USA/HK 1996 · 84 min. · FSK: ab 12 Regie: Stanley Tong Drehbuch: Stanley Tong, Nick Tramontane, Greg Mellott Kamera: Jingle Ma Darsteller: Jackie Chan, Jackson Lou, Chen Chun Wu, Bill Tung u.a. |
In Asien ist er schon längst der größte aller Superstars, aber in den USA und Europa mußte Jackie Chan sich bis vor kurzem mit einer eher kleinen Gemeinde treuer Fans begnügen. Seit Rumble in the Bronx hat sich das endlich geändert: zum ersten Mal führte Jackie auch westliche Kinohitparaden an. Es mag an geschicktem Marketing gelegen haben, an der Krise der großen amerikanischen Actionstars, oder vielleicht sogar daran, daß man endlich verstanden hat, daß die Referenzpunkte für Jackie Chan nicht Stallone und Schwarzenegger heißen, sondern Fred Astaire und Buster Keaton. Auf jeden Fall schickt Jackie sich nun an, mit First Strike seinen neu erworbenen Ruhm im Westen zu zementieren.
Freilich hat First Strike auch sowas wie ein Handlungsgerüst (die Jagd gilt einem Koffer mit Nuklearwaffen), aber das interessiert ungefähr soviel wie die Farbe des Flügels bei einem Klavierkonzert. (Daß dem Plot manchmal kaum zu folgen ist, liegt gewiß auch daran, daß wir, wie bei Rumble, erneut die für den amerikanischen Markt bearbeitete Fassung zu sehen bekommen,
bei der das meiste, was nicht Action-Sequenz ist, der Schere zum Opfer gefallen ist, und der Soundtrack durch Pseudo-James Bond Musik ersetzt wurde.)
Was interessiert, sind die Kampfchoreographien und unglaublichen Stunts, die für einen Jackie Chan Film das sind, was für ein Musical die Musiknummern sind. Und da hätte First Strike unter anderem anzubieten: Verfolgungsjagden auf Skiern, Snowboards und Snowmobiles; Sprung über eine Klippe an einen
Hubschrauber; Sprung von diesem Hubschrauber in einen (100% echten!) Eissee; Verfolgungen und Fights in, um und auf dem Penthouse eines postmodernen Hotelturms (fast schon ein Stück Architekturkritik); Unterwasserkämpfe in einem Becken voller (großteils künstlicher, schade!) Haie; Kämpfe auf Stelzen; und, wohl am gewagtesten, Jackie nackt vor weiblichen Fans mit Fotokamera.
Selbstverständlich bleibt Jackie Chan sich treu; d.h. »no fx, no stuntmen«: what you see is what you get. Zum Beweis gibt’s am Schluß des Films wieder die teils lustigen, teils schmerzhaften Outtakes von den Dreharbeiten.
Und das ist sicher der vordringlichste Grund, warum Jackie das Zeug hat zum globalen Superstar. Nicht nur ist er derzeit der charmanteste und menschlichste, da verletzlichste, Held, den das Kino zu bieten hat: er ist auch der vielleicht letzte
echte.
So perfekt digitale Spezialeffekte inzwischen sind, es fehlt ihnen an Masse, an Gewicht, an Physikalität; »everything is possible, but nothing is real,« wie Living Colour so schön gesungen haben. Bei Jackie Chan hingegen heißt es: »everything is possible, and everything’s real«. Er gibt dem Kino wieder das Staunen zurück, und dazu noch Musikalität und Menschlichkeit.
Da mag man andernorts $200 Mio. für einen Film ausgeben, so oft man will: Was Jackie Chan mit
einer simplen Klappleiter als Requisit an genialem Martial-Arts-Ballett entfesseln kann, bleibt unbezahlbar.