Deutschland 2017 · 90 min. Regie: Walter Steffen Drehbuch: Walter Steffen Kamera: Walter Steffen Schnitt: Steffen Mühlstein |
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Unter den Hijab und rauf auf die Bühne! |
Drei Clowns machen sich auf den Weg in die heilige Stadt Maschhad im Nordosten des Iran. Maschhad ist mit über drei Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes nach der Hauptstadt Teheran und bekannt für den Imam-Reza-Schrein, eine der wichtigsten heiligen Stätten des schiitischen Islam. Doch die Spaßmacher interessieren sich nur beiläufig für die Sehenswürdigkeiten und kaum für die Religion. Gekommen sind sie, um afghanischen Flüchtlingen sowie iranischen Waisen- und Straßenkindern eine Freude zu machen. Und Maschhad ist nur die erste Station auf einer zweiwöchigen Reise quer durch den Iran.
Drei Clowns sind aus Oberbayern in den Iran gereist. Susie Wimmer, Regisseurin, Choreographin und kreatives Zentrum der Clowns, kommt aus Weilheim. Andreas Schock, der Musikclown, ist im Hauptberuf Heilpädagoge und Dr. Monika Single ist Lehrerin. Begleitet werden sie vom Seeshaupter Filmemacher Walter Steffen. Vor Ort wird Reza Abedini Sohi zur Gruppe stoßen. Er ist zunächst nur der Reiseleiter der Gruppe, wird aber nach und nach ins Clowngeschehen integriert, so dass er letztlich der roten Nase und dem »Clownsvirus« nicht mehr entkommen kann.
Die drei deutschen Clowns gehören zu den »Clowns ohne Grenzen«, einer internationalen Organisation, die nach dem Vorbild der »Ärzte ohne Grenzen« 1993 in Spanien gegründet wurde, um Freude und Lachen in Krisenregionen zu bringen und vor allem für Kinder zu spielen. Heute gibt es in fünfzehn Ländern, von Australien über Südafrika bis in die USA nationale gemeinnützige Gruppierungen der »Clowns ohne Grenzen«.
Joy in Iran beginnt mit einer zauberhaften Animation von Arne Hain und Tobias Pinegger, die detailreich die Reise der Clowns vom Münchner Umland über die S-Bahn-Fahrt bis zur Landung des Flugzeugs im Iran skizziert und verbunden mit der beschwingten Musik von Wolfgang Obrecht sofort gute Laune verbreitet. Jede weitere Reiseetappe der Gruppe wird durch Animationen begleitet werden und so das Roadmovie strukturieren und für geographische Orientierung sorgen.
Während die Kamera von Walter Steffen nahe an den reisenden Clowns, ihren Späßen und Begegnungen mit jungen und älteren Zuschauern bleibt, springt der Film immer wieder zu erläuternden und einordnenden Interviews mit den Clowns. Vor allem Susie Wimmer steht hier im Zentrum. Sie ist Initiatorin der Reise und Mittelpunkt der kleinen Gruppe. Man merkt ihr die Sensibilität für Land und Leute an. Sie war schon viele Male im Iran, unternahm 2011 eine erste Vorbereitungsreise für die »Clowns ohne Grenzen« und bereist seit 2012 regelmäßig das Land.
In den offiziellen Treffen mit den iranischen Verantwortlichen, wo sie das Projekt und die Organisation vorstellt, wirkt sie ebenso souverän und gelassen wie im Umgang mit den erforderlichen künstlerischen Einschränkungen, die die Islamische Republik verlangt: Frauen und Männer dürfen sich nicht berühren, die Kostüme müssen den islamischen Kleidungsvorschriften entsprechen und die beiden Frauen müssen ihre Haare mit Kopftuch oder Mütze verdecken. Gleichwohl gelingt es den Clowns hier und da kleine subversive Elemente zu platzieren – da wird mal kurz getanzt oder die Frauen singen. Offiziell wäre so etwas nicht erlaubt. Und beim Besuch der Clowns in Krankenhäusern oder psychiatrischen Einrichtungen ergreifen einige der Patientinnen die Gelegenheit und tanzen oder singen mit.
Durch die starke Fokussierung auf die sympathische und lebendige Chef-Clownin, erfährt man jedoch leider recht wenig von den anderen Protagonisten. Die Lehrerin und Sportpädagogin Monika Single kommt nur einmal ausführlicher zu Wort. Und auch zur Biographie von Reza Abedini Sohi hätte man gerne mehr erfahren. Zwar wird er im Laufe des Films selbst zum Clown und es macht ihm und dem Publikum wohl gleichermaßen Spaß, diese Verwandlung zu erleben. Doch über seinen – typisch iranischen – Werdegang erfährt man erst über die Website mehr: er ist eigentlich Ingenieur und Unternehmer, das Tourismusgeschäft nur ein Nebenerwerb. Auch über die von ihm gegründete NGO »We Are One«, die sich wie die »Clowns ohne Grenzen« für grenzüberschreitende Völkerverständigung engagiert, hätte man gerne mehr gehört.
Anders als die kulturerfahrene Susie Wimmer, die den naiven Blick der Clownin auf ihre Umwelt bewusst einsetzt, ist der Kamerablick oft der eines Iranneulings. Da tauchen immer wieder typisch touristische, teils exotisierende Bilder von Moscheen oder Landschaften auf oder die Kamera verharrt beinahe ungläubig auf modernen urbanen Neonschildern. Jedoch wird sehr geschickt und bewusst die feine Grenze gewahrt, die Bilder von Psychiatriepatienten, Behinderten oder sozial Ausgegrenzten nicht in Voyeurismus oder Elendspornographie abgleiten zu lassen und allen Beteiligten ihre Würde zu bewahren.
Diesem Balanceakt begegnet man Joy in Iran öfter. Einerseits ist ein Ungleichgewicht spürbar zwischen den westlichen »Helfern« und den »armen« Iranern, denen geholfen werden muss und über deren Dankbarkeit man sich freut. Doch der Kompetenz der Iranerinnen und Iraner wird auch Rechnung getragen, wenn mit den iranischen Klink-Clowns der Mofid-Gruppe gemeinsam gearbeitet wird oder Workshops mit jungen Schauspielerinnen und Schauspielern veranstaltet werden.
Jedoch erfährt man im Film leider nichts über die reiche und langjährige Tradition etwa des iranischen Kinder- und Jugendtheaters, des Puppentheaters oder der einheimischen Clown-Traditionen des Dalqak. Kanoon (wörtlich: Zentrum) heißt die bekannte Institution für die intellektuelle Entwicklung von Kindern und jungen Erwachsenen, die bereits vor der Revolution gegründet wurde und als eine von wenigen Organisationen ihre Arbeit auch nach der Revolution nahezu ungebrochen fortführen konnte. Vor einigen Jahren hatte der deutsche Filmemacher Niko Apel das Kindertheater-Ensemble um den bekannten Regisseur und Puppenspieler Hamed Zahmatkesh in seinem Dokumentarfilm Freispielen im Iran (2012) vorgestellt, das in abgelegene Dörfer fuhr und als Wandertheater dort die Kinder unterhielt. Ein Projekt, das auf einer – von Deutschland unterstützten – Projekttradition von Kanoon beruht.
Stattdessen konzentriert sich Joy in Iran ganz auf die Tour der »Clowns ohne Grenzen« vom Januar 2017. Und hier erfährt man als Zuschauer einiges über den Iran, vor allem über die schwierige Situation der afghanischen Geflüchteten oder der städtischen Straßenkinder. Auch die Freude über die interkulturellen Begegnungen überträgt sich von der Leinwand in den Kinosaal.
Explizites Anliegen des Filmemachers war es, so ist seinem Pressestatement zu
entnehmen, mit seinem sozialen Kinofilm-Projekt »die Arbeit der 'Clowns ohne Grenzen' dabei zu unterstützen, in den Krisengebieten der Welt Humor, Liebe und Freude zu verteilen«. Und so arbeitet er, wie auch die Clowns selbst, ehrenamtlich und auf eigene finanzielle Mittel gestützt, im Dienst der guten Sache. Die Finanzierung für Joy in Iran beruht stark auf Crowdfunding und die Spenden vieler privater Initiativen. Verschiedene Rotary Clubs des
Fünf-Seen-Landes haben den Film unterstützt und auch der TV-Entertainer Eckart von Hirschhausen wird in der Liste der Spender genannt. Die Premiere von Joy in Iran fand beim Fünf Seen Film Festival statt und im Dezember 2018 lief der Film im offiziellen Programm des größten iranischen Dokumentarfilmfestivals, Cinéma Vérité in Teheran. Den Iran als »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« zu beschreiben, wie es Susie Wimmer im Film tut, mag ungewöhnlich
erscheinen, aber für die Clowns gibt es nun mal keine Grenzen.