch banal. (Wieviele Filme fangen eigentlich inzwischen schon mit einer Einstellung aus einem fahrenden Auto nachts auf der Landstraße an, mit dem gelben Mittelstreifen, der im Scheinwerferlicht endlos vorbei rollt? Na ja, immerhin hängt dieser Film zur Sicherheit gleich noch das selbe bei Tag dran...) Und auch die Ästhetik hat so ihre Tücken: Der Film ist in Wirklichkeit zusammenmontiert aus zwischen 1999 und 2009 gesammeltem Material, teils anscheinend mit einer Super8-Kamera aufgenommen, deren Filmtransport nicht richtig funktionierte, teils mit niedrigauflösendem Video. In manchen Momenten hängt dieser Textur wirklich das Gefühl von etwas Halberinnertem an, von »Souvenirs« im wörtlichen Sinne, und sie erlangt eine eigene Qualität. Aber an anderen Stellen – vor allem, wenn sie am Versuch scheitert, Landschaftseindrücke panoramahaft einzufangen – wirkt sie schlicht und einfach technisch unzulänglich.
Und dennoch: Letztlich hat der Film mich für sich gewonnen. Weil es ihm immer wieder gelingt, ein wahrhafter, echter Road Movie zu sein: Ein Film, der eine Reise nutzt, um sich driften zu lassen, der offen ist für Nebenrouten, Sackgassen, Entdeckungen am Wegesrand. Immer, wenn man ihm grade die Freundschaft kündigen will, fängt er irgendwo ein Lächeln ein, einen Sekundenblick in ein Schicksal oder auf einen Ort, die Stimmung eines völlig unspektakulären, aber präzisen Moments. Und selbst wenn’s nur Minuten sind: Es ist schon viel, wenn man im Kino das Gefühl geschenkt bekommt, irgendwo anders gewesen zu sein, einen Weg zurückgelegt zu haben.
Auf dem Filmfest München 2010 läuft der Film im Filmmuseum Mo. 28.6. 20:00h und Di. 29.6. 22:30h