USA 2000 · 135 min. · FSK: ab 16 Regie: Spike Lee Drehbuch: Spike Lee Kamera: Ellen Kuras Darsteller: Damon Wayans, Savion Glover, Jada Pinkett, Tommy Davidson u.a. |
Ganz weiß ist Pierre Delacroix' Kopf am morgen vor dem Spiegel, doch schnell sieht man, es ist nur Rasiercreme, und unter ihm kommt schnell der schwarze Schädel hervor, nun glattpoliert. Ein Scherz, ganz am Anfang, der sich erst später wirklich erschließt.
Da sieht man dann schwarze Schauspieler, die Kork abbrennen, den Ruß mit Wasser in einer Schale zu dicker Paste verrühren und sich damit dann das Gesicht schminken, denn das eigene ist nie schwarz genug. Die Lippen werden mit rotem Lippenstift dreimal so dick ausgemalt – fertig ist das »Blackface«, die Maske des Stereotyps vom dummen Nigger, der ein notorisch fauler, verfressener, immer lustiger Zuspätkommer ist. Früher hießen sie Uncle Tom und Big Mamma, heute zum Beispiel Mantan und Sleep 'N Eat, wie Delacroix (Damon Wayans) die beiden Straßenkünstler nennt, die er für seine neue Show verpflichtet.
Doch zuvor dekliniert der Fernsehproducer direkt an uns Kinozuschauer gewendet seinen Kanon durch, definiert »eins:« Satire, dann »zwei:« Ironie. Deutlicher als Spike Lee – hier ganz eins mit seiner Hauptfigur – kann man es nicht machen: Scherz, Satire, Ironie – und auch die tiefere Bedeutung läßt nicht lange auf sich warten.
Harte, schnelle Schnitte führen ein in sein Leben, in die kühle Karriere eines TV-Macher und die stupiden Produktionsbedingungen der Medienwelt. Elegant und weich verknüpft werden diese Bilder über die Musik, die in It’s Showtime (der im Original Bamboozled heißt, was soviel wie »einfach platt« bedeutet) fast immer zu hören ist, mal aus einem Fernsehen oder Radio, doch meist aus dem Hintergrund – wie in Lees letztem Film Summer of Sam gibt sie der Erzählung bald einen epischen Grundton. Sonst verbindet die beiden Filme wenig. Denn mit It’s Showtime kehrt Lee zurück zu den Angehörigen seiner eigenen Hautfarbe, denen all seine Filme – bis auf den letzten eben – galten. Oder eben doch nicht ganz. Denn Pierre Delacroix ist als Schwarzer eine Ausnahme unter denen, die täglich unsere »Idiot-Box« füllen, ein Outsider, und trotz Top-Gehalt und Nobel-Loft in New York sklavisch unter Druck gesetzt von seinem weißen Boss Dunwitty (Michael Rapaport), der seine Gefährlichkeit nur mühsam unter der Maske des freundlichen Kumpels kaschiert. Den interessieren nur die Quoten, woher sie kommen ist egal.
Dieses Portrait ist besonders geglückt, weil hier kein Rassist karikiert wird. Dunwitty ist vielmehr einer jener Weißen, die sich fast schon als Schwarze fühlen. Er hört afro-amerikanischen Pop, ist mit einer Schwarzen verheiratet, und hat zwei Kinder, seine Büro-Wand schmücken Bilder schwarzer Stars aus Sport und Musik. Aber es schützt ihn vor nichts. Mit Sport und Musik verweist Lee auch genau auf die beiden Bereiche, in denen Schwarze in der US-Gesellschaft wirklich Erfolg haben
können. Schon der Film ist eine Ausnahme, und Denzel Washington und Will Smith stehen als Schauspieler fast genauso allein, wie Spike Lee als Regisseur. Auch Delacroix ist ein Outsider, und von Anfang an wird nahegelegt, dass die Voraussetzung seiner Karriere in Überanpassung zu suchen ist, eben weil er sich – metaphorisch – weiß schminkt, ein »weißer Neger« ist, wie seine Assistentin es auf den Punkt bringt. Trotzdem ist dieser Opportunist nie wirklich unsympathisch,
zu gut versteht man ihn, versteht den Druck dem er unter Dunwitty und seinesgleichen ausgesetzt ist,
Und wer jemals einem dieser Typen auch nur auf einer Filmparty begegnet ist, die außer Betriebswirtschaft überhaupt nichts im Kopf haben, und mit ihrer Mischung aus 30 Prozent Controller-Mentalität und 70 Prozent Ahnungslosigkeit jede Kreativität im Kein ersticken, der weiß, wovon Spike Lee auch noch erzählt: Er zeigt wie Fernsehen tatsächlich funktioniert, wo die kleinen
Korruptionen der Gesinnung, die dann im TV-Container oder der Schmuddel-Talk-Show enden, in all dem Mist, zu dem sich keiner bekennen mag, und den jeder trotzdem guckt, spätestens nachdem er ihn im Feuilleton erklärt bekommt.
