USA 2015 · 98 min. · FSK: ab 12 Regie: Gavin O'Connor Drehbuch: Brian Duffield, Anthony Tambakis, Joel Edgerton Kamera: Mandy Walker Darsteller: Natalie Portman, Ewan McGregor, Joel Edgerton, Noah Emmerich, Rodrigo Santoro u.a. |
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Schillernd, aufregend, facettenreich |
Die Erinnerung an den letzten, großen, überraschenden Western – John Macleans Slow West – ist noch nicht ganz verblasst, da taucht aus der Weite der ewigen Prärie schon gleich der Nächste auf, um sich in eine fast makellose Reihe außergewöhnlicher Westernproduktionen der 2000er Jahre einzufügen. Doch ganz anders als die innovative, immer wieder auch absurdkomische und traurige Coming-of-Age Geschichte von Slow West, die mit fast lyrischen und schmerzhaft schönen Bildern des neuseeländischen »Westens« unterlegt war, besinnt sich Gavin O’Connor in Jane got a Gun auf die klassische No-Frills-Variante des Westerns.
Ein Western also, in dem die Landschaft karg ist und die Menschen einfach sind. So wie ihre Geschichten. Jane (Natalie Portman) hat sich mit ihrem Mann Bill (Noah Emmerich) ein neues Leben aufgebaut. Doch ihre vor allem durch die Bishop Boys Gang und ihren Anführer Colin (Ewan MgGregor) düster umflorte Vergangenheit holt sie wieder ein, so dass sie sich nicht anders zu helfen weiß, als ihren früheren Verlobten Dan (Joel Edgerton), um Hilfe zu bitten, der sich auch tatsächlich aus einer tiefen Depression hinausschält, um Jane zur Seite zu stehen. Diese langsame Transformation von einem fast beschaulichen Leben in der Abgeschiedenheit zu einer fast aussichtslosen Schlacht von Gute gegen Böse, von David gegen Goliath, geschieht in nahezu wortlosen Dialogen, erklärenden Rückblenden, fast stillen, nur durch Perdegetrappel unterlegten Ortswechseln und der Wucht archaischer Bedürfnisse.
Doch anders als im klassischen Western, in dem vor allem über Prostituierte oder Konkubinen starke Frauenrollen platziert wurden, fokussiert Gavin O’Connor auf den Frauentypen, der erstmals von Kelly Reichardt in Meek’s Cutoff ins Zentrum gestellt wurde: die ganz normale, fast biedere Frau, die sich in Zeiten der Krise emanzipiert und erkennt, dass Geschlechterrollen gesellschaftlich verhandelbar sind. Auch Jane geht diesen Weg und erkennt neben der Schwäche der Männer um sie herum schließlich ihre eigene Stärke, die auch beinhaltet, dass Kochen und Schießen Tätigkeiten sind, die sich vereinbaren lassen. Natalie Portman verkörpert diesen Komplex in ihrem schillernden, aufregenden, facettenreichen Spiel so überzeugend, dass diese einfache Geschichte plötzlich weiter als erwartet reicht, man daran erinnert wird, dass diese Geschichte kein Märchen ist, sondern dass es – wenn es die Zeit forderte – immer wieder Frauen auch vor der großen Emanzipationswelle der 1960er gab, die auf fast allen Ebenen ihren Mann standen. Vielleicht zuletzt während des Zweiten Weltkriegs in Namibia, als deutsche Farmfrauen völlig auf sich allein gestellt waren und in Ansätzen wie Jane handeln mussten, nachdem ihre Männer in südafrikanischen Lagern interniert wurden. (1)
Aber es lässt sich natürlich auch kürzer, schmuckloser, assoziationsärmer sagen: wer den geilen Titel dieses Films mag, wird auch den nackten Glanz dieses Films lieben, eine auf den Kern reduzierte Geschichte, die aber dennoch nie langweilt, sondern mit einer furiosen, kreativen Gewalttätigkeit auf ganzer Linie überzeugt.
1. Hans-Volker Gretschel, Von Kampwitwen und -waisen – Berichte aus den Internierungsjahren in Südwestafrika 1939-1946. Windhoek/Göttingen, 2009, Klaus Hess Verlag.