Deutschland 2022 · 93 min. · FSK: ab 12 Regie: Aron Lehmann Drehbuch: Lea Schmidbauer, Rosalie Thomass, Aron Lehmann Kamera: Andreas Berger Darsteller: Rosalie Thomass, Almila Bagriacik, Marie Burchard, August Wittgenstein, Golo Euler u.a. |
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Ein letztes Prosit vor dem ersten Schuss... | ||
(Foto: Tobis) |
Es scheint fast so, als hätten die deutschen Filmfördergremien die Devise ausgegeben, bezüglich feministischer Selbstermächtigung ein wenig auf den Putz zu hauen, nachdem eigentlich nur Karoline Herfurths Wunderschön nach Rohrkrepierern wie Generation Beziehungsunfähig oder Es ist nur eine Phase, Hase ein wenig Hoffnung machte. Den Anfang einer Art Triptychon von Frauengeschichten, in dem wie im besten Jugendfilm erst durch ein gesundetes Gruppengefühl gesellschaftliche und persönliche Defizite überwunden werden können, machte vor ein paar Wochen Anika Decker mit Liebesdings, Anfang September wird Doris Dörrie den Dreiteiler mit Freibad abschließen, nachdem nun, Mitte August Aron Lehmanns „Mittelteil“, Jagdsaison, in die Kinos kommt.
Über Aron Lehmann sollte man wissen, dass er mit dem Genre Komödie so kreativ umgeht, wie sonst kaum jemand in Deutschland. Angefangen mit seiner fantastischen German Mumblecore-Reflexion Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel (2012), seiner etwas platten Finanzwelt- und Culture Clash-Komödie Highway to Hellas (2015), seiner bissigen Tragikomödie Die letzte Sau (2016) bis zu seiner wunderbaren romantischen Musikkomödie Das schönste Mädchen der Welt (2018) war bislang jeder seiner Filme so überraschend wie innovativ.
Das gilt auch für Jagdsaison, obwohl – und das tut als einziges ein wenig weh – wir es hier mit einem Remake des dänischen Films Jagtsæson (2019) von Tilde Harkamp zu tun haben. Aber auch Remakes haben ihre Daseinsberechtigung, so wie es Sönke Wortmann vor einem knappen Jahr mit Contra gezeigt hat und das gilt natürlich noch einmal mehr bei einem Ausnahmeregisseur wie Lehmann, der seine immer wieder eigenwillige, anarchische Handschrift auch hier hinterlässt.
Denn Lehmann hat die dänische Vorlage mit seinen Drehbuchautorinnen Lea Schmidbauer und Rosalie Thomass, die auch eine der Hauptrollen spielt, zu einem wilden Ritt in emanzipatorischer Frauenermächtigung transformiert, in dem fast jeder Dialog angemessen spitz und dezidiert widerwärtig ausgekostet wird, um die Freundinnen-Geschichte von Eva (Rosalie Thomass), bei der alles schief läuft und ihrer besten Freundin Marlene (Marie Burchard), die sich emanzipieren will und plötzlich auch die beste Freundin von Bella (Almila Bagriacik) ist, der neuen Partnerin von Evas Ex-Mann. Eine Konstellation aus Eifersucht und Sehnsucht, aus dem dann sehr organisch ein gemeinsames Wellness-Wochenende zu einer skurrillen Jagdpartie wird, um auch noch die letzte Dummheit menschlicher Beziehungskarusselle und männlicher Deutungshoheiten zu entlarven.
Lehmann ist hoch anzurechnen, dass er sich in seinen Dialogen keinen Konventionen oder politischer Korrektheit beugt und nur das Ende ein wenig konventionell ausfranst. Mehr als das gelingt es Lehmann jedoch, nicht nur verbal mit fiesem, immer wieder ekstatischem, sexualisiertem Humor über die Stränge zu schlagen, sondern diesen derben Humor mit einem überaus genau getakteten Slapstick zu unterlegen, eine Kombination, wie sie in höchster Perfektion etwa in Judd Apatows The 40-Year-Old Virgin, Blake Edwards‘ Skin Deep, Jeff Daniels Dumm und Dümmer, und den besten Performances von Adam Sandler zu sehen ist oder natürlich bei Melissa McCarthy in der sehr ähnlichen Girls-Buddy-Formation von Brautalarm. Und natürlich ist es in solchen Fällen immer zu loben, dass auch Hasen und Hunde sterben dürfen, in einer Szene, die ähnlich fantastisch und souverän inszeniert ist wie einst der Tod eines Hundes in A Fish Called Wanda.