It’s Showtime erzählt von der Wiederbelebung der rassistischen Minstrel-Shows aus dem 19.Jahrhundert im TV-Format des 21.ten. Rassismus ist hier wieder erlaubt, weil er zum »Kult« geworden ist, weil die Sendung »so schlecht ist, dass sie schon wieder gut ist.« »Wer will heute schon pc sein?« fragt Delacroix' Chef, und deckt damit gerade die Schwachstelle denjenigen auf, die glauben, moralische Reflexion nicht nötig zu haben, weil sie ja allemal auf der sicheren Seite stehen.
Die letzten Gewissensbisse erstickt der Erfolg. Lee zeigt TV-Macher, die sich die abendlichen Quoten reinziehen, wie andere ihre Koks-Line oder den Schuß Heroin.
Und er erzählt anhand der Figur Delacroix' eine ziemlich alltägliche Geschichte vom Selbstverrat, der hier allerdings der Selbstverrat einer ganzen Kultur ist. Denn zu den Minstrel-Shows, zu all den Komikern, die bis in die Gegenwart, von Eddie Murphy bis Whoopi Goldberg oder auch Will Smith den »lustigen Neger« geben,
den schwarzen Rapper mit Sonnenbrille, der irgendwie cool, meistens witzig und jedenfalls nie ernst zu nehmen ist. Zu den interessantesten, auch beklemmendsten Szenen gehören dabei Passagen, in denen Lee Motive und Ausschnitte aus Film und Fernsehen zusammenschneidet, die zahllosen Kellner und Zimmermädchen, Sänger und Musiker des Hollywood-Films, aber auch Alltagsgegenstände, Werbecharaktere und Comicfiguren, auch ein Bing Crosby und eine Judy Garland, die schwarz geschminkt
das »typisch schwarze« imitiert – rassistische Stereotypen allesamt. Auch einen Bugs Bunny hätte es darunter geben können, der wurde aber von Warner Bros. nicht freigegeben.
So thematisiert Lee beides: Die Demütigung der Schwarzen, die – um öffentlich Erfolg zu haben – sich noch schwärzer machen müssen, gezwungen sind, dem Stereotyp zu entsprechen. Und er hält dem kulturellen Rassismus, der auch das politisch liberale Milieu des weißen (nicht nur US-amerikanischen) Bürgertums bis heute prägt, einen Spiegel vor. Bei allem politischen Engagement, bei allem, was diesen Film sympathisch macht, bleibt er zugleich aber immer witzige, scharfe Satire, großes Kino in seiner Fähigkeit sehr unterschiedliche Ebenen und Aspekte zusammenzubinden. Freilich sind Lees Witze gerade nicht jene freundlichen Seitenhiebe, die man normalerweise im Kino gewohnt ist. Schon eher handelt es sich um Gradwanderungen a la Harald Schmidt, die vielleicht subversiv sind, vielleicht aber auch nur einfach geschmacklos, und an denen genau diese Unsicherheit das interessanteste ist.
Für all das wurde Spike Lee trotzdem ziemlich gebeutelt, in seinem Heimatland warf man ihm umgekehrten Rassismus vor, bei der Berlinale glaubten auch manche deutschen Kritiker in It’s Showtime eine Kriegserklärung an die Ironie zu erkennen – es scheint Spike Lees Schicksal zu sein, dass man ihn immer wieder der Absichten bezichtigt, die er in seinen Filmen gerade bekämpft, und schon in Do the Right Thing – dessen Rang als Meisterwerk heute unumstritten ist – sahen manche einst eine Aufforderung zu Rassenkrawallen.
Aber vielleicht haben jene ja recht, die hinter aller Ironie auch den Ernst betonen. Denn in It’s Showtime versucht der intelligente Rechthaber Spike Lee nicht nur zu fragen, was »schwarz« und »weiß« überhaupt heißt, und den Beweis zu führen, dass Hautfarbe heute kaum noch etwas mit Identität oder gar Authentizität zu tun hat. Er zeigt auch, dass eben nicht immer alles lustig ist.
Wenn ein Türke einen Türkenwitz erzählt – ist der dann noch ausländerfeindlich? Spike Lee würde, so lassen seine Interviews vermuten, sagen: Ja. Er scheint wenig Vertrauen zu haben, dass Ironie und Subversion brauchbare Strategien gegen Ausgrenzung, Diskriminierung sind. Sein jüngster Film hat dennoch keine ganz so klare Antwort parat. Gewiss, in seinen weniger überzeugenden Momenten spricht auch aus Bamboozled (der Titel – zu deutsch etwa »hinters Licht geführt«, »reingelegt« – ist ein Eigenzitat aus Malcolm X) der heilige Eifer des Gerechten, hält Lee das Wahre schon für das Gute und Schöne. Gelegentlich kann er dann seinen Hang zum Volkshochschul-Kino mit erhobenem Zeigefinger nicht einbremsen, läßt in der Rhetorik jede Finesse vermissen. Da droht die Gefahr, damit nurmehr den bereits Bekehrten zu predigen. Dann reicht ihm auch nicht mehr ein Ziel, dann holt er (mit ganz unterschiedlichem Erfolg) zum Rundumschlag aus, bei dem gleich auch noch Seitenhiebe auf Designer-Klamotten mit Ghetto-Chique und Alkoholkonsum ausgeteilt werden. Dann muss alles ganz furchtbar finster und auswegslos enden – und am Anfang eine Definition von »Satire« vorangestellt werden, damit man auch ja weiß, welches Genre gemeint ist.
Dennoch: Sie hat mehr zu bieten, diese Geschichte vom Fernsehredakteur Pierre Delacroix (Damon Wayans), der – schwer desillussioniert – seine Entlassung herbeiführen will. Und dabei einen unerwarteten Quotenhit landet, indem er die alte amerikanische Tradition der »Minstrel Show« wieder aufleben lässt, jedoch statt wie einst mit Weißen nun mit Afro-Amerikanern im Make-up des stereotypen Neger-Gesichts. Denn Spike Lee lässt den Film mit vielen Stimmen sprechen, verleiht (nicht zuletzt dank einer hervorragenden Schauspieler-Riege) jeder Figur ihre eigene Wahrhaftigkeit. Es gibt, trotz Lees persönlichem, autoritärem Eifer, innerhalb des Films keine absolute Position der Wahrheit. Zu einem guten Teil sind zwar die Sympathien relativ klar verteilt (der großartige Michael Rappaport kommt als Pierres Boss beispielsweise alles andere als gut weg) – aber was sich im Detail abspielt im Rahmen der großen Warnung vor der Macht rassistischer Bilder ist keineswegs monolithisch, keineswegs einfach und klar. (Das passt durchaus zum Diskurs um Minstrel-Shows in der afro-amerikanischen Kulturwissenschaft, wo diese Tradition schon längst nicht mehr pauschal verteufelt wird sondern als reichlich komplexes Phänomen diskutiert.)
So wird der Film immer mehr zum Kaleidoskop. Ein Kaleidoskop der Figuren – Pierre, seine Assistentin (eine der stärksten Frauengestalten in Lees bisherigem Werk), die beiden Strassenkünstler, die Pierre zu zweifelhaften Fernseh-Stars macht, Pierres Vater, ein schwarzer Stand-up Komiker der alten Schule, die Mau-Maus, eine Gruppe militanter Rapper; Figuren, von denen jede etwas Wahrheit, etwas Lüge in sich trägt. Ein Kaleidoskop der Bilder von Afro-Amerikanern, im doppelten Sinn – kaum ein Raum, in dem nicht afro-amerikanische Kunst die Wände dekoriert; kaum ein Moment, in dem Pierre nicht mit rassistischen Stereotypen konfrontiert wird.
Es ist diese Facette, die immer deutlicher, immer wichtiger hervortritt: Nicht nur um Rassismus geht es, sondern überhaupt darum, wie die westliche Kultur bemüht ist, peinliche Vergangenheit vergessen zu machen, Erinnerung zu löschen. Und wie dies erst recht erlaubt, dass schädliche Traditionen über Generationen immer wieder ähnliche Blüten treiben. Minstrel-Shows, Blackface, Man-Tan... kaum eine der Figuren in Bamboozled, gleich ob schwarz oder weiß, kennt davon noch etwas. Aber das Muster, nachdem in den 30er Jahren Steppin Fetchit funktioniert, wirkt weiter in Star Wars' Jar Jar Binks. Noch immer verkauft uns Uncle Ben den Reis. Noch immer glauben wir, dass der Neger den Rhythmus von Geburt an im Blut hat und irgendwie viel näher an der Natur und dem Authentischen dran ist. Lee arbeitet mit Bamboozled an einer nötigen Archäologie rassistischer Ikonographie, gräbt nach Filmbildern, Plakaten, Nippes. Zum regelrechten Spuk wird die Vergangenheit dabei, holt Pierre in der vielleicht stärksten Szene des Films ein, als seine »Jolly Nigger Bank«, ein altes Blechspielzeug, plötzlich ein Eigenleben entwickelt. Da ist für Pierre aber schon der Zeitpunkt vorbei, noch rechtzeitig zu lernen, dass diejenigen, die die Geschichte nicht kennen, verdammt dazu sind, sie zu wiederholen.