Joy Ride – The Trip

Joy Ride

GB/USA 2023 · 95 min. · FSK: ab 12
Regie: Adele Lim
Drehbuch: , ,
Kamera: Paul Yee
Darsteller: Ashley Park, Sherry Cola, Stephanie Hsu, Sabrina Wu, David Denman u.a.
Filmszene »Joy Ride - The Trip«
Gestrandet, aber nicht versandet...
(Foto: LEONINE)

Die unerträgliche Spießigkeit des Seins

Adele Lims Roadmovie ist eine wilde Culture-Clash-Gratwanderung zwischen super-spießig und vagina-vulgär, wirft aber auch ungeahnte Blicke auf asiatische Identitätsbildung

Filme mit Frauen, die abseits ihrer Heimat endlich einmal die Sau raus­lassen, gibt es ja inzwi­schen für alle Alters­klassen, von Brau­talarm bis Book Club – Ein neues Kapitel, und stehen in Sachen mora­li­scher Gren­zü­ber­schrei­tungen ihren männ­li­chen Vorbil­dern in Hangover oder Pineapple Express in nichts nach.

Eine neue Variante bringt nun Adele Lim in ihrem Debütfilm Joy Ride – The Trip ins Spiel. Statt des üblichen Pools ameri­ka­ni­scher Spießig­keit, der Knall auf Fall zumindest temporär aufge­bro­chen werden muss, damit der beschis­sene Alltag überhaupt noch zu ertragen ist, erzählt Lim zuerst einmal eine Migra­ti­ons­ge­schichte zweier chine­sisch-stämmiger Mädchen, die in ihrer Einsam­keit beste Freun­dinnen werden, aber als Erwach­sene dann sehr unter­schied­liche Wege gehen: Audrey (Ashley Park), von ihren weißen Eltern als Baby adoptiert, ist auf die klas­si­sche ameri­ka­ni­sche Erfolgs­ge­schichte getrimmt und arbeitet als Anwältin; ihre Freundin Lolo (Sherry Cola) versucht sich in alter­na­tiven Lebens­formen und als aufstre­bende, aber ziemlich erfolg­lose Künst­lerin, spricht aber wegen ihres rein-chine­si­schen Eltern­hauses besser Chine­sisch als Audrey, weshalb Audrey sie mit auf eine Geschäfts­reise nach Peking nimmt, um einen wichtigen Deal mit ihrer Hilfe abschließen zu können. Mit im Boot ist noch Lolos K-Pop-vernarrte Cousine Deadeye (Sabrina Wu) und Audreys alte College-Freundin Kat (Stephanie Hsu), die in Peking dazustößt.

Nach der Konfron­ta­tion zwischen chine­si­scher und migran­tisch-chine­si­scher Kultur, die Lulu Wang in ihrer zärt­li­chen Culture-Clash-Komödie The Farewell aller­dings deutlich diffe­ren­zierter erzählt hat, lässt Joy Ride diesen Topos auch sehr schnell links und rechts liegen und schickt die vier Frauen auf einen gaga-grotesken Road Trip durch China, auf dem nebenbei ein paar klas­si­sche Sehens­wür­dig­keiten abgehakt werden, so wie das in fast schon uner­träg­li­chem Ausmaß auch in Book Club – Ein neues Kapitel durch­ex­er­ziert wurde

Aber Lims Film entzieht sich zum Glück diesem Übel sehr schnell und widmet sich der uner­träg­li­chen Spießig­keit des Seins und der Stra­te­gien dagegen und presst die Spießig­keit mit immer wieder gren­zü­ber­schrei­tenden Vulga­rismen aus der faulen Zitrone west­li­cher Moral, was mögli­cher­weise auch Seth Rogen und Evan Goldberg im Team der Produ­zenten geschuldet ist, die diese Art von Humor in ihren Männer-zentrierten Komödien Superbad, Pineapple Express, This Is the End, The Interview oder Good Boys immer wieder sehr erfolg­reich durch­de­kli­niert haben. Lim findet jedoch eine eigene Sprache für ihre Geschichte, findet Dialoge, die so kompakt wie krank sind, und übersetzt weibliche und vor allem ameri­ka­nisch-asia­ti­sche Frus­tra­tion adäquat in eine Komik, die sich auch der tragi­schen Tiefen ihrer Heldinnen annimmt. Und dann liefert Lim auch einen weiteren, span­nenden Sub-Plot, in dem es um Iden­ti­täts­suche geht und was eigent­lich Chine­sisch oder Chine­sisch-Ameri­ka­nisch oder dann auch Korea­nisch ist.

Diese ameri­ka­nisch-asia­ti­schen Iden­ti­täts­su­chen unter­scheiden sich zwar im Kern, das heißt im Ergebnis, nicht viel von denen ihrer ameri­ka­ni­schen Vorgänger ohne Migra­ti­ons­hin­ter­grund, steht bei allem gren­zü­ber­schrei­tenden Befrei­ungs­ringen irgendwie doch am Ende jeder zu seiner sozia­li­sierten Entität, aber es ist zumindest auch genauso komisch – wird bei aller Schwere der Migra­ti­ons­pro­zesse auch endlich einmal über die Leich­tig­keit der Migration, der spie­le­ri­schen Freiheit, die durch diesen Hinter­grund entstehen kann, berichtet.

Und wie The Farewell bietet auch Joy Ride – The Trip einen unge­wöhn­li­chen Einblick hinter die Kulissen chine­si­scher und korea­ni­scher Alltäg­lich­keit, der im Rauschen des gewöhn­li­chen Nach­rich­ten­stroms kaum vorkommt. Und nicht zu vergessen: erzählt auch dieser Film von starken, eman­zi­pierten Frauen, die zwar dann und wann mal die Sau raus­lassen, aber auch genug Empathie besitzen, um ihre Gegenüber, sich selbst und ihre kultu­relle Identität zu hinter­fragen.