USA 1997 · 129 min. · FSK: ab 12 Regie: Steven Spielberg Drehbuch: Michael Crichton, David Koepp Kamera: Janusz Kaminski Darsteller: Jeff Goldblum, Julianne Moore, Pete Postlethwaite, Arliss Howard u.a. |
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»The Industry« sagt man in Los Angeles, wenn man vom Filmgeschäft spricht – und das nicht zufällig: Film ist in unserer Gesellschaft, mit allen Vor- und Nachteilen, die das bringt, ein Industrieprodukt. Die Grundlage der industriellen Revolution ist die maschinelle Fertigung; die zentrale Idee hinter der maschinellen Fertigung ist die beliebige, präzise Wiederholbarkeit eines Produktionsvorgangs.
Welcome to the Machine. The Lost World: Jurassic Park ist da.
Nachdem sich die Thrill-Mechanismen von Jurassic Park weltweit bei einer ungeahnten Anzahl von Menschen als effektiv erwiesen haben, wird nun erneut eine Horde echsenhafter Freßmaschinen auf das Publikum losgelassen, um sich noch einmal gierig Unsummen von Geld einzuverleiben.
Das Team hinter der
Kamera ist das gleiche wie bei Jurassic Park, Jeff Goldblum und Richard Attenborough übernehmen erneut die gleichen Rollen, und das Grundprinzip (Menschen flüchten vor Dinosauriern) ist sowieso unverändert.
Daß es im Untertitel nicht etwa Jurassic Park II heißt, ist konsequent und ehrlich: »Jurassic Park« ist inzwischen mehr Trademark denn Filmtitel, und The Lost World ist eher Wiederholung denn Fortsetzung.
Der oft gezogene Vergleich der beiden Jurassic Park Filme mit einer Achter- oder Geisterbahnfahrt trifft Wesentliches. Hier wie dort geht es darum, sich mechanisierten Momenten des Schreckens hinzugeben, während die Technik gleichzeitig darüber wacht, daß das Grauen in kontrollierten Grenzen bleibt. Nichts anderes wollen im Film die Erbauer des fiktiven »Jurassic Parks«.
The Lost World ist inhärent selbstreflexiv: Jurassic Park (I wie II) ist letzlich nichts anderes als ein funktionierender »Jurassic Park« – mit der Illusion größerer Bedrohung und der Gewißheit tatsächlicher Sicherheit. Und wie in dem dargestellten Projekt der Saurierzüchtung geht es Lost World darum, Vergangenes zu wiederholen/wieder-zu-holen und damit ein staunendes Publikum zur Kasse zu bitten.
Insgesamt ist die Maschine diesmal größer und böser geworden. Die Farben sind düsterer, erdiger und kontrastreicher, und Quantität und Level der Gewalt sind gestiegen. Selbstverständlich sind die Spezialeffekte noch perfekter, und es gibt noch mehr Dinosaurier, die noch mehr Menschen noch genüßlicher zerfleischen.
Immerhin: Seine Funktion erfüllt The Lost World über weite Strecken hin nahezu perfekt. Wenn jemand weiß, welche Hebel zu ziehen und Knöpfe zu drücken sind, um beim Publikum die gewünschten Emotionen auszulösen, dann Steven Spielberg. Er ist einer der letzten Virtuosen des klassischen Erzählkinos, und in einer Saison, wo andernorts nur noch der blinde Aktionismus zu herrschen scheint, wo der Action-Film zunehmend zu einer noch beliebigeren Aneinanderreihung noch lauterer und größerer Explosionen verkommt, tut es äußerst wohl, auch einmal wieder dem ehrwürdigen Prinzip des Suspense gehuldigt zu sehen. Endlich gibt es wieder einmal lange Sequenzen mit durchgehendem Spannungsbogen und zielgerichtetem Aufbau zu genießen – den Labor-Trailer an der Klippe macht Spielberg so schnell keiner nach.
Überhaupt hat es Spielberg sich nicht einfach leicht gemacht. Er war sichtlich bemüht, auch noch die ödesten Sequenzen des Drehbuchs (wie beispielsweise die lästige Exposition) durch Regieeinfälle zu beleben, und der Film hat zahlreiche wunderschöne Momente (von der komplexen Eröffnungseinstellung bis zu einem herrlichen, schier endlosen Close-up von Julianne Moores angsterstarrtem Gesicht), sowie ein gerüttelt Maß an Selbstironie (die er sich natürlich locker leisten kann).
Das Rohmaterial, aus dem The Lost World zusammengesetzt ist, rekrutiert sich aus dem Magazin der Filmgeschichte. Gefräßig bedient der Film sich im historischen Bildervorrat; von Hatari! über King Kong, Godzilla, den Lost World-Filmen von 1925 und 1960, Jurassic Park selbst und diversen Vietnamfilmen bis hin zu Nosferatu reichen die Spender der cinematischen DNS, die Spielberg seinem Saurier-Spektakel einpflanzt.
Während dieses Spiel mit Zitaten häufig großen Spaß macht, ist es hingegen äußerst unschön, daß Spielberg sich auch die Mechanismen zur Darstellung des Monströsen aus dem Fundus besorgt hat, und dabei einiges aus der Rumpelkammer der Xenophobie zum Vorschein kommt.
In The Lost World gilt es einmal mehr, die amerikanische Nuklearfamilie zu retten – auch wenn diese nicht mehr so aussieht, wie man das früher gewohnt war: am Ende des Films sitzen nun, in
Eintracht vor dem Fernseher versammelt, Jeff Goldblum mit einer schwarzen Tochter, deren Mutter im Film nie auftaucht, und einer Frau, mit der er nicht verheiratet ist.
Aber auch die Dinosaurier haben jetzt Familien, und die Bedrohung der schiefen Idylle geht im Film von Ungeheuern aus, die allzu oft mit südamerikanischen Immigranten assoziiert werden; die Botschaft, die übrigbleibt, ist: die fiesen Einwanderer machen alles kaputt.
Wenn die Dinosaurier schließlich auf
eine Insel verschifft werden, um dort unberührt von Menschenhand glücklich zu leben, geht es unter dem Deckmantel ökologischen Bewußtseins darum, daß die Horden der Armen dieser Welt dort bleiben sollen, wo sie sind, und daß sie, wenn sie sich schon vermehren müssen, dies gefälligst bei sich daheim tun sollen. In Deutschland könnte dieser Film glatt als unschöner Beitrag zur Asyl- und Nachreisedebatte durchgehen.
Doch nicht nur auf ideologischer Ebene hat der Film seine Probleme. Wie das bei Maschinen so ist: die stete Wiederholung des gleichen Vorgangs führt zu Abnutzungserscheinungen. Es gibt einen Punkt, ab dem auch die schönste Dinosaurier-Attacke an Reiz verliert, weil sie eben nur noch die so-und-so-vielte in einer langen Reihe schöner Dinosaurier-Attacken ist.
Da hilft es auch nicht viel, wenn The Lost World nicht dort aufhört, wo man es erwarten würde,
sondern zum Finale noch ein paar Umdrehungen höher schaltet und Jurassic Park III in komprimierter Form gleich mitliefert. Aus der Geisterbahn wird da dann nur vollends Kindergeburtstag. (Wenigstens wird dabei aber Drehbuchautor David Koepp vom T-Rex gefressen – Selbsterkenntnis, erster Weg und so...)
Der mechanisierte Schrecken bekommt so schließlich selbst etwas Mechanisches. Wie bei einer Geisterbahnfahrt, die zulange dauert, werden einem irgendwann die Schienen bewußt, denen man gezwungen ist zu folgen. Und bald fühlt man sich dann nur noch wie ein Teil einer viel größeren Maschine, die man durch das bereitwillige Reagieren auf die Darbietung am Laufen hält.
Um eine weitere Ebene der Selbstreflexivität zu erreichen, hätte The Lost World
konsequenterweise noch einen Film mehr zitieren sollen: Chaplins Moderne Zeiten.