USA 2017 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Jake Kasdan Drehbuch: Chris McKenna, Erik Sommers, Jake Kasdan, Scott Rosenberg, Jeff Pinkner Kamera: Gyula Pados Darsteller: Dwayne Johnson, Jack Black, Kevin Hart, Karen Gillan, Nick Jonas u.a. |
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Gender Fuck & Generation Swap |
»Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.«
–Johann Wolfgang von Goethe, Der Zauberlehrling
Würden wir in Beziehungen so kreativ sein wie die Drehbuchautoren Hollywoods, dürfte es in manchem Beziehungsalltag deutlich besser aussehen. Man denke nur an das gelungene Sequel einer 20 oder 35 Jahre alten Beziehung! Denn soweit sind wir angesichts finanziellen und kreativen Sicherheitsdenkens ja schon – gibt es nicht mehr nur die ewigen Star-Franchises Star Wars oder Star Trek, nein, jetzt wird auch singulär gegraben. Vor kurzem war es Blade Runner, der aus seinem 35-jährigem Dornröschenschlaf geweckt und reloaded wurde, nun ist es Jumanji, zwanzig Jahre, nachdem sich Robin Williams und Kirsten Dunst hilflos den Geistern ausgesetzt sahen, die sie riefen.
Jumanji: Willkommen im Dschungel verzichtet allerdings noch weitaus mehr als Blade Runner 2049 auf Retroschwurbeleien und setzt gewissermaßen eine völlig von ihrer Vergangenheit emanzipierte Beziehung in den filmischen Raum. Das zeigt sich nicht nur am Casting – niemand von damals ist mehr dabei – sondern vor allem an der Story, die sich zwar weiterhin an die Grundstruktur von Goethes »Zauberlehrling« anlehnt, dabei aber berücksichtigt, dass sich die Zeiten tatsächlich geändert haben. Dringen die durch ein Spiel entfesselten »Geister« in Jumanji noch in die reale Welt ein, so ist es angesichts unserer zunehmend digitalen Präsenz in Jumanji: Willkommen im Dschungel folgerichtig der reale Körper, der in die »Geister«- aka Spielewelt eindringt und als Avatar um sein Überleben kämpfen muss.
Jumanji: Willkommen im Dschungel profitiert dabei vor allem von einer weiteren Aktualisierung und der Regie von Jake Kasdan, der bereits als Regisseur und beratender Produzent der legendären Coming-of-Age Serie Freaks and Geeks gezeigt hat, dass Jugend heutzutage mehr ist, als »nur« erwachsen zu werden, dass es nun auch dazu gehört, Genderstereotypen zu dekonstruieren und Monosexualität zumindest in Ansätzen zu überwinden.
Kasdan vertraut dabei nicht nur auf die Stärken seiner jugendlichen Schauspieler, die in der Rahmengeschichte wie direkt aus Freaks und Geeks teleportiert wirken, sondern für den Kernplot vor allem aus einem schrägen Cast verschiedenster Genre-Schauspieler wie dem Wrestler Dwayne Johnson, den Comedians Jack Black und Kevin Hart oder dem ehemaligen Model Karen Gillian. Die Komik wird jedoch nicht nur dadurch greifbar, dass die in ihren bisherigen Rollen meist auf ein Stereotyp festgezurrten Schauspieler sichtlichen Spaß daran haben, ihre »Standards« nur mehr als »gebrochene« Avatare, auf ihre Physis reduzierte Körper ausüben zu können, sondern durch groteskes »Generationen-Swapping« und »Genderbender« weitere Komponenten integriert werden. Vor allem der durch L. Humphrey (1972) erstmals postulierte »gender fuck« und eine an die Befreiungsmoral der frühen 1970er erinnernde Trash-Variante des Guerrilla-Theaters machen so viel Spass, dass die eigentliche Handlung von Jumanji – die dümmliche Jagd nach einem dämlichen Stein, um sich wieder aus der virtuellen Realität und von den ungewöhnten Avataren zu befreien – fast völlig in den Hintergrund tritt.
Wer sich der Kernhandlung jedoch annehmen will und allen theoretischen Ballast einfach mal hinten anstehen lassen möchte, bekommt immer noch ein exzellentes B-Movie, einen wirklichen »Guilty-Pleasure-Diamanten« mit vor sich hingackernden, irrem Overacting verpflichteten Schauspielern, und einer runden Moral, die vor allem Zusammenhalten postuliert, egal wie unterschiedlich man ist. Und das: funktioniert zweifelsohne auch für die ganze Familie. Am besten gleich nach Star Wars 8: The Last Jedi, um wieder ein wenig Mut zu fassen, dass Fortsetzungen auch Spaß machen können oder nach dem fast alles vernichtenden, weihnachtlichen Beziehungsstreit, um wieder daran glauben zu können, dass ein Remake überhaupt möglich ist.