Jackass Forever

USA 2021 · 96 min. · FSK: ab 16
Regie: Jeff Tremaine
Musik: Joseph Shirley
Kamera: Lance Bangs, Dimitry Elyashkevich, Rick Kosick
Schnitt: Sascha Stanton Craven, Matthew Kosinski, Matthew Probst
Filmszene »Jackass Forever«
Bienenstock goes »private parts«.
(Foto: Paramount Pictures Germany GmbH)

Schwänze am Abkacken

Das offiziell letzte Installment des Jackass-Franchises treibt die legendären Sado-Maso-Exorzismen zwar an neue Schmerzgrenzen, büßt aber angesichts der florierenden Tik-Tok-Kultur an Durchschlagskraft ein

Wer nicht zwischen den Jahren 2000 und 2002 das Glück hatte, mit dem MTV-Format Jackass sozia­li­siert zu werden, hatte im Laufe der letzten 20 Jahre jedoch immer wieder die Chance, das über einen der daraus resul­tie­renden fünf Filme des Franchise nach­zu­holen oder über auf Youtube ausge­kop­pelte Klassiker wie Poo Cocktail Supreme aus Jackass 3D (2010) zumindest eine Ahnung davon zu bekommen, dass es tatsäch­lich möglich ist, das Kind im Mann für immer am Leben zu erhalten. Ja mehr noch, dass das große Verspre­chen des ameri­ka­ni­schen Block­bus­terkinos der 1980er, damit sogar Helden­status erreichen zu können – so wie Indiana Jones – tatsäch­lich eingelöst worden ist.

Seitdem hat sich die Prank-Kultur, die ja an sich nichts Neues ist , sondern ihre Wurzeln in den kurzen Stunt-Slapstick-Filmen der Stumm­film­zeit hat, völlig verselbst­stän­digt und über Youtube-Formate wie etwa OeTTIGANG TV (siehe z.B. die Senf­chal­lenge 2) auch regio­na­li­siert. Hinzu­ge­kommen sind außerdem Formate wie Tik Tok, die den Slapstick-Stunt in neue zeitliche und ästhe­ti­sche Korsetts gepresst haben. Aber so wie es in die Kürze geht, geht es auch in die Länge, wie etwa in Kitao Sakurais erst im letzten Jahr erschie­nener »Versteckte-Kamera-Prank-und-Buddy«-Komödie Bad Trip.

Noch schöner, weil fami­liärer, wird es aber, wenn die alte Garde um Jackass-Urgestein Johnny Knoxville einen ihrer großen Epigonen wie Eric André aus Bad Trip mit an Bord holt, um alten und neuen Wahnsinn in einen Topf zu werfen und einmal mehr zu zeigen, was geht, dass der alte Hippie-Traum vom Forever Young kein Traum, sondern gnaden­lose Realität ist, für die man eigent­lich nur einen Preis zahlt – den der Vernunft.

Denn was Knoxville und sein Team aus alten und neuen Tagen hier in ihren anein­an­der­ge­reihten Sadomaso-Clips vorführen, ist so banal wie brutal, allein das kreative Dauer­feuer der völlig grotesken Folter­ideen haut einen schon völlig um, stellt allein damit schon Formate wie das der OeTTIGANG völlig in den Schatten.

Denn Knoxville und Co. kennen tatsäch­lich keine Gnade, am aller­we­nigsten mit dem, was Männern norma­ler­weise wichtig ist und überhaupt – so viel Schwanz und Hoden in allen nur möglichen Größen, Breiten und Unarten gibt es auf der Kino­lein­wand in unserem ansonsten ja sehr restrik­tiven Neo-Bieder­meier eher selten zu sehen: Eine auto­ma­ti­sche Abwat­sch­an­lage schlägt bei falschen Antworten auf Schwänze und Eier, die in einer anderen Sequenz mit Plexi­glas­platten zu zusam­men­ge­pressten Tisch­ten­nis­schlä­gern werden oder zu einem Bienen­korb mutieren, auf den sich nicht nur Bienen setzen, sondern auch zustechen. Nippel werden stra­pa­ziert und in einer der wenigen Sequenzen mit einer Frau werden die Lippen der Frau mit einem Skorpion-Stick gebotoxt.

Abseits dieser forever-puber­tie­renden zutiefst männ­li­chen Brachial-Mutpro­ben­kas­kaden gibt es natürlich die auch schon aus Bad Trip bekannte versteckte Kamera mit ihren endlosen Prank-Möglich­keiten, gibt es Stumm­film­klas­siker wie sich von einem Stier aufspießen lassen (der Knoxville dann auch einen Kran­ken­haus­auf­ent­halt beschert hat) und diverse Kotz­dö­de­leien und Anspie­lungen auf die ersten Teile, dieses Mal ist es aller­dings der intensiv gemolkene Samen eines Schweins, der über­ra­schend auf dem Kopf eines Prot­ago­nisten landet.

Woran es dann aber liegt, dass schon weit vor Ablauf der an sich ja knappen 93 Minuten Apathie (und dann und wann auch echter Ekel) einsetzt, ist schwer zu sagen. Ist es einfach zu viel des Guten, das ja auch eine sinnvolle Waffe, ein mani­fester Aufschrei gegen die Krisen unserer Gegenwart ist? Und immerhin versucht Knoxville in einer letzten Sequenz zu einem wirk­li­chen Höhepunkt zu finden, so etwas wie einen erzäh­le­ri­schen Rahmen zu schaffen, aber irgendwie verpufft auch das und man muss sich fragen, ob wir hier viel­leicht einem ausster­benden Format beim letzten Abkacken zugesehen haben, einem Schla­ger­sänger, der auch noch mit 90 auf Tour geht, um seine alten Fans zu beglücken.

Denn das über die oben erwähnten und andere sozialen Medien inzwi­schen domi­nie­rende Kurz­kurz­format funk­tio­niert ja weiterhin und feiert ungeahnte Erfolge, trainiert mögli­cher­weise aber gleich­zeitig unsere Aufmerk­sam­keit­span­nen­muskel radikal ab. Andrer­seits hilft ja schon ein wenig Plot, so wie in Bad Trip, um Wunder zu wirken und dabei auch sehr schön zu zeigen, dass sich Schwach­sinn durchaus mit poli­ti­schem und künst­le­ri­schem Akti­vismus vertragen kann